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Handsome Furs - Face Control

Handsome Furs - Face Control
Sub Pop/Cargo
Format: CD

Ein Rottweiler auf rotem Hintergrund, Putin in Uniform und der Titel "Face Control" schmückt das Cover des neue Album der Handsome Furs. Die Assoziation ist klar: Sowjetunion, Überwachungsstaat, Kontrolle. Songtitel wie "Nyet Spasiba" oder "Radio Kaliningrad" verstärken diesen Verdacht. Und das ist genau der Punkt, an dem die Handsome Furs den Hörer haben wollen: In der ehemaligen Sowjetunion, in Osteuropa, in der Vergangenheit, irgendwo ganz weit weg.

Beim Hören der Platte verschwimmt dieses Bild, löst sich auf in Fragezeichen. Geht es hier wirklich um etwas was ganz weit weg ist? Geht es nicht viel mehr um uns? Um die westliche Welt, die mehr und mehr zu einem gläsernen Gebilde wird, gegen das niemand etwas zu haben scheint? Es sind genetische Fingerabdrücke, Überwachungskameras, GPS, Plattformen wie Facebook oder Myspace, wo junge Menschen ihr Leben, ihre Privatsphäre der Öffentlichkeit auf einem Silbertablett präsentieren - Beweisfotos inklusive, die zu einem geographischen Wanderung des Überwachungs- und Kontrollwahns geführt haben und fast alle machen mit und überwachen sich sogar selbst.

Handsome Furs erheben nicht den pädagogischen Zeigefinger, klagen nicht an. Vielmehr erinnert "Face Control" an einen Spaziergang oder eine Reise durch eine beliebige westliche Großstadt. Ein musikalisches Gewirr aus verzerrten Gitarren, elektronischen Beats und Orgeln, nah am Trash, aber dafür viel zu groß, viel zu gut, führt durch das Leben dieser Stadt. Es geht um Politik, um Kontrolle, um den Alltag und um die Menschen dieser Stadt. Die Menschen, über die die Handsome Furs berichten, sind junge Menschen, Liebende, die ihren Platz in dieser Stadt noch nicht gefunden haben und ihn vielleicht auch gar nicht finden wollen. Menschen, die sich in das Gebilde aus Karriere, Kaufen und Kontrolle nicht integrieren wollen oder können und nach Freiheit suchen.

Deutlich wird dabei, dass der Begriff "Freiheit" sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Wenn früher noch um das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Verbreitung dieser gekämpft wurde, kann heute dank Internet jeder seine Meinung der ganzen Welt präsentieren und sein Privatleben gratis dazu. Doch wenn Freiheit einst bedeutet hat, auch mal etwas Riskantes zu wagen, wird heute Sicherheit, Kontrolle und Überwachung zu einem wichtigerem Gut als Freiheit erklärt. Eine unbeleuchtete Straße sorgt für ein mulmiges Gefühl, da der Satz "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", der angeblich sogar von Lenin stammen soll, allgegenwärtig ist. Für die Handsome Furs bedeutet Freiheit einfach nicht mitzumachen bei diesem Wahn, nicht zu kontrollieren und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.

"Face Control" ist keine politische Platte, kein Konzeptalbum. Es ist vorwiegend gute Musik. Man kann sie hören und lieben ohne auf diese inhaltliche Botschaft zu achten. Ebenso gut kann sie aber auch Augen öffnen und zum Nachdenken anregen. Und das ist das Schöne daran: Es ist einem Selbst überlassen.



-Andrea Berger-



 
 
 

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