Polly Paulusma ist eine englische Songwriterin, die 2004 mit "Scissors In My Pocket" ihr Debütalbum vorlegte und von der Kritik als englische Joni Mitchell gefeiert wurde. So weit, so gut - dass es nun mit "Fingers & Thumbs" überhaupt ein Nachfolgealbum gibt, ist fast schon erstaunlich. Denn zwischenzeitlich erlitt Polly zwei Fehlgeburten, bis dann während der Arbeiten am zweiten Album endlich Töchterchen Valentine geboren wurde. Die Sache schlug Polly verständlicherweise aufs Gemüt und sie erwog ernsthaft, ihre Karriere an den Nagel zu hängen. Dass sie es nicht tat, hat sich insofern ausgezeichnet, als das "Fingers & Thumbs" eine außerordentlich starke und kämpferische Scheibe geworden ist. Musik als Therapie ist also zum Glück immer noch ein veritables Mittel.

Musikalisch flirtet diese Scheibe mehr mit alternativer Rockmusik als mit verklärten akustischen Lagerfeuer-Songs. Die Vergleiche mit Joni Mitchell laufen dabei natürlich ins Leere - und es ist wohl auch so, dass diese eher auf Pollys eigene Art zu beziehen sind, mit dem Songformat Katz und Maus zu spielen und Zwischentönen Raum zu geben, wo andere vielleicht mit Riffs und Refrains geklotzt hätten. Gerade deswegen ist "Fingers & Thumbs" weit weniger introspektiv oder gar melancholisch geraten, als vielleicht zu vermuten gewesen wäre. Vielmehr gibt es eine Sammlung angenehm greifbarer, rauer, unmittelbarer, teilweise unfertig aber keineswegs verletzlich wirkende Songs, bei denen Pollys hohe Gesangsstimme zuweilen ein wenig die Schwere des inhaltlichen Realismus relativiert. "Fingers & Thumbs" ist ein bemerkenswert selbstbewusstes Statement in Sachen Überlebenskampf. Selten findet man heutzutage Scheiben mit einer solchen Gewichtung.