NACHGEHAKT BEI: BENJAMIN FRANCIS LEFTWICH
GL.de: Deine letzte LP, "Gratitude", scheint sich ja - auf durchaus persönliche Weise - mehr oder minder auf deine Familie zu beziehen, ist dieser Eindruck richtig?
BFL: Also autobiographisch ist das Album schon - und es ist auch das introvertierteste und selbstbezogenste Album, das ich bisher gemacht habe. Es gibt weniger allgemeingültige Texte als zuvor - nicht, dass das ausschlaggebend oder gut oder besser für meine Songs wäre; aber es ist so. Und wenn du zu dem Begriff der Familie auch Freunde und alle Lieben in Klammern mit einschließt, dann würde ich dem auch zustimmen. Es geht um mich und Leute die mir sehr nahe stehen und die Erlebnisse, die ich mit denen teilte.
GL.de: Das neue Album ist musikalisch ziemlich anders als die vorangegangenen beiden - es gibt z.B. weniger Folksong-Elemente. Wie kam das denn?
BFL: Ja, das stimmt. Das kommt daher, dass ich ehrlicher und weniger ängstlich war als zuvor. Ich wollte mich nicht von der Idee leiten lassen, dass ich die Musik machen wollte, von der ich dachte, dass ich damit zuvor schon erfolgreich gewesen bin. Das war eine ganz natürliche und unbewusste Sache für mich, denn ich habe mich von den Sachen inspirieren lassen, die ich selbst gerne mag - seien es die Folk-Elemente, die synthetischen Sounds oder die Produktion.
GL.de: Woher kam das?
BFL: Woher die Aufrichtigkeit kam, meinst du? Dass ich mich als der, der ich bin, akzeptiert habe - inklusive meiner Schwächen. Und ich habe es dran gegeben, Erwartungshaltungen zu erfüllen und mich selbst in eine Schublade zu stecken, von der ich dachte, dass sie erfolgversprechend wäre.
GL.de: Suchst du denn nach Herausforderungen - speziell, da du in einem eher konventionellen Umfeld arbeitest?
BFL: Das ist eine gute Frage. Von meinen Lieblings-Songwriter - z.B. Tallest Man On Earth oder Fionn Regan - würde ich gar nicht sagen, dass diese sich klanglich besonders weiterentwickelt haben. Ich will sowas auch nicht. Ich denke aber, meine Musik ist eher Pop als Singer Songwriter oder Folk. Wenn ich mich herausfordern möchte, dann würde ich sagen, dass es mir darum geht, mich nicht zu wiederholen und nicht immer dieselbe Geschichte zu erzählen - oder zumindest doch aus einer anderen Perspektive. Um Sounds oder Produktionswerte geht es mir gar nicht. Auch nicht um Stile oder Genres - ich mag alles, wenn es die richtige Energie hat. Was mir auch immer wichtig ist, ist den Zeitpunkt nicht zu verpassen, wenn ich mit dem Touren aufhören sollte.
GL.de: Wie jetzt - hast du etwa einen Plan B?
BFL: Im Leben? Ja, ich habe einen Plan B - aber der ist Teil meines Plan A -, dass ich nämlich weiter Songs schreiben und Musik machen möchte - in welcher Funktion auch immer. Was ich aber damit meine, dass ich aufhören sollte, wenn ich fühle, dass ich nichts Relevantes mehr zu sagen habe, denn ich möchte mich nicht selbst trocken melken.
GL.de: Wärest du denn in der Lage zu sagen, was für dich gute Musik auszeichnet?
BFL: Das ist auch eine gute Frage, über die ich kurz mal nachdenken muss… Ich denke, dass es mir um die Intensität und die Inbrunst des Vortrages geht. Und wenn es um eine Performance mit einem Instrument geht, dann meine ich auch das. Die Pop-Sensibilität ist mir auch wichtig und eine gute Melodie. Das ist natürlich subjektiv und abhängig von der Stimmung - aber ich liebe Melodien.
GL.de: Was ist denn für dich als Musiker am Wichtigsten?
BFL: Oh - da zitiere ich gerne meinen Manager, der immer sagt: Es gibt zwei Arten von Musikern - die, die Musik machen möchten und die, die Musik machen müssen - und dazu gehöre ich auch. Was nicht heißen soll, dass Leute, die Musik machen wollen, nicht sehr erfolgreich sein könnten - und das ist auch okay so - aber ich habe wirklich das Gefühl, dass ich das tun muss. Wenn ich das nicht mehr fühle, dann wäre es an der Zeit, aufzuhören. Was mir auch immer wichtig ist, ist der Gedanke, ob ich alles, was ich sagen wollte, auch gesagt habe - wenn mir z.B. etwas passieren sollte. Dieses Gefühl versuche ich immer beizubehalten, wenn ich neue Songs schreibe, denn das verleiht der Sache eine gewisse Dringlichkeit. Und am Ende sollte es auch noch gut klingen, was ich singe.
GL.de: Letzte Frage: Gibt es auf der neuen Scheibe vielleicht auch eine spirituelle Note?
BFL: Ja - in der Tat. Als ich mich nach der Tour zum letzten Album in einem Sumpf der Sucht und Selbstzerstörung verloren hatte, war eines der Rezepte mich daraus zu befreien, nach einer Inspiration durch eine höhere Macht - gleich welcher Art - zu suchen. Nicht eine religiöse höhere Macht, sondern eine Art von kreativer Energie. Meine Art, wieder clean und nüchtern zu werden, war zu beten. Daher kommen die Worte und Referenzen und die spirituelle Note, die dir auch aufgefallen ist. Es ging für mich einfach darum, wieder nüchtern zu werden.