In Zeiten von Botanica, Porcupine Tree & Co. darf man sich heutzutage ja ruhigen Gewissens als Progrock-Fan outen, ohne als Dinosaurier verschrien zu werden oder mitleidig belächelt zu werden. Das müssen sich auch Hans Bäär und Michael Bruchmann gedacht haben, die mit ihrer Band Hoelderlin in den 70ern mit zu den Gründervätern der Kraut-Variante dieses Genres gehörten. (Zumal Kraan ja gerade bewiesen haben, dass das Erbe in die Jetztzeit zu transportieren ist.) Bäär, der Bruder von Wolf Mahn, der zuletzt als Bassist bei Hansonis von sich reden machte und Bruchmann suchten sich frische, nachgeborene Musikanten, die musikalisch auf der gleichen Wellenlänge denken und schwimmen können und vor allen Dingen Sängerin Ann-Yi Eötövos, die mit ihrer elfenhaften Stimme der ganzen Sache erst die richtige esoterische Glaubwürdigkeit verleiht. Im Prinzip zeichnet diese Scheibe zweierlei aus: All das, was Progrock (je nach persönlichem Geschmack) faszinierend oder abstoßend macht und der Umstand, dass die Herren keineswegs versuchen, an die alten Werke anzuschließen, sondern sich einen eigenständigen, gangbaren Weg in die Moderne gesucht haben - z.B. mit Folk-Elementen oder Sound-Effekten, die man auch von zeitgenössischen Produktionen kennt. So könnte z.B. das Sounddesign problemlos im Radio durchgehen (natürlich nicht die Stücke selbst, da diese zuweilen die Fünf-Minuten-Grenze deutlich sprengen). Da es bei der Musik von Hoelderlin - schon alleine wegen des Namensgebers - eh immer romantisch zugegangen ist und es auch auf dieser Scheibe von Engeln, Kaleidoskopen und Tränen, die sich im Wasser auflösen, wimmelt, kommt die ätherische Stimme Ann-Yis natürlich gerade recht. In dieser Richtung haben Hoelderlin weiland auch einmal angefangen - und insofern schließt sich hier auch der Kreis. Kann man machen!