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09.04.2010
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Mardi Gras. BB - Von Humboldt Picnic

Mardi Gras. BB - Von Humboldt Picnic
Hazelwood Vinyl Plastics/Rough Trade
Format: CD

Einen musikalischen Kreis hatten Doc Wenz und seine Jungs ja eigentlich bereits mit dem fünften Album geschlossen. Seither verfolgte man kein bestimmtes gesamtheitliches Konzept mehr, sondern suchte sich von Scheibe zu Scheibe neue Themen. So auch dieses Mal. Genau genommen brechen Mardi Gras. BB zu einer neuen musikalischen Weltreise auf. Und diese folgt - irgendwo - den Spuren des Entdeckers Alexander von Humboldt (jedenfalls im Geiste). Und ist zugleich auch eine Zeitreise. Aber der Reihe nach: Die Reise beginnt in Indien und zeigt hier wieder Mal den Einfallsreichtum der musikalischen Kolonialisten Mardi Gras. Denn indische Klänge und Blasmusik lagen ja bislang nicht selbsterklärend auf einer Linie. In dem Stil geht es dann weiter: Kanada, China, Südamerika und immer wieder Europa in allen möglichen Schattierungen werden gestreift und ausgebeutet. Denn Mardi Gras nähern sich den Objekten ihrer Begierde mit dem geschulten Blick kaiserlicher Guano-Produzenten, die einen sicheren Blick für die jeweiligen musikalischen Bodenschätze des Zielgebietes haben (und sei es eben Vogelkacke). Das äußert sich in einer ironisch / unernsten Note, die den betreffenden Elaboraten innewohnt und auch vor Klischees nicht zurückschreckt. Damit hier aber nicht der Vorwurf im Raume stehen bleibt, Mardi Gras seien etwa tatsächlich ernsthafte Herrenmenschen, an deren Geist die Welt genesen soll, wird auch Deutschland ausgebeutet (klanglich etwa zu Zeiten der Weimarer Republik): Doc Wenz wagt sich hier an eine Art klassischen Ur-Schlager und singt mit rollendem "R" und blecherner Grammophon-Stimme auf Deutsch. Und ein Chanson auf Französisch gibt's dann auch gleich noch obendrein. Musikalisch nutzen die Herren alles, was notwendig erscheint - weswegen diese Scheibe (inklusive Samples und "richtigem Bass") das rundeste BB-Klangbild seit langem aufweist. Überhaupt ist dieses Werk das abwechslungsreichste und kurzweiligste seit langem. Vielleicht war es ja keine schlechte Idee, statt eines Projekt-Dogmas dieses Mal den musikalischen Wildwuchs zu bevorzugen. Die Karawane zieht also weiter.


-Ullrich Maurer-


 

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