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Jimi Hendrix - West Coast Seattle Boy - The Jimi Hendrix Anthology

Jimi Hendrix - West Coast Seattle Boy - The Jimi Hendrix Anthology
Columbia/Sony Music
Format: 4CD+DVD

Jimi, als Box: Dem bis dato vermutlich einflussreichsten, ganz sicher aber berühmtesten Saitenmusiker nach Orpheus und Paganini begegnet man am besten - superlativ. Und das ist diese "Jimi Hendrix Anthology" ganz ohne Frage. Immerhin "über vier Stunden bisher unveröffentlichte und rare Hendrix-Tracks" verspricht das Label-Info. Wären es wirklich komplett neue Songs, käme dies einer Sensation gleich, wie die Entdeckung von John Lennons erster Symphonie. Doch auch mit einem ganzen Nikolaussack voller unveröffentlichter Versionen, Demos, Outtakes und raren Pre-Experience-Stücken sollte man Fans ganzjährig in weihnachtliche Stimmung versetzen können. Speziell die Aufnahmen aus der Zeit ab 1964, in denen Hendrix als Sideman für Rythm 'n Blues-Künstler wie die Isley Brothers, Little Richard, Don Covay oder King Curtis zunehmend seinen eigenen Sound entwickelt, machen CD 1 zu einer faszinierenden Erfahrung: Das geht von R&B-Songs, bei denen kaum ein Hendrix-Kenner das spätere Genie entdecken würde bis hin zu seiner recht deutlich erkennbar hinterlassenen Handschrift auf "(My Girl) She's A Fox" (1966, The Icemen).

CD 2 nimmt die Folgejahre '67 und '68 unter die Raritäten-Lupe. Die Jimi Hendrix Experience war am Start und der Durchbruch gelungen. Wir begegnen Smash Hits wie "Fire", "The Wind Cries Mary", "Can You See Me" oder "Long Hot Summer Night" in bislang unbekannten Klanggewändern, beispielsweise im ursprünglichen 4-Spur- oder auch einem alternativen Mono-Mix von Chas Chandler und Eddie Kramer. Interessant auch eine (nur auf "Stages" bereits veröffentlichte, mithin rare) Live-Fassung von "The Wind Cries Mary". Das wird kaum das Hendrix-Bild erschüttern, ist aber dennoch wie hier präsentiert schlicht ein Genuss für Liebhaber. Weniger bekannte Seiten zeigt definitiv "Little One" auf, entstanden während einer Session mit Traffics Dave Mason an der Sitar. Endgültig kultig sind Tracks 11 bis 16, die einem auf einer Teac-Bandmaschine mitgeschnittenen Jam mit Paul Caruso (hca, back voc) in einem Hotelzimmer entstammen: Das changiert zwischen Robert Johnson und Dylan (dessen "Tears Of Rage" hier intoniert wird), zwischen vernehmlichen Spielpatzern und großartiger Intensität, quasi-akustisch, d.h. völlig unverzerrt. Exotisch auch der wilde Studio-Gag "Calling All The Devil's Children" oder das siebeneinhalbminütige, verträumte Instrumental "New Rising Sun", bei dem Hendrix alle Instrumente bediente.

CD 3: Wir schreiben das Jahr '68/'69. Der Gitarrenderrwisch ist auf dem Höhepunkt seiner Kreativität, hier belegt durch beispielsweise eine santanaeske Session mit sowohl Buddy Miles am Schlagzeug als auch Mitch Mitchell an Percussions - groovy, experimentell, wirklich hörenswert ("Hear My Freedom"). Wenige dürften auch die hier präsentierte Jimi-Fassung des bunten Rock'n Roll-Hundes "Hound Dog Blues" kennen, die durch Chris Woods Saxophon-Parts (Traffic) noch kostbarer werden. Am Piano: Jerry Goldstein, u.a. Manager von Sly And The Family Stone. Leftovers wie "Untitled Basic Track" zeigen den Mantel der Geschichte bei der Arbeit: Dieses Riff hätte vielleicht das Zeug zu einem zweiten "Spanish Castle Magic" gehabt, das erhaltene Solo ist stark, doch weiland in den TTG-Studios in Hollywood ging Jimi die Zeit aus, Gesang dazu zu entwickeln. Und kam auch später nicht dazu. Ein Problem, das sich beim legendären "Star Spangled Banner" (vgl. Woodstock oder die hier im ursprünglichen Mix veröffentlichte Live-Fassung vom Forum, L.A.) nicht stellte. Eine 21minütige Kostbarkeit ist "Young/Hendrix", eine Fusion-Kooperation zwischen Hendrix, Organist Larry Young (u.a. Tony Williams Lifetime) und Buddy Miles. Nicht forcierte oder nicht mehr auslebbare Möglichkeiten belegt auch die R&B-Nummer "Mastermind", mit Komponist Larry Lee an Gesang und Rhythmusgitare. Feurige Live-Aufnahmen vom Fillmore East ("Fire" und - besonders heiß - "Foxey Lady") beschließen die dritte Schatzkiste. Und eröffnen die vierte: "Stone Free" (15:00).

Ganz neu sind auf CD 4 das funky Instrumental "Burning Desire" oder "Lonely Avenue" zwischen Blues und Soul. Ein improvisiertes Medley aus "Peter Gunn" (Henry Mancini) und "Catastrophe" (Frankie Laine) hat Kuriositätenstatus, die Berkeley Live-Fassung von "Red House" hingegen ist eine willkommene Ergänzung des Jimi-Blueskanons. Den Schlusspunkt setzt “Suddenly November Morning”, eine bisher unveröffentlichte Solo-Aufnahme, in die sich das bekannte "Drifting" mischt, entstanden in Hendrix' letztem Lebensjahr in seinem Apartment in Greenwich Village, N.Y.

Zusätzlich enthält die Box noch die 90-minütigen Dokumentation "Voodoo Child" auf DVD. Sie entstand unter der Regie des mehrfachen Grammy-Preisträgers und Hendrix-Kenners Bob Smeaton (Beatles Anthology, Festival Express, Beatles: The Studio Recordings, Band Of Gypsys). Der Film präsentiert den Werdegang des Künstlers in seinen eigenen Worten (soweit überliefert), denen Bootsy Collins (Parliament, Funkadelic) seine Stimme leiht. Interviews und natürlich Live-Aufnahmen machen "Voodoo Child" zu einer kurzweiligen, ja packenden Angelegenheit, bei der auch der Humor nicht zu kurz kommt. Die Doku beginnt buchstäblich mit der Geburt und endet mit der TV-Nachricht von seinem Tod mit 27 in London. Die letzten Worte gehören dem Genie selbst: "When I die, keep playing the records." Dem Folge zu leisten, fällt mit dieser Edition noch ein wenig leichter.

Das als 56-seitiges Buch gestaltete Opus "West Coast Seattle Boy" ist eine Veröffentlichung von Legacy Recordings und Experience Hendrix LLC - eine durch die Nachkommen des Gitarristen ins Leben gerufene Stiftung, deren Präsidentin Jimis Schwester Janie ist - für Columbia/Sony. Im Gegensatz zu sonst üblichen Anthologien ist es weniger für einen ersten Einstieg ins Thema geeignet, dafür aber eine tatsächliche Bereicherung für alle leidenschaftlichen Fans und ein Muss für Spezialisten.



-Klaus Reckert-


"West Coast Seattle Boy" (spanisch)

 
 
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