Henri Salvador ist ein Charmeur der alten Schule. Alle, die sich für - sagen wir mal - Frank Sinatra nicht interessieren, brauchen ab hier auch gar nicht mehr weiterzulesen. Denn das, was der französische Altmeister des klassischen Chansons hier leistet, ist eine opulente Live-Referenz an die gute alte Zeit. Mit einer mondänen Jazz-Big-Band und obendrein noch einem schwelgerischen Orchester im Rücken erinnert sich Salvador an die guten alten Zeiten - die in diesem Falle schon sehr, sehr lange zurückliegen. So erinnert er sich in einem seiner zahlreichen Wortbeiträge an die ersten Taxifahrerinnen in Paris oder längst verflossene Jugendlieben. Das pikante an der Sache: Ohne die tätige Mithilfe blutjunger Nachgeborener (Benjamin Biolay und Keren Ann Zeidel) wäre ihm dieser zweite Frühling gar nicht vergönnt gewesen. Denn hätten ihm die oben genannten nicht das Hit-Album "Chambre Avec Vue" auf den Leib geschneidert, das seiner Karriere einen gehörigen Adrenalinstoß versetzte, dann wäre er jetzt wahrscheinlich bereits weg vom Fenster. Musikalisch gibt es großes Chanson mit einer gehörigen Prise Jazz und Swing, ein wenig Bossa Nova und dem gelegentlichen Ausflug ins Kabarett. Nun kann man sich ja fragen, welchen Wert eine solche Scheibe für die Hier und Jetzt-Zeit haben mag. Vielleicht keinen direkten. Auf jeden Fall dient sie aber durchaus dem Verständnis der neueren französischen Vague, die ja auch erfolgreich durch unsere Wohnzimmer schwappt (etwa so, wie alte Blues Scheiben für das Verständnis der Rock-Musik dienen können).