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02.08.2004
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Tin Hat Trio - Book Of Silk

Tin Hat Trio - Book Of Silk
Rykodisc/Rough Trade
Format: CD

Dieses ist mittlerweile bereits das vierte Album des akustischen Instrumentaltrios aus San Francisco, das sich damit als eindrucksvoll beständige Institution bestätigt. Kaum jemand versteht es, Avantgarde, Jazz, Folk, Klassik und Folklore dermaßen lebendig und aufregend miteinander zu verknüpfen, wie das Tin Hat Trio machen. Das "Book Of Silk" hat nix mit der Seidenstraße zu tun, sondern mit einem antiken chinesischen Atlas über Kometen und deren mögliche schicksalhafte Bedeutung. Musikalisch schlug sich dieses Thema in einer deutlich melancholischen Note nieder. Auf der neuen Scheibe wird das eh bereits reichhaltige Repertoire, über das die drei Protagonisten verfügen, noch einmal in alle möglichen Richtungen ausgedehnt. Nicht nur, das wiederum alle möglichen Instrumente in eigenartigen, aber immer schlüssigen Kombinationen miteinander verquickt werden, auch die Gastmusiker - Harfinistin Zeena Parkins und Tuba-Spieler Bryan Smith werden enger in das Treiben mit einbezogen, so dass sich fast der Eindruck eines extravaganten Kammerorchesters einstellt. Auf jeden Fall sind das aber nicht nebenher spielende Solisten, sondern eine Band. Und das, obwohl die Improvisation beim Tin Hat Trio stets eine große Rolle spielt - Hut ab! Überraschten die Tin Hats bislang auf jeder Scheibe mit einem Gesangsstück, das jeweils von einem ungewöhnlichen Gastsänger (Willie Nelson, Tom Waits) vorgetragen wurde, so ist es dieses Mal Carla Kihlstedt, die Violinistin des Trios, die als kompetente und zu Herzen gehende Vokalistin debütiert. Kein Wunder: Das betreffende Stück, "The Longest Night", geht deswegen nahe, weil es unfreiwillig zur Eulogie auf Marc Ortons kürzlich verstorbene Frau, Lauren, geriet, die nicht duldete, dass das Stück zu ihren Lebzeiten im Hause gespielt werden durfte, weil es "viel zu traurig" sei. Solcherlei Hintergründe machen die Musik des Tin Hat Trios noch emotionaler, als sie eh schon ist. Hier hat man tatsächlich mal eine Instrumental-Combo, die den reinen Konzeptgedanken sprengt. Nicht mal ansatzweise gibt es hier "Soundtracks zu ungedrehten Filmen", sondern vollständige, ausformulierte Songs. Sehr viel effektiver kann man auf diesem Sektor nicht arbeiten. Und das außerhalb jedweder Genre-Schubladen. "Book Of Silk" ist schlicht ein kleines Meisterwerk.


-Ullrich Maurer-


 

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