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There's A Ghost In My House

Blood Red Shoes
Ciel

Köln, MTC
26.09.2023

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Blood Red Shoes
Auf ihrer letzten Tour im Juni 2022 hatten die Blood Red Shows mit dem Programm ihrer damals neuen LP "Ghosts On Tape" im Kölner Luxor Station gemacht. Das ist ein vergleichsweise überschaubarer Club, in dem mit guten Willen 450 Besucher Platz finden. Damals wurde als Grund für dieses überraschende "Downsizing" noch die Corona-Querelen angegeben, denn es handelte sich dabei um ein im Rahmen der Pandemie abgesagtes Wiederholungskonzert. Freilich: Als Band, die ihre Existenzberechtigung nicht zuletzt aus ihren Live-Shows ableitet, haben nicht nur die Fans, sondern auch Laura-Mary Carter und Steven Ansell Spaß am direkten Kontakt mit dem Publikum und spielen immer wieder mal gerne in kleineren Rock-Schuppen. In den USA - wo die BRS ja längst nicht so populär sind, wie bei uns - ist das sogar Usus und im Rahmen einer gerade abgeschlossenen US-Tour hatten die Shoes dermaßen Gefallen an diesem Konzept gefunden, dass die ihre aktuelle Tour von vorneherein in "kleinen Räumen mit großen Vibes" buchten, wie Steven Ansell sagt, um die Punk-Roots des Duos noch ein Mal aufleben zu lassen. In Köln stand dafür das MTC zur Verfügung - ein Kellerclub. Nominell passen bis zu 300 Besucher in den schlauchartigen Raum, jedoch können nur diejenigen, die einen Platz direkt vor der beinahe ebenerdigen Bühne ergattern, einen Blick auf das Geschehen dortselbst erhaschen.
Als Unterstützung hatten BRS die Band Ciel eingeladen. Die Band aus Brighton sind Nachbarn von Laura-Mary Carter und ihre aktuelle EP "Rather Be Alone" wurde von Steven Ansell produziert. Man blieb da sozusagen in der Familie. Frontfrau Michelle Hindricks (NL), Gitarrist Jorge Bela Jimenez (ESP) und Drummer Kieran Mansfield (GB) verschwendeten keine Zeit mit Sprüchen oder Promotion-Ansagen, sondern arbeiteten sich durch eine Setlist, die vom Umfang her mancher Headliner-Show Ehre gemacht hätten. Das ist recht bemerkenswert, denn einen Longplayer hat das Trio bislang noch gar nicht beisammen. Als Setting haben sich Ciel ihre Version des Brighton Rock auf die Fahnen geschrieben. Das meint in diesem Fall grungelastige Power-Pop und Punk-Hits galore. Ohne wesentliche Finesse aber mit viel Begeisterung und betont spielfreudig hauten Ciel einen potentiellen Genre-Hit nach dem anderen raus. Songs wie "So Scared", "Somebody" oder "Fine Anything" gefallen dabei nicht nur durch den unerbittlichen Drive (wobei von Vorteil ist, dass Michelle als singende Bassistin diesen vorgibt) sondern auch durch eingängige Mitsing-Refrains; nur dass diese nicht im Pop-, sondern im Dampfwalzenmodus dargeboten werden - in der Hinsicht stehen Ciel ihren Nachbarn aus Brighton also nicht nach. Da sie mehr als zehn Tracks auf der Liste hatten, kamen Ciel mit den veranschlagten 30 Minuten für den Support Slot nicht ganz hin. Ihre Funktion als Anheizer für die BRS erfüllte das Trio aber mühelos. Gegen Ende des Sets war das Auditorium jedenfalls bestens auf Betriebstemperatur gebracht.

Für diese Tour hatten die Blood Red Shoes das Geister-Thema der letzten Scheibe nochmals aufgegriffen, da noch keine neue LP vor lag. Stattdessen - so erklärte Steven Ansell in einer der wenigen Ansagen, für die es Platz gab - hatten sich BRS die Aufgabe gestellt, Stücke von allen LPs und der "Ø"-EP zu spielen. Neues Material gab es also keines, denn bislang hatten BRS einfach noch keine Zeit gefunden, eine neue Songsammlung zu schreiben. Stattdessen hatten sie befreundete Musiker gebeten, Songs des "Ghosts"-Albums zu remixen, die dann unter dem Titel "The Stone Tapes" rechtzeitig zur Tour als Digital-Projekt veröffentlicht wurden.

Dabei hatten sich BRS selbst auch an einem Remix versucht und dafür den Song "Sucker" vom "Ghosts"-Album nochmal neu zusammengesetzt und unter dem Titel "Long Lost Ghost" neu veröffentlicht. Mit etwas gutem Willen ließ sich dieses Treatment dann auch erahnen, als "Sucker" im Mittelteil der Show gespielt wurde. Mit solchen Feinheiten wollen wir uns aber nicht aufhalten. Nachdem BRS mit "Elijah", "Cold" und "Light It Up" bereits einen musikhistorischen Rundumschlag in eigener Sache initiiert hatten, waren die Fans bereits beim nachfolgenden "It's Getting Boring By The Sea" bereit zum Moshen. Und hörten damit dann auch nicht mehr auf, bis die Show dann mit zwei Zugaben - "On The Hook" und "Colours Fade" zu Ende ging. "Wer kennt denn 'On The Hook'?", fragte Steven als der Song anstand - denn den spielen BRS ansonsten nur selten, "da haben wir versucht einen ganzen Song auf einem einzigen Akkord aufzubauen." Erleuchtende Erklärungen wie diese hätte man sich als Fan eigentlich öfter gewünscht, denn hinter einigen der BRS-Songs stecken ja durchaus interessante Geschichten.

Musikalisch machten BRS das Beste aus Stevens Versprechen, die Anfangszeiten und Punk-Roots des Brightoner Duos zu ehren. Grundsätzlich tun sie das ja bei fast jeder Show - aber selten in einem so umfassenden Rahmen, denn tatsächlich wurde das gesamte BRS-Repertoire paritätisch bedacht. Highlights im klassischen Sinne waren da eigentlich gar nicht auszumachen, weil BRS die Sache mit der gewohnten Aufgabenteilung angingen: Steven Ansell drohten bei jedem einzelnen Song die Adern zu platzen, weil er die Sache bis an die Grenzen des Machbaren vorantrieb. Nur die Angewohnheit, auf dem Drumkit zu balancieren, musste aufgrund der niedrigen Deckenhöhe des Clubs auf das Notwendigste reduziert werden. Laura-Mary Carter präsentierte ihre Gitarrenlicks wie gewohnt mit obercooler Nonchalance, hatte aber aufgrund der Anordnung der PA größere Schwierigkeiten, stimmlich durchzudringen. Im hinteren Teil des Clubs - also dort, wo man gar nicht sehen konnte, wer da auf der Bühne stand - klang die Sache jedenfalls deutlich besser als vorne. Übrigens: Auch den vorne am Bühnenrand stehenden Fans war es gar nicht ohne Weiteres möglich, BRS bei ihrem Tun zu beobachten, denn es gab ein aggressiv auf Vernebelung, Backlight, im Takt der Musik synchronisierten Stroboskop-Attacken und ins Nichts zeigende Monochrom-Spots ausgelegtes "Nicht-Beleuchtungs-Design". Zugegebenermaßen war bei dem Support-Act von Ciel noch weniger zu sehen gewesen - aber nach visuellen Gesichtspunkten hatten BRS ihre Show nun wirklich nicht konzipiert.

Eine chronologische Anordnung der Songs war zwar nicht zu erkennen, aber die Platzierung des schmirgelnden "Morbid Fascination" (bei dem auch die ansonsten selten eingesetzten, von Steven getriggerten Electronics zum Einsatz kamen) in einer epischen Live-Version setzte einen würdigenden Abschluss der Show. Aufgrund dessen, dass BRS das Experiment, mit zusätzlichen Musikern zu spielen - wie z.B. auf der letzten Tour hierzulande und in den USA - erst mal wieder auf Eis gelegt hatten, gab es den besten Rock-Act der Jetztzeit wieder ein Mal in seiner pursten Form zu erleben - und das auch noch so intensiv und nah, wie das eigentlich gar nicht mehr zu erwarten gewesen wäre.
Laura-Mary Carter
NACHGEHAKT BEI: BLOOD RED SHOES

GL.de: Ihr habt ja gerade ein Projekt mit Remixes von Songs des Albums "Ghosts On Tape" unter dem Namen "The Stone Tapes" veröffentlicht, bei dem ihr befreundete Musiker gebeten habt, das Material nach Belieben zu bearbeiten. Kannst du uns erzählen, wie es zu diesem Projekt gekommen ist und warum ihr dieses Format gewählt habt - und nicht etwa um Coverversionen gebeten habt?

Laura-Mary Carter: Ach, das war eigentlich nichts Besonderes. Wir wollten einfach mal sehen, was andere aus unseren Songs machen würden. Natürlich hätten wir auch nach Coverversionen fragen können - aber es ist gar nicht so leicht, andere Musiker dazu zu bringen, Coverversionen einzuspielen, weil die ja doch auch immer sehr beschäftigt und auf Tour unterwegs sind. Da ist es mit den heute verfügbaren elektronischen Mitteln einfacher, Remixe zu machen - denn das geht auch von unterwegs aus.

GL.de: Gab es denn Aspekte, die die befreundeten Musikern in den Songs fanden, auf die die Blood Red Shoes nicht gekommen sind?

Laura-Mary: Diese Art von elektronischer Tanzmusik ist nicht die Musik, die ich mir selber anhöre; aber ich mag die Vorstellung, dass die anderen Musiker machten, was sie wollten - und das war die Idee hinter dem Projekt, denn es ist interessant, die Visionen der anderen auf diese Weise zu entdecken. Ich möchte dem auch gar keine zu große Bedeutung zumessen. Es war ein Projekt, das viel Spaß gemacht hat. Wir haben den Musikern freie Bahn gelassen bei dem, was sie tun. Wenn man so lange Musik macht, wie wir, dann kann man solche Sachen auch einfach mal laufen lassen und schauen, was passiert. Wir haben uns ja auch selbst an dem Track "Sucker" versucht und diesen als "Long Lost Ghost" neu zusammengesetzt - und ich muss sagen, dass mir diese Version jetzt sogar besser gefällt, als die ursprüngliche.

GLde: Ein Remix ist ja auch immer eine subjektive Interpretation eines Songs. Ist es eigentlich für euch so, dass ihr eure eigenen Songs immer wieder neu interpretiert?

Laura-Mary: Nun, auf der aktuellen Tour spielen wir ja auch viele Songs aus unseren Anfangstagen - und die haben wir natürlich schon oft gespielt. Und was die Bedeutung betrifft: Wir haben diese Songs ja vor Jahren geschrieben und natürlich denkt man darüber nach, welche Relevanz die Songs zu deinem jetzigen Leben haben, wenn du sie heute singst. Ich höre mir aber unsere alten Aufnahmen gar nicht mehr an. Natürlich genieße ich es, mir die Sachen anzuhören, wenn sie gerade aufgenommen sind, um zu den Songs zu finden - aber wenn sie veröffentlicht sind, dann lasse ich das. Wir spielen die Sachen ja dann dauernd und dann entdecke ich ggf. Schwächen in den Songs, die ich mir dann auf den Aufnahmen nicht mehr anhören möchte. Unser erstes Album haben wir ja geschrieben, als wir noch sehr jung waren. Das Album ist also eine Momentaufnahme aus dieser Zeit - und die willst du nicht dauernd wieder aufgreifen.

GL.de: Logischerweise kommen ja bei den Remixes sehr viele elektronische Elemente zum Einsatz. Auch bei euren Studio-Projekten verwendet ihr ja schon seit einiger Zeit Electronics. Wird das auch in Zukunft so sein?

Laura-Mary: Ich weiß das eigentlich gar nicht, denn wir mögen es nicht, Pläne zu machen. Wir reden eigentlich überhaupt nicht über das, was wir als Nächstes machen wollen, bis es so weit ist - und dann machen wir das, was sich richtig anfühlt. Und die Sache mit den Electronics fühlte sich zu der Zeit eben richtig an. Ich habe also keine Idee.

GL.de: Gilt das auch für die Idee, mit zusätzlichen Musikern live zu spielen?

Laura-Mary: Wie auf der letzten Tour? Ja, wir haben das mal ausprobiert. Das war auch nicht großartig geplant - wir haben das einfach mal mit unseren Freunden ausprobiert und es hat auch Spaß gemacht und nun machen wir es eben wieder zu zweit. Ich kann dir also keine Antwort auf die Frage geben, ob wir so etwas noch mal machen werden.

GL.de: Was ist denn die größte Herausforderung dabei, wenn man so ohne Plan an solche Projekte herangeht?

Laura-Mary: Oh, die größte Herausforderung ist zuweilen die, sich selbst zu motivieren. Was mich persönlich betrifft, motiviert es mich, wenn ich mir beweise, dass ich falsch liege. Ich habe immer einen kleinen Kampfgeist in mir - und immer, wenn etwas schiefgeht in meinem Leben, motiviert mich der, weiterzumachen. Man kann ja nicht die ganze Zeit glücklich sein und je älter man wird, desto komplizierter wird das Leben und ich denke, dass das der Anstoß ist, kreativ zu sein. Und dann ist es ja so, dass es um die Musik geht und Musik ist das, was mir auf der Welt wirklich am meisten am Herzen liegt. Selbst wenn ich damit aufhören wollte, Musik zu machen, ginge das gar nicht, denn das ist für mich so etwas wie eine Art Therapie.

GL.de: Du hast dafür ja auch dein Solo-Projekt. Wird das denn einen Einfluss auf eure zukünftigen BRS-Projekte haben?

Laura-Mary: Ich möchte das eigentlich getrennt halten, weil meine Solo-Songs doch einen ganz anderen Sound haben. Aber ich arbeite weiter an dem Projekt und werde im nächsten Jahr einen Longplayer machen. Aber es sollte schon so unterschiedlich wie möglich zu dem sein, was ich mit den BRS mache. Offensichtlich bin ich natürlich dieselbe Person und habe auch dieselbe Stimme - das soll es dann aber auch gewesen sein. Denn auf den Solo-Sachen geht es doch sehr viel mehr um meine interne Welt.

GL.de: Während es den Blood Red Shoes eher darum geht, Geister zu finden? Das Remix-Projekt trägt ja den Titel "The Stone Tapes" nach einem Horrorfilm, in dem die Stimmen der Verstorbenen in den Steinen eines Hauses eingefangen sind. Ist das Thema "Geister" also immer noch nicht durch?

Laura-Mary: Also wie wir auf das Thema gekommen sind, kann ich dir gar nicht mehr richtig sagen. Ich denke, es wird schon eine Bedeutung gehabt haben. Für gewöhnlich ist es so, dass die Bedeutung sich offenbart, wenn wir einen Namen für etwas gefunden haben. Wir haben auf jeden Fall viele Horrorfilme zu der Zeit gesehen, als wir das letzte Album gemacht haben. Manchmal kommen solche Sachen auch auf einen zu: Das Gefühl, der Name, die Stimmung - ich weiß auch nicht woher das kommt, aber das Thema eines Albums offenbart sich uns auf diese Weise schon seit der ersten Scheibe.

GL.de: Und das waren dann dieses Mal Geister, die ausgetrieben werden wollten?

Laura-Mary: Es ging uns nicht unbedingt um das Exorzieren von Geistern, sondern eher darum Sounds und Stimmungen einzufangen - wie mit Tonbändern zu versuchen, die Stimmen von Verstorbenen aufzuzeichnen. Interessanterweise habe ich aber gerade mit einem echten Geist zu tun. Der ist im Haus meines Onkels und wir versuchen gerade, herauszufinden, wie wir ihn loswerden können.

GL.de: Und der ist in den Steinen des Hauses zu finden?

Laura-Mary: Nun - der Geist klemmt immer Stühle unter den Türgriff, so dass man nicht aus dem Raum kommt. Das ist schon ziemlich verrückt. Und es handelt sich zudem um das Haus, in dem ich geboren wurde. Es ist also schon heftig.

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Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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