Mit "White Chalk" legt PJ Harvey ihr bisher persönlichstes Album vor. Sparsam instrumentiert, meist nur vom Piano begleitet, singt sie sehr intime Lieder, haucht ihre Texte mehr als dass sie sie explizit präsentiert. Nicht nur das Cover produziert eine geisterhafte Stimmung. "When Under Ether" zum Beispiel scheint vom Krankenbett aus herüberzuklingen, wo das lyrische Ich halb betäubt liegt, "conscious of nothing but the will to survive", während nebenan eine unbekannte Frau (oder das zweite Ich?) Händchen hält - ein Song, der als Untermalung wunderbar in die Berliner Schmerzausstellung gepasst hätte, ein Song zwischen Leben und Tod. Aber auch die anderen Stücke sind seltsam entrückt und gespenstisch. "Broken Harp" erzählt davon, wie die Leere Einzug ins Leben hält - die Gründe dafür bleiben im Dunkeln. Überhaupt ist die Dunkelheit der beste Freund: In "Dear Darkness" wird sie direkt angesprochen und gebeten, doch endlich die gesamte Existenz zu bedecken. Schuld und Sühne sind häufige Themen, es wird um Verzeihung gebeten, ungeborene Kinder werden beklagt. Auch die tote Großmutter wird angerufen ("To Talk To You").

In der Gesamtschau kann es wohl keine bessere Platte für den beginnenden Herbst geben als diese hier. Produziert wurde das Album von Harvey selbst mit Hilfe von Flood und John Parish, einen Gastauftritt gibt es unter anderem von Jim White (The Dirty Three). Wer von Polly Jean Harvey ein weiteres Album voller Ausbrüche à la "Uh Huh Her" oder Pop à la "Stories From The City, Stories From The Sea" erwartet hat, wird hier enttäuscht werden. Alle anderen haben mit "White Chalk" ein wunderbar verstörendes Werk zu entdecken, das allerdings nichts für schwache Nerven ist.