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21.10.2016
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Tanya Tagaq - Retribution

Tanya Tagaq - Retribution
Six Shooter/Alive
Format: CD

Also die Sache mit dem Kopfgesang ist schon irgendwie ein zweischneidiges Schwert. Zum einen ist das natürlich das Markenzeichen der Inuit-Avantgardistin Tanya Tagaq, zum anderen aber verkommt es zumindest dann anwendungstechnisch eher zum Gimmick, wenn es als bloßes Mittel zur Provokation missbraucht wird, wie es auf dieser Scheibe des Öfteren der Fall zu sein scheint. Denn Tanya macht sich weitestgehend gar nicht mehr die Mühe, etwas in Richtung konventioneller Gesangsstrukturen zu kreieren, sondern setzt die Stimme zur Erzeugung von - dezidiert animalischen - Geräuschkulissen ein, die sich unter dem Strich anhören wie Hecheln, Stöhnen, Husten oder Seufzen.

Das hat freilich einen Hintergrund: Das Thema des politisch motivierten Statements ist nämlich die Vergewaltigung als solche (im direkten wie im übertragenen Sinne) - was dann auch das Cover des Nirvana Tracks "Rape Me" erklärt. Dass so etwas nicht freundlich oder verbindlich sein kann, liegt auf der Hand - und dennoch überrascht die Aggressivität, mit der Tanya hier zu Sache geht; einfach deswegen, weil der musikalische Aspekt gegenüber der zu vermittelten konzeptionellen Aussage vollkommen in den Hintergrund tritt. Dass sie auch anders kann, zeigt sie dann ausgerechnet mit der Nirvana-Nummer, bei der der konventionelle Vortrag die Wirkung des voran ausgesagten eher sogar noch verstärkt. Einige wenige lyrische Passagen und Rap-Anleihen wirken dagegen fast schon wie Verschnaufpausen, bevor es mit dem Sound-Overkill weitergeht. Nun erwartet von einer Künstlerin wie Tanya Tagaq natürlich auch niemand eine angenehm temperierte Pop-Scheibe - "Retribution" überrascht dann aber doch schon durch seine Radikalität.



-Ullrich Maurer-


 

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