Oshen als musikalische Freibeuterin zu bezeichnen, wäre eher noch untertrieben. Am ehesten ist ihr Ansatz, sich als Sängerin vollkommen losgelöst um die eigentliche Songstruktur herumzuwinden, noch mit Leslie Feists "Jahi"-Ansatz zu vergleichen - wobei es hier ja auch noch um das Vermeiden allzu emotionaler Ausbrüche geht, was man bei Oshen nicht feststellen kann. Ganz im Gegenteil: Spontaneität, Einfühlungsvermögen und Ausdruck stehen ganz im Vordergrund und lassen den Gesang erstaunlich impulsiv erscheinen. Das ist nicht immer einfach nachzuvollziehen und manchmal auch ein wenig sperrig - zumal die zugrunde liegende Musik auch keinem festen Schema zugeordnet werden kann, sondern mit Elementen aus Jazz, Rock, Folk und (afrikanischer) Weltmusik in einer Collage zusammengemischt wird. Entziehen kann man sich als Zuhörer dieser Art, an die Songs heranzugehen keineswegs. Sie polarisiert halt nur. So, wie z.B. auch Jeff Buckley polarisierte. Dessen äthererischen Momenten kommt Oshen stellenweise auf diesem zweiten Album - zum Ende hin - auch recht nahe. Melodie, Eingängigkeit und das Songformat müssen da hintanstehen. Es lohnt sich aber dennoch, sich mit Oshen auseinanderzusetzen, denn sie geht einen ganz eigenen Weg gefunden, sich als Sängerin und Songwriterin auszudrücken.