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12.05.2006
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Scott Walker - The Drift

Scott Walker - The Drift
4AD/Beggars Group/Indigo
Format: CD

Wenn Scott Walker alle zehn Jahre aus seinem Elfenbeinturm krabbelt und die Welt mit einem neuen Werk beglückt, dann darf man alles Mögliche erwarten - nur nichts, was es schon mal in dieser Form gegeben hat. Zu höchst kryptischen Texten zwischen Dadaismus und Comic-Sprechblasen-Ästhetik erschuf der ehemalige Sunnyboy eine sehr, sehr ernsthafte Oper, die allerdings den Zuhörer zuweilen dermaßen (über)fordert und verstört, dass dies schon wieder (s.o.) komische Züge annimmt. Walker hat zweifelsohne eine schöne Gesangsstimme - kein Zweifel. Aber es wäre vermutlich zu einfach, einfach damit zu singen - also zelebriert der Meister hier das Atonale. Er jault, wimmert und stöhnt sich lamentierend durch seine Hörspiele, die meistenteils aus Geräuschorgien bestehen, die jedoch höchst kunstvoll zu unverständlichen musikalischen Strukturen verwoben wurden, die wahrlich ihresgleichen suchen. Natürlich möchte Walker nicht gefallen - über diesen Zustand ist er spätestens seit "Hunter" erhaben - sondern provozieren. Das gelingt zweifelsohne. Zum Beispiel mit dem Opener, der als primitiver, desolater Rocksong daherkommt und den Zuhörer in Sicherheit wiegt, bis er dann vom Rest des Werkes erschlagen (bzw. bei lebendigem Leibe seziert) wird. Nein, das ist keine Scheibe, die man lieben kann. Auch keine, die man unbedingt bewundern muss - aber doch zumindest anerkennen. Denn es gelingt Walker hier - und das zeichnet irgendwo auch den Künstler aus - etwas in die Welt zu setzen, das in weiten Teilen unverantwortlich erscheint, sich jeglicher Wertung entzieht und mit zum Obskursten gehört, was je auf dem Tonträgermarkt aufgeschlagen ist. Scott Walker ist zweifelsohne eine Klasse für sich.


-Ullrich Maurer-


 

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