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05.10.2018
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Marissa Nadler - For My Crimes

Marissa Nadler - For My Crimes
Bella Union/Pias Cooperative/Rough Trade
Format: CD

Mit ihrem letzten Album, "Strangers", war Marissa Nadler vor zwei Jahren ein Stück weit von den karg instrumentierten Folk-Songs und der Ich-Erzähler-Perspektive abgerückt, die sie zuvor zu einer der herausragenden Vertreterinnen des Genres hatten werden lassen. Stattdessen setzte sie gemeinsam mit Produzent Randall Dunn auf einen vollen und atmosphärischen, ja, manchmal schon fast symphonisch anmutenden Sound. Gleichzeitig suchte sie auch textlich nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und widmete sich mehr den Geschichten anderer, anstatt nur das eigene Innenleben nach Inspiration zu durchstöbern. Mit "For My Crimes" findet sie nun gewissermaßen die goldene Mitte.

Auf ihrer neuen, achten Platte sind die Lieder merklich bandorientierter als auf ihren Frühwerken, doch trotz imposanter All-Star-Besetzung - Janel Leppin steuert Streicher bei, Mary Lattimore spielt Harfe, Eva Gardner den Bass und Angel Olsen, Sharon Van Etten und Dum Dum Girl Kristin Kontrol sorgen für stimmliche Unterstützung - liegt der Fokus dieses Mal wieder mehr auf Nadler selbst. Auch die Texte spiegeln diese Rückbesinnung wider: Auf "For My Crimes" steht Persönliches über Liebesleid und Verlust wie "I Can't Listen To Gene Clark Anymore" gleichberechtigt neben weiter gefassten Geschichten über die Untiefen der menschlichen Existenz, etwa wenn Nadler beim Titelsong die Gedanken einer Insassin des Todestrakts schildert, die den Menschen ob ihrer guten Taten in Erinnerung bleiben will.

Das auffälligste Stück ist allerdings fraglos "Blue Vapor", das mit einem düster-rockenden Finale überrascht. Mit Nadler an der elektrischen statt der akustischen Gitarre, Holes Patty Schemel am Schlagzeug und Dana Colley von Morphine am Saxofon, schwingt sich die Nummer zu einem imposant emotionalen Wirbelwind auf, der ob Nadlers und Kontrols verschmelzender Stimmen sanft, aber unausweichlich Sogwirkung entwickelt. Ohne Gefahr zu laufen, eigene vergangene Großtaten nur zu kopieren, aber doch behutsamer als auf "Strangers", rückt Nadler so ihre markante, über die Jahre perfektionierte Klangästhetik in ein neues Licht und präsentiert sich als Künstlerin, die inzwischen spürbar gefestigt und mit ihrem eigenen Tun im Reinen ist, gleichzeitig aber auch noch viel vorhat.



-Carsten Wohlfeld-


 

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