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12.09.2005
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dEUS - Pocket Revolution

Platte der Woche

KW 37/2005


dEUS - Pocket Revolution
V2/Rough Trade
Format: CD

"Do you still love me? Do I have the chance again?" sangen dEUS im einzigen neuen Lied ihres quasi Best Of-Albums "No More Loud Music", das 2001 erschien. "You've lost that feeling, you want it again", hieß es da weiter im Lied "Nothing Really Ends", das eine Hoffnung auf ein Wiederhören gab. Und was können wir sagen, vier Jahre später? Erstens: dEUS sind überraschenderweise wieder da! (Applaus bitte, auch wenn das am Computer affig wirken mag.) Zweitens: Wenn sie das gewisse Gefühl in acht Jahren Bandgeschichte tatsächlich zwischendurch verloren haben sollten: here it goes again! Es ist nicht einfach nur so, dass das ihr neues Album ist. Wie soll man sagen? Ein reifes Spätwerk, ein beiläufiger Geniestreich, soll man den "White Album"-Vergleich bemühen? Bleiben wir auf dem Teppich. "Pocket Revolution" ist das beste dEUS-Album geworden.

Hatten die Vorgängeralben ihre eindeutigen Hits wie "Suds & Soda" oder "Little Arithmetics", und dazwischen viel Raum für Experimente, gewagte Kompositionen (die Singles sind da ja gar nicht mal ausgenommen) und jede Menge Sounduntermalung für hippe Bars, Kunst-Vernissagen und studentische Festivitäten aller Art. "Pocket Revolution", und der Name birgt das auch schon, kommt auf leiseren Sohlen daher, unscheinbarer. Erst nach und nach bäumen sich die Songs auf und stellen sich ultracool in den Raum. "Hättste nicht gedacht?" sagen sie. Das Songmaterial ist in seiner Breite stärker als auf den Vorgängern. Die Kämpfe mit den Konventionen sind ausgefochten. Die Position als eine der einflussreicheren Bands der internationalen Indie-Szene ist gesichert. Eine Art Kultstatus begann sich in den letzten Jahren schon zu entwickeln und wird die Band auch in dreißig Jahren noch im kollektiven Gedächtnis erhalten. Es kracht nicht einfach so auf dieser LP, es braut sich jeweils ein Sturm zusammen. Der Opener "Bad Timing" illustriert das sehr gut. Er beginnt mit einer halligen Gitarre ganz im Stile von The Edge, dazu spricht Sänger Tom Barman sonor, dass man denkt, hier wirklich U2 zu hören. Man braucht eine ganze Weile, sich von diesem Eindruck zu entfernen, aber nach und nach gelingt es. dEUS können also U2 imitieren. Sie können mit der größten Band des Planeten mithalten. Doch im Laufe der nächsten sieben Minuten steigert sich das Stück ganz langsam zu einem Opus, einer Elegie: "With Or Without You", nur Belgian style. Selten gibt es wirklich noise, wie beim übersteuerten Bass auf "Nightshopping". Ein homogener, fast schon klassischer Bandsound dominiert. Dazu inspirierende Lieder, die mit jedem Hören spannender werden, im Öffnen nicht ihr Geheimnis verlieren, sondern einfach nur mehr Facetten zeigen. Dieses Album katapultiert dEUS aus dem Status der schrägen Kultband, und schießt sie in den Kosmos der ganz großen Bands.



-Christian Biadacz-


 

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