Auf ihren ersten beiden Alben präsentierte sich Tamara Lindeman alias The Weather Station als tief in der Folk-Tradition verwurzelte Singer/Songwriterin, die es auch Arrangement-technisch lieber altmodisch mochte und neben Akustikgitarre oder Banjo wenig Platz für ein modernes Soundgewand ließ. Das ändert sich nun mit ihrem neuen Album. Aufgenommen in einer heruntergekommenen Villa vor den Toren von Paris, überrascht die Kanadierin gleich zu Beginn mit einem dezenten Bandarrangement, heranschwebenden Streichern und ganz allgemein mit einem zeitgenössischeren, raffinierteren Sound, der sich anschließend durch das komplette Album zieht. Die musikalische Direktheit der Vorgängerwerke wird dieses Mal durch eine schwer in Worte zu fassende Entrücktheit ersetzt, die Lindemann die Möglichkeit gibt, ihre durchdringende Stimme stärker lautmalerisch anstatt nur als Vehikel für die Worte einzusetzen. Das hat auch Einfluss auf die Texte: Aus wehleidigen Tagebucheinträgen sind inzwischen abstraktere Charakterstudien geworden, ohne dass sie deshalb Intimität einbüßen oder die auf den frühen Platten allgegenwärtige Detailverliebtheit vermissen lassen. Im Kern geht es immer noch darum, dass Lindemann durch ihre Songs versucht, sich über sich und ihre Gefühle klar zu werden und ihren Platz in der Welt zu finden. Das amerikanische Fader-Magazin bezeichnete "Loyalty" bereits als das beste Folk-Album des Jahres - und wir schließen uns da gerne an.