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Bernd Begemann & Die Befreiung - Milieu

Bernd Begemann & Die Befreiung - Milieu
Brilljant Sounds/Membran
Format: LP

Wenn wir eines aus den zig Konzerten gelernt haben, die wir hier bei Gaesteliste.de in den letzten Jahrzehnten von Bernd Begemann besucht haben, dann das: Am besten ist der elektrische Liedermacher und auch nach all den Jahren unerreichte Entertainer mit der patentierten Melange aus Sarkasmus und Komik immer dann, wenn er spontan und ohne groß über die Folgen nachzudenken das ausspricht, das tut, was ihm gerade durch den Kopf geht - ganz egal, ob er sich bei den oft ausufernden Ansagen auf der Bühne charmant um Kopf und Kragen redet oder kurzerhand Lieder singt, die ihm gerade in den Sinn kommen: lange nicht gespielte eigene genauso wie handverlesene Coverversionen.

Dass seit der Veröffentlichung von "Eine kurze Liste mit Forderungen", seinem letzten Album mit neuen Songs, neun Jahre vergangen sind, hat dem inzwischen 61-jährigen Musiker aus Hamburg viel Zeit zum Nachdenken gegeben, und genau das hört man seinem neuen Werk nun auch an. Textlich tastet sich der Mann, der sich ohne rot zu werden "Wegbereiter der Hamburger Schule" nennen darf, spürbar behutsamer als früher durch eine sich immer schneller drehende Welt, die einem (immer noch) mit offenen Augen durchs Leben gehenden Songwriter wie ihm zwar reichlich Stoff für kluge Gedanken und Beobachtungen bietet, für Herren in den besten Jahren mit einem Faible für unverblümte Aussagen aber auch ganz neue Fallstricke bereithält. Auch klanglich knüpft Begemann auf "Milieu" nicht blind an die Vergangenheit an. Anstatt nach der langen Veröffentlichungs-Pause endlich einmal wieder all das in den Fokus zu rücken, was ihn zumindest hierzulande einzigartig macht, hat man beim Hören von der neuen LP das Gefühl, dass bei den von Swen Meyer produzierten Aufnahmen genau das Gegenteil verfolgt wurde. Ein Paradebeispiel dafür ist das pointierte Influencer-Psychogramm "Sophia Thiel", das mit lässigem Steely-Dan-Understatement fasziniert und hier zu den echten Highlights gehört.

Bedauerlicherweise bleibt die Suche nach neuen Herausforderungen bei manchen Songs unvollendet, etwa wenn Begemann und Co. direkt zu Beginn Post-Punk ("Es hat einen Vorfall gegeben") oder Country ("Hallo Bett") streifen, ohne dabei wirklich anzukommen. Das ist nicht zuletzt dem bisweilen unerklärlich artifiziellen Sound(mix) des Albums geschuldet ist, bei dem die mitreißende Live-Energie von Achim Erz, Kai Dorenkamp und Ben Schadow (alias Die Befreiung), die in der Vergangenheit auch auf Platten wie "Unsere Liebe ist ein Aufstand" oder "Glanz" so exzellent eingefangen worden war, mitunter erstaunlich wirkungslos verpufft. Auch bei den nicht selten verschwenderisch eingesetzten Backing Vocals mit seltsam schlagereskem Touch denkt man sich des Öfteren, dass weniger vermutlich mehr gewesen wäre.

Die besten Lieder sind derweil die, bei denen Begemann seine grüblerische, melancholische Seite betont, die er schon bei seinen Konzerten der vergangenen Jahre bewusst oder unbewusst in den Mittelpunkt gestellt hatte: die wunderbar gedämpfte, textlich ungeschönte Ballade "Kann kein Allein mehr" oder das komplett auf Stimme, Piano und eine dezente Bassbegleitung reduzierten Kitchen-Sink-Drama "Die kleinen Dinge". Auch wenn "Milieu" über die gesamte Spielzeit nicht an 90er-Jahre-Glanztaten wie "Rezession, Baby!" oder "Solange die Rasenmäher singen" heranreichen kann: In diesen Momenten hört man Bernd Begemann immer noch sehr gerne zu.


-Simon Mahler-



 
 
 

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