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06.05.2002
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Tom Waits - Alice

Platte der Woche

KW 19/2002


Tom Waits - Alice
Anti/Epitaph/Connected
Format: CD

Die erste der beiden Neuveröffentlichungen, die der Grummelbär-Terrible der Musikgeschichte, Tom Waits, nunmehr veröffentlicht, basiert auf der gleichnamigen Oper, die Robert Wilson '92 in Hamburg aufführte. In dieser Oper ging es um Alice Lidell, die Vorlage der literarischen "Alice im Wunderland". Natürlich wäre Waits nicht Waits, wenn er einfach einen Songzyklus über eine bestimmte Person fabrizierte. Nein, auf diesem - bislang nicht erhältlichen - Werk findet sich das ganze Panoptikum des Waits'schen Universums wieder. In den - wie zuletzt immer - mit Ehefrau Kathleen Brennan zusammen geschriebenen Songs - geht es um Albträume, Wahnsinn, Sehnsucht, den Verlust der Unschuld, die Reeperbahn und die dunkle Seite der Brüder Grimm. ("Kommienezuspadt" ist Waits' in gutturalem Kauderdeutsch vorgetragener, definitiver Rumpelstilz-Song schlechthin). Musikalisch beschreitet Waits auf diesem (wie auch dem Schwesteralbum "Blood Money") nicht wirklich grundlegend neue Wege, wartet aber mit interessanten Nuancen auf. Wie "Blood Money" baut "Alice" vorwiegend auf dem Sound geschickt arrangierter, unterschiedlicher Bläser auf, die Waits dann mit dem üblichen Sammelsurium obskur klingender Instrumente ergänzt - in dem Fall ist das die beinahe in Vergessenheit geratene Stroh-Violine, die einen ganz eigenartigen Klang erzeugt, der ganz wunderbar zu den katatonischen, expressiven Klangräumen paßt, in denen sich Waits heutzutage wohlfühlt. "Alice" bietet daneben einige der melodisch schönsten Waits Kompositionen überhaupt - hier fährt er auch zuweilen den schrulligen Brüllaffengesang zurück. Der Mann ist eben nicht skurril um der Skurrilität wegen, sondern um bestimmte Inhalte deutlich zu machen. Das Album ist - im Vergleich zu "Blood Money" - ein wenig zurückhaltender inszeniert. Hier wie dort driftet Waits aber immer mehr weg vom ursprünglichen Blues und Jazz hin zu osteuropäischen Klangwelten, dieses Mal - wohl auch absichtlich - angereichert mit Weill'schen Harmoniegefügen.


-Ullrich Maurer-



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www.officialtomwaits.com
 

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