Franzosen haben es ja bekanntlich nicht so mit der Rockmusik. Wenn also ein französischer Act in Sachen Rockmusik tätig ist, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder er (oder wie hier sie) umgibt sich mit angelsächsischen Musikern oder aber man findet einen Weg, die typisch frankophilen Elemente mit elektrischen Gitarren zu verstärken. Melissmell entschied sich für letzteres. Die Frau aus der Provinz (die sich auf Anregung ihrer Großmutter nach der "Frauenpflanze" Melisse benannte) produzierte ihr Debüt-Album in Strasbourg - eben mit einer Riege französischer Musikanten. Und somit gibt es hier eine gelungene Melange aus typisch frankophilen Harmonien und Melodien, die jedoch mit Schmackes und Effet aufgebohrt werden und sich zuweilen in hymnische Höhen schrauben bzw. rocken.

Lyrisch befindet sich Melissmell in der Reihe der großen französischen Poeten. Ihr Thema ist nicht die lamentöse Selbstbeweihräucherung, sondern die Krise, der Klassenkampf, die Revolution, die Freiheit. Sie scheut nicht vor großen Worten und universellen Themen zurück - landet aber nie bei der Parodie, weil sie ihre Chansons mit einer Inbrunst vorträgt, die jeglichen Zweifel beiseite wischt. Damit befindet sie sich auf einer Linie mit Piaf oder Brel. Schade nur, dass das bei der Produktion nicht entsprechend betont wurde: Anstatt ihre Stimme ein wenig zu komprimieren und die Gitarren in den Vordergrund zu mischen, suchte man nach einem ausgeglichenen, harmonischen Klangbild, bei dem auch den anderen Instrumenten, insbesondere den Streichern, Raum gegeben wurde. Das nimmt der Sache leider ein wenig der möglichen Schärfe und raubt einen Teil der Wirkung. Es ist aber sicherlich unablässig, Melissmell ein Mal live zu erleben, um die Sache abschließend beurteilen zu können.