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Die Waldmeister

And Also The Trees

Köln, Kantine
14.11.2003

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And Also The Trees
Was lange währt, wird nicht unbedingt schlechter. Oder anders ausgedrückt: And Also The Trees sind so etwas wie eine musikalische Südhanglange, die durch langes Lagern - fünf Jahre - eher noch an Geschmack, Reife und vollmundigem Abgang zugelegt zu haben scheinen. Obwohl Bassist Stephen Burrows nach der Show ganz richtig feststellte: "Fünf Jahre sind einfach zu lang. Du weißt einfach nicht, was dich erwartet, wenn du dann wieder auf Tour gehst." In dem Fall hätte Stephen sich indes keine allzugroßen Sorgen machen müssen. Für eine Band, die dermaßen lange von der Bildfläche verschwunden war, war der Zuspruch - auch beim Kölner Konzert - ganz okay. Einen Vorteil hatte die lange Auszeit sogar: Das Publikum, das sich lange Zeit aus den Goth-Zirkeln rekrutierte, scheint sich in der Zwischenzeit gewandelt zu haben. "Es hat mich auch gewundert, dass auf dieser Tour kaum Goths auftauchten", bestätigte Stephen, "und was auch erfreulich ist: Es waren einige junge Leute im Publikum. Das kann aber auch nur so erscheinen, weil wir mittlerweile so alt aussehen!"
Dabei hätte er sich diesbezüglich keine Sorgen machen müssen: Soooo alt sehen AATT gar nicht aus - besonders nicht Stephen Burrows, der von allen Beteiligten noch am meisten Körpereinsatz zeigte. Was dann als erstes auffiel, war der Umstand, dass die Tracks des neuen Albums sich nahtlos in das Gefüge der alten Klassiker einreihte - etwa vom Schlage "Shantell" (in dem ja bekanntlich der Legende nach der Ursprung des Bandamens begründet liegt), "Shaletown", "Mermen Of The Lea", "From Horizon To Horizon", "Slow Pulse Boy" und sogar "A Room Lives In Lucy" - alles artig beklatscht von den kundigen Altfans. Das zweite, was ins Ohr sprang war, dass die beiden letzten Alben der Band - "Angelfish" und "Silver Soul" - weithin bekannt als die "Americana"-Scheiben des Quartetts - weitestgehend außen vor blieben. (Nun gut: Eine beeindruckende Version von "Brother Fear" durfte nicht fehlen). AATT sind wieder da angekommen, wo sie eigentlich auch immer hingehört haben: Im verregneten, nebelverhangenen England. "God Bless The Trees" hatte sich der neue AATT Drummer Paul Hill auf seine Bass-Drum gemalt: Da geht halt nix drüber. Die Trees sind so etwas wie die Grandseigneurs des melancholischen Düsterrocks. Obwohl: Sehr viel gerockt wird da nach wie vor nicht. Ein AATT Konzert muss man sich vorstellen wie eine große, fließende empathische Wellenbewegung mit vielen Aufs und Abs, aber ohne großartige Ausbrüche in die eine oder andere Richtung. Die Trees sind mit diesem Ansatz sehr viel näher dran an dem, wie etwa Bands wie die Tindersticks ihre Musik ausleben (obwohl das jetzt bitte kein direkter Vergleich sein möchte). Alles hat bei den Trees einen organischen Ursprung und alles lebt. Das gilt sowohl für Justin Jones eigenwilliges, Stakkato- UND Glissando-geprägtes Gitarrenspiel wie für Simon Huw Jones z.T. inbrünstige Gesangseinlagen - wie auch für den ganzen Rest. Die Rhythmus-Gruppe z.B. ist ein gutes Beispiel für die Art von Antirock, den die Band zelebriert. Burrows und Hill steigern sich dabei gegenseitig in einen Art Spielrausch, der aber nicht viel mit einem Backbeat zu tun hat (zum Beispiel dann, wenn Burrows mit seinem Bass-Synthesizer los legt). Statt dessen gibt es komplexe, ineinandergreifende Strukturen, die eine Art Federbett für den Rest bilden. Abgerundet wurde das Ganze durch die auralen Farbtupfer der Keyboarderin Emer Brown, die nach ihrer Babypause erstmalig seit sieben Jahren wieder mit dabei war - sowie einer eher unsinnigen Lightshow, die die Band von hinten illuminierte und das Publikum blendete. Das wollen wir aber nicht den Trees anlasten, sondern dem diesbezüglichen Konzept der Kantine. (Das hat sich also auch nach dem Umzug in die neue Location nicht geändert). Als Fazit darf noch festgehalten werden, dass die neuen Tracks wie "21 York Street" oder "In My House" zurecht zu den Höhepunkten der Show gehörten und dass die Trees weder ihren Esprit noch den Sinn für's Zusammenspiel verloren haben. Für eine Band, deren Mitglieder über den halben Erdball verteilt wohnen (Justin und Paul leben in London, Stephen in den USA und Simon in der Schweiz) ist dies durchaus beachtlich.
And Also The Trees
BACKSTAGE MIT: AND ALSO THE TREES

Die Songs des neuen Albums, "Further From The Truth", strahlen wieder jene altenglische Eleganz aus, die man auch z.B. von früheren AATT-Scheiben gewohnt war. Lag dies vielleicht an der Umgebung, in der die Scheibe entstand? "Wir haben die Scheibe in einer alten Schule aufgenommen, die in besseren Zeiten von Malvern, einer einst einflussreichen Stadt erbaut wurde", berichtet Justin Jones, der Gitarrist und musikalische Direktor der Trees, "George Bernhard Shaw ist auf dieser Schule gewesen. Es ist ein schönes, aber verfallendes Gebäude und es war genau richtig für uns. Es gab dort eine gute Balance von Grandezza und Nostalgia. In dem Raum, in dem wir aufnahmen, waren Zeichnungen an den Wänden, die 40 Jahre alt waren. Da gab es dann diese seltsame Stimmung, die man nur an Orten findet, die einst bewohnt waren, wo sich aber seit Jahren nur noch der Staub verändert." Nun kann man zwar nicht sagen, dass sich die Musik der neuen Scheibe muffig oder verfallen anhört, die seltsame Stimmung, die Justin schildert, kommt aber schon zum Vorschein. So, wie er das schildert, hört sich das fast an, als habe die Umgebung die Musik kontrolliert. Oder vielleicht die Musik die Musiker? "Das kann ich so gar nicht beantworten", zögert er, "ich vermute, dass die Musik die Kontrolle hat, und ich mir bloß einrede, dies beeinflussen zu können." Ist das der Grund, warum die Songs auf der neuen Scheibe - und auch der Live Vortrag - so organisch und lose strukturiert wirken? Es scheint ja zuweilen so, als sei alles bewusst zurückhaltend arrangiert worden. "Mir war schon bewusst, dass ich auf 'Silver Soul' mit der Gitarre ziemlich den Ton angegeben habe", räumt Justin ein, "und als mir klar wurde, dass die anderen mich als Control-Freak zu hassen begannen, war es gut, einen neuen Ansatz zu suchen. Die neue Scheibe ist sehr viel mehr das Werk von vier Leuten und dadurch entsteht ein Sound, den die Zuhörer hoffentlich als 'multi-facettiert' erkennen werden." Was hat es denn mit dem Gitarren-Ausrutscher bei "He Walked Through The Dew" auf sich? Es ehrt die Jungs ja, dass sie es wagen, so etwas zu veröffentlichen - aber warum tat man dies? "Ich bin froh, dass du dieses Element magst. Es wurde ja alles live eingespielt, aber das Gitarrengestotter gehörte zur Konzeption des Stückes. Obwohl es wie ein Fehler klingt, ist es keiner. Es gehört zum Stück. Er kommt immer an anderer Stelle. Man muss genau wissen, was man tut, um so schlecht sein zu können. Ich fügte es ein, weil es einfach wahr ist. Wie das richtige Leben: Wenn man aufgeregt ist, fällt man zuweilen über seine eigenen Worte in dem Bemühen diese herauszubringen. Das wollte ich damit ausdrücken." Was hat es wohl zu bedeuten, dass es beim Konzert in Köln dann ausgerechnet KEINEN Ausrutscher der o.a. Art gab? Hm. Ein wichtiger Teil des AATT-Konzeptes sind sicherlich die evokativen Texte, für die Justins Bruder und Sänger, Simon Huw Jones, verantwortlich zeichnet: "Die Musik kommt immer zuerst", erklärt Justin die Vorgehensweise, "sie bestimmt das Setting. Simon schließt sich dann für gewöhnlich für ein paar Wochen ein, hungert, macht sich krank und erkämpft sich dann schließlich die Worte, die er in ein schönes kleines ledergebundenes Buch niederschreibt. Manchmal kommen beim Vortrag aber auch ganz andere Worte heraus, als die die er niederschrieb - gerade so wie bei einem Besessenen. Wir schauen uns dann an und fragen uns: 'Nun, er ist wieder da, aber wer hat ihn eingeladen?'". Besessenheit scheint ein wichtiger Faktor um Bandleben zu sein, wie das Beispiel des neuen Drummers, Paul Hill zeigt (der den langjährigen Kameraden Nick Havas ersetzte). "Ich sehe Nick immer noch oft", erzählt Justin und macht damit klar, dass das keine Trennung im Bösen war, "er hat das Design auf dem neuen Album gemacht und es ist immer gut mit ihm zu arbeiten. Heutzutage arbeitet er für Playboy. Paul Hill war ein Glücksgriff für die Welt der Bäume. Er ist vielleicht einer der seltsameren Leute, denen du je begegnen wirst, aber er hat ein großartiges Gefühl für Musik. Manchmal, so scheint es, sind seine Drumtracks so etwas wie ein zweiter Erzählstrang oder die Interpretation dessen, was wir in einem Song ausdrücken wollen. Ein bisschen Keith Moon ist auch dabei - wie z.B. seine Eingebung, das Tambourine mit seinem Kopf zu spielen. Er arbeitete also an den Percussion-Parts und kam dann mit einer Platzwunde in den Kontrollraum. Was denn passiert sei, wollten wir wissen und er meinte: 'Oh, es klang einfach besser, wenn ich es mit dem Kopf spielte.'" Zufällig läuft besagter Paul durch's Bild: "Schau, da hat er immer noch eine Narbe", grinst Justin - obwohl davon wahrlich nichts zu sehen ist. Gerichtet an jemanden, der auf eine dermaßen lange Karriere zurückblickt, sei vielleicht noch die Frage erlaubt, was denn die bislang wichtigste Errungenschaft für die Band sei, und wo noch Wünsche offen bleiben? "Generell würde ich sagen, dass unsere größte Errungenschaft ist, musikalisch niemals stillgestanden zu haben. Es zwar ist einfach, immer wieder das selbe Album zu machen - aber nicht eben erfüllend. Ich fühle mich mit den Wendungen, die wir durchliefen recht glücklich. Es ist vielleicht gerade das, was unser eigenes Interesse wach gehalten hat. Außerdem haben wir es auf clevere Art vermieden, irgendetwas mit unserer Musik zu verdienen. Wir haben weiß Gott immer die falschen Entscheidungen in unserem Leben getroffen, aber wir hatten verdammt noch Mal Spaß dabei. Und was noch für Wünsche offen sind: Wenn ich mir den Luxus leisten könnte, und die Leute fände, würde ich gerne einmal mit einem kleinen Orchester arbeiten. Und wenn das nicht klappt, gefiele mir die Idee, ein Gitarrenalbum mit einem Akkordeon aufzunehmen."

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Surfempfehlung:
www.andalsothetrees.co.uk
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

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