Darf es etwas mehr sein? Auf seinem sechsten Album legt Brian "BC Camplight" Christinzio nochmals in jeder Beziehung eins drauf. Und das, obwohl dieses Album nun bereits das mindestens dritte in Folge ist, in der sich der nach wie vor in Manchester residierende Musiker aus New Jersey mit den Folgen für ihn selbst tragischer Entwicklungen und Ereignisse auseinandersetzen muss. Auf dem 2019er Album "Deportation Blues" etwa kommentierte Camplight seine Querelen mit der britischen Einwanderungsbehörde. Auf dem 2020er Album verarbeitete er seinen Kampf mit Abhängigkeiten und dem Hadern mit seiner geistigen Gesundheit. Und auf dem nun vorliegenden, dann trefflich betitelten "The Last Rotation Of Earth" schildert er (nein, nicht die Pandemie) die Zeit, als für ihn nach dem Zerbrechen einer neunjährigen Beziehung die Welt zum Stillstand gekommen war. Geringere als Camplight wären wohl schon lange zum Nihilisten geworden oder hätten sich der Depression ergeben. Camplight macht das Nächstbeste und erschuf eine monumentale Rock-Oper, mittels der er mit stoischer Gelassenheit, rabenschwarzem Humor und einem untrüglichen Sinn für das Seltsame die unscheinbaren Banalitäten chronologisiert, die zu dieser Entwicklung geführt haben.

Musikalisch löst er das Ganze, in der er mit großer Geste, orchestraler Urgewalt und ohne stilistisches Dünkeldenken grandiose Über-Hits aneinanderreiht, die indes in der modernen Radiolandschaft schon alleine wegen des dystopischen Untertons und irritierender dramatischer Breaks so gar nichts zu suchen haben; aber von den Freunden authentischer Indie-Rock-Sounds aufgrund ihrer Konsequenz um so mehr geschätzt werden. Und dann gibt es ja noch die dramatische Struktur, mit der Camplight das ganze unterlegt - mal in Form eines Hörspiels, mal mit theatralischer Gestelztheit - oder aber wie in dem Song "The Movie" gleich als Film ohne Bilder. Dabei entstehen jede Menge - total unterschiedlicher - Indie-Pop-Hits wie der hymnisch-epische Titeltrack, der pulsierende New Wave Disco Dreampop-Ohrwurm "Kicking Up A Fuss" (den man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt, wenn er erst mal drin ist) oder die von musikalischen Höllenfeuern unterbrochene, bluesig verschleppte Klangwolkenballade mit dem nun wirklich eigenartigen Titel "It Never Rains In Manchester". Ob Camplight aus dieser musikalischen Therapiesession mit geistiger und körperlicher Gesundheit hervorgegangen ist, lässt sich nur abschätzen. Aber man hört ihm aber gerne dabei zu, wie er es versucht. "The Last Rotation Of Earth" lässt jedenfalls (erneut) kaum einen Wunsch übrig, den Freunde unangepassten Indie-Pops haben könnten. Auf den Mann ist verlass - zumindest was den Überraschungsfaktor jeden neuen Werkes angeht.