Eigentlich hätte "Annette" einfach "nur" das nächste Sparks-Album sein sollen - genauer: Das 25. in der über 50-jährigen Karriere der Mael-Brüder Ron & Russell. Konzipiert war das Ganze von vorneherein als "Oper" mit einer Geschichte um einen Stand-Up-Comedian, einer Opernsängerin, deren namensgebende Tochter Annette und einen Dirigenten, die die Maels schon so ausgerichtet hatten, dass sie mit dem Material auf Tour hätten gehen können. Sogar das Album war schon fertig produziert - als die Sparks das Material dem französischen Kult-Regisseur Leos Carax präsentierten, der sofort auf die Idee kam, daraus dann seinen ersten englischsprachigen Spielfilm zu machen. Dieser feierte in Cannes Premiere und wird nun im Kino und im Stream veröffentlicht.

Das Interessante aus Sicht dieses Soundtracks ist dann der Umstand, dass zwar die Musik der Sparks verwendet wurde, die Vocals bis auf den Track "So We May Start", in dem die Sparks als Erzähler auftreten, von den beteiligten Schauspielern Adam Driver, Marion Cotillard und Simon Helberg - in den Arien-lastigen Partien gelegentlich unterstützt von der klassischen Sopranistin Catherine Trottman - vorgetragen werden. Musikalisch ist das Album für Sparks-Fans keine große Überraschung, denn die Jungs schmeißen hier alles in die Waagschale, was sie an Pathos, Dramatik, Glamour und Theatralik drauf haben. Eine richtige "Oper" ist das Ganze aber nicht - aber auch keine Sparks-typische Operette. Eher kommt die Sache vom Aufbau, der Instrumentierung - und der Themen-bedingt düsteren Grundstimmung - einem Musical näher. Freilich sind die Sparks ja keine Weichspül-Luschen und so gibt es da immer noch jede Menge Weirdness, musikalischen Witz, Kraft, Dramatik und Dynamik, um auch die Fans bei Stange zu halten. Mit all dem nicht genug: Parallel zu dem "Annette"-Projekt feiern die Sparks den Beginn ihrer sechsten kreativen Dekade mit dem Dokumentarfilm "The Sparks Brothers", den der Filmregisseur Edgar Wright inszenierte.