Es tut ja fast weh, das aufzuschreiben, aber: Das ist die am besten klingende Scheibe, die die Scherben jemals rausgebracht haben. Natürlich ist eine Scherben-Scheibe ohne Rio Reiser (obwohl noch zwei seiner Texte verwendet werden) nicht das gleiche wie damals. Insofern: Neues Glas aus alten Scherben. Michael Kiessling als neuer Sänger macht seine Sache indes sehr gut, weil er gar nicht erst versucht, Rio zu emulieren - es ihm aber trotzdem hin und wieder bemerkenswert unpeinlich gelingt. Musikalisch ist die Scheibe allerdings ein ziemlicher Bastard. Wer die Scherben mal live gesehen hatte, der weiß, daß diese in guten Momenten die Stones jederzeit an die Wand spielen konnten. DAS klingt nun allerdings überhaupt nicht nach den Stones, sondern - in der Bemühung zeitgemäß rüberzukommen - seltsam 80s mäßig, ja New-Wavig. Man kann also sagen: Das Experiment verkehrt sich ins Gegenteil. Denn: In diesem Kontext wirken die durchaus ernst gemeinten Texte, die sich immer noch mit den alten Themen beschäftigen, dies allerdings ohne Not durch Metaphern verkleistern, eher unfreiwillig komisch, ja beinahe schlagermäßig, zumindest aber ein bißerl naiv. Dabei hat die Scheibe durchaus ihre Momente, wo alles so zusammenpaßt, wie es sein muß: Zum Beispiel beim Opener "Schritt für Schritt ins Paradies", wo alleine die schiere Energie und Power überzeugt. Sind wir mal auf die anstehenden Konzerte gespannt und hoffen, daß dort weniger "modischer" Schnickschnack in die Songs einfließt, sondern vielleicht sogar wieder ein bißchen Müsli.