Auch in den USA kann man also YouTube-Sensations-Pop. Billie Eilish aus Los Angeles gehört zu jener Bewegung junger Künstler(innen), die - abseits der früher üblichen Wege - sozusagen Gebrauchsfertig mit einer riesigen Fangemeinde aufschlagen, lange bevor sie irgendetwas konkretes veröffentlicht haben und den Beruf des A&R-Agenten endgültig vom Jäger zum Sammler umpolen (denn während früher die betreffenden Majorlabel-Spezialisten auf die Jagd nach neuen Acts gehen mussten, brauchen sie diese heutzutage ja nur noch einzusammeln).

Worum geht es? Billie Eilish kommt nicht nur mit einer riesigen Fangemeinde daher, sondern hat ein für eine Amerikanerin ungewöhnliches musikalisches Konzept im Angebot. Anstatt - wie viele ihrer Kolleginnen - auf Singer-Songwriter-Elemente, Mädchenpop oder R'n'B zu setzen, hat sie sich ein eigenes Dream-Pop-Sub-Genre ausgedacht. Mit dem klassischen Dreampop englischer Prägung hat das freilich nicht viel zu tun - aber die ganze Ästhetik des Albums zielt auf den Zustand zwischen Schlaf und Wachen ab, in dem Billie mit teilweise hypnotischer Intensität und maliziöser Flüsterstimme herumfuhrwerkt und sich in das Unterbewusstsein des Hörers bohrt. Kein Wunder, denn es geht hier schließlich darum, was die potentiellen Monster unter dem Bett auszeichnen bzw. wer diese sein könnten. Einzelne konzeptionelle Ausnahmestörfeuer wie die Torchsong-Ballade "Listen Before I Go" einmal ausgenommen. Das im elterlichen Haus zusammen mit Bruder Finneas O'Connell zusammengebastelte Werk kommt dabei mit erstaunlich wenigen hippen Produktionselementen aus, sondern überzeugt stattdessen mit einem basslastigen, minimalistischen Mix aus New Wave und E-Pop-Elementen, den es in dieser konkreten Form so auch noch nicht gegeben hat.