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22.09.2003
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Joe Henry - Tiny Voices

Joe Henry - Tiny Voices
Anti/SPV
Format: CD

Joe Henry ist ja wohl derjenige der klassischen Singer / Songwriter, der sich - beginnend mit "Trampoline" - am elegantesten und auch am konsequentesten vom Image des am Lagerfeuer singenden Barden gelöst hat. Vielleicht liegt das daran, dass er auch und immer mehr ein Produzent ist? In Joe Henrys Garage gaben sich die Kollegen die Klinke in die Hand ("Nicht dass er ein Auto darin hat", erzählte uns Kristin Hersh, "aber eine Garage ist es schon.") und sein Meisterstück lieferte der kleine große Meister im letzten Jahr mit der Solomon Burke Scheibe "Don't Give Up On Me" ab, die er einfühlsam und kongenial zum vokalen Output der Soul-Legende umsetzte. Schon auf seinem letzten Album, dem bei uns vollkommen unbeachteten aber dennoch grandiosen "Scar", fand Henry eine Nische, die absolut geeignet schien für seine immer abstrakter werdenden und andererseits immer besser zu ihm passenden Song-Konstruktionen: Den mondänen Jazz-Sound, den Henry durch seine höchst effektive Studio-Höllenmschinerie jagte (damals übrigens mit Ornette Coleman). In der Info zur neuen Scheibe, "Tiny Voices" spricht Joe davon, dass diese wie ein "liebevoll zubereitetes Hühnchen" sei und dass er an die Dramaturgie eines Films gedacht habe, als er die Songs schrieb. Treffender kann man dieses Werk nicht beschreiben. Henrys Musik ist nämlich zweifelsohne von beinahe fühlbarer visueller Präsenz. Das meint, dass man stets immer auch passende Bilder im Kopf hat, wenn man seine Songs hört - meist von Zigarettenrauch durchzogene, diffuse Barszenen. Und liebevoll - aber ohne Rücksicht auf etwaige Moden oder Trends - zubereitet ist "Voices" auch. Das fängt bei den stilvollen Bläsern an führt über die fast perkussiven Rhythmusgitarren und das sachte gesprenkelte Pianospiel und hört bei der subtilen Klarinette, die noch obendraufgesetzt wurde noch lange nicht auf. Sicherlich spielt Henry hierbei - wie ein Pulp-Autor - mit den Erwartungshaltungen des Hörers und den sich anbietenden Klischees. Er ist indes ein Meister darin und es würde ihm niemand übel nehmen. Das Album wurde ähnlich wie "Don't Give Up On Me" ohne Proben live eingespielt und das hört man auch heraus. Das ist ein Luxus, den man sich nur dann erlauben kann, wenn man - wie Joe Henry - davon überzeugt ist, dass die Inspiration es schon richten wird. Insofern ist dies so ziemlich die natürlichste Scheibe, die man dieses Jahr von einem Grammy-Gewinner zu hören bekommen wird. Und auch eine der besten.


-Ullrich Maurer-


 

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