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19.05.2017
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Joan Shelley - Joan Shelley

Joan Shelley - Joan Shelley
No Quarter/Cargo
Format: LP

Bezaubernde Melodien, anrührende Texte, eine glockenhelle Stimme und eine Akustikgitarre - mehr braucht Joan Shelley nicht, um aus der grauen Masse der von der Liebe zum Folk geküssten Singer/Songwriterinnen herauszustechen. Wie schon ihr fantastisches letztes Album, "Over And Even", ist auch das selbstbetitelte vierte Album der Musikerin aus Kentucky eine Lehrstunde in leisem Minimalismus, bei dem sich die Rolle von Produzent Jeff Tweedy bisweilen darauf beschränkte, die Songs zu beschützen und sicherzustellen, dass Shelley und ihr kongenialer Partner an der Gitarre, Nathan Salsburg, nicht zu weit gingen. Herrlich elegante Fingerpicking-Songs wie "We'd Be Home", "Wild Indifference" oder "Even Though" klingen deshalb so, als hätten sie auch schon vor 40, 50 Jahren aufgenommen worden sein können. Bei anderen Liedern steuert Tweedys Sohn Spencer dezentes Streich-Schlagzeug bei, während Multiinstrumentalist James Elkington (einst bei The Zincs und der Urbesetzung von Sophia aktiv) den Sound mit Piano, Orgel und vereinzelt auch Dobro akzentuiert, ohne dabei je Shelleys federleichte Kompositionen zwischen Melancholie und Verträumtheit zu erdrücken.

Denn statt den Fehler zu begehen, nach dem Achtungserfolg mit "Over And Even" stärker in Richtung Mainstream zu schielen und ihren Sound stärker in die Jetztzeit zu bugsieren, fand Shelley für die neue Platte Inspiration in der Vergangenheit. Begeistert von einem kleinen Kniff des alten Barden Michael Hurley, der einst auf "Long Journey" die Geige seiner Gesangsmelodie hatte folgen lassen, versuchte sie, diese Herangehensweise auf die Gitarre und ihre eigenen Songs zu übertragen und Gesang und Instrumente stärker zu verflechten. Zudem wagte sie sich an neue Tunings heran, um sich auch damit selbst herauszufordern.

Doch auch wenn das in gerade einmal fünf Tagen aufgenommene Album deshalb in den Ohren mancher Hörer punktuell spröde und experimentell anmuten mag - letztlich ist es genau die Balance aus Können und Eigensinn, durch die sich "Joan Shelley" wohltuend von vielen ähnlich gepolten Veröffentlichungen absetzt. Mit einem Wort: Bemerkenswert!



-Carsten Wohlfeld-


 

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