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07.04.2006
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PELLE CARLBERG

Mit der Lizenz zum Glücklichmachen

Pelle Carlberg
Edson war gestern, heute ist Pelle Carlberg! Zum Glück ist der Unterschied zu seiner alten Band nicht so groß, denn auch als Solist - das zeigt sein unlängst veröffentlichter wunderschöner Alleingang "Everything. Now!" - ist der Schwede zeitloser Popmusik mit pfiffigen Texten und großen Emotionen verpflichtet. Als "Ein-Mann-Belle & Sebastian" ist er bereits bezeichnet worden, und das ist ein Vergleich, den man gut und gerne so stehen lassen kann. Wir trafen Pelle am letzten Abend seiner Deutschlandtournee im Kölner Stereo Wonderland, wo er gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten Henrik Nilsson für einen äußerst charmanten Abend sorgte, und wollten zunächst einmal wissen, ob denn seine Karriere als Solist so angelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat, oder ob doch einiges anders war als erhofft oder erwartet.

"Ich befürchte, ich muss dir mit einem Klischee antworten", erwidert Pelle. "Es ist nämlich ein wenig von beidem. In gewisser Weise ist das, was Henrik und ich derzeit machen, nicht sehr viel anders, als mit einer kompletten Band auf Tournee zu gehen. Ich schreibe außerdem meine Songs noch auf die exakt gleiche Weise, wie ich das auch bei Edson getan habe. Der größte Unterschied, was die Platte angeht, war allerdings, dass ich alles alleine aufgenommen habe, den Großteil der Instrumente selbst eingespielt habe und im Studio mein eigener kleiner Diktator war. Das war etwas völlig anderes als zuvor, denn die Band war schon sehr demokratisch. Ich schrieb zwar alle Songs und hatte das letzte Wort, aber trotzdem musste ich eine Menge Kompromisse machen und mir von allen Seiten Vorschläge anhören. Jetzt habe ich die alleinige Kontrolle über die Aufnahmen und das Endergebnis. Jetzt ist alles noch viel mehr Pelle Carlberg, jetzt steckt noch viel mehr von mir in den Songs."

Mit anderen Worten: Wenn uns also ein Trommelwirbel besonders gut gefällt - heißt das dann, dass Henrik ihn zwar gespielt hat, aber die Idee von Pelle stammt? "Es war zumindest so, dass ich jederzeit sagen konnte und durfte: 'Das war Klasse, aber es war nicht das, was mir vorschwebte. Kannst du bitte lieber so und so spielen?' Früher, als wir bei der Band gleichberechtigt waren, habe ich mich immer schwer getan, so etwas zu äußern. Jetzt ist alles viel unkomplizierter, denn ich kann klare Anweisungen geben. Das macht es auch einfacher für die beteiligten Musiker, denn sie wussten ja, auf was sie sich einließen. Letzten Endes sind sie im Studio, um mich glücklich zu machen."

Während andere Musiker sich erst langsam freischwimmen und anfangs froh sind, noch eine Band als Sicherheitsnetz zu haben, lag es bei Pelle eher an am fehlenden Equipment, das sich sein Start als Solist verzögerte. "Als ich mit Edson anfing, schwebte mir schon genau das vor, was ich jetzt mache", bestätigt Pelle. "Damals hatte ich nicht die technischen Möglichkeiten, eine Platte so aufzunehmen, wie ich es heute tue, nur mit dem Computer und einem sehr guten Mikro. Damals brauchte ich einfach eine Band, um die Musik zu verwirklichen, die ich im Kopf hatte. Das ist mir eigentlich nie richtig klar gewesen, aber deine Frage hat mir bewusst gemacht, dass dem so ist. Das Schöne daran, alleine aufzunehmen, ist natürlich auch, dass du alle zeitlichen Freiheiten hast. Du kannst an einem Gitarrenpart einen ganzen Tag herumbasteln, wenn dir danach ist." Macht er das denn? "Nee!", antwortet Pelle und muss lachen. "Eigentlich versuche ich, alles so schnell wie möglich aufzunehmen. Beim Gesang war es so, dass ich zunächst einfach nur eine kurze Probeaufnahme gemacht habe, an der ich arbeiten wollte, aber in acht von zehn Fällen habe ich diese Fassung unverändert gelassen. Ich bin davon überzeugt, dass alles, was du aufnimmst, innerhalb von drei Takes im Kasten sein muss. Wenn das nicht funktioniert, solltest du unbedingt erst einmal Abstand nehmen und es vielleicht später noch einmal versuchen."

Pelle Carlberg
Ähnlich schnell wie bei den Aufnahmen geht es auch beim Songwriting zu. Seine besten Songs schreibt Pelle für gewöhnlich innerhalb einer halben Stunde - mit Text und allem Drum und Dran! "Musikbyran Makes Me Want To Smoke Crack" ist so ein Fall. Das ungewöhnlich direkte Stück wurde von einem Warren Zevon-Special im Fernsehen inspiriert, doch während Zevon Könner wie Springsteen und Dylan um sich scharte, um eine letzte Platte vor seinem nahenden Tod aufzunehmen, ist Pelle - zumindest, wenn man dem Text Glauben schenkt - der Überzeugung, dass niemand sein Ableben zur Kenntnis nehmen würde... "Das war einer der ersten Songs, die ich geschrieben habe, nachdem Edson sich aufgelöst haben. Das heißt, eigentlich haben wir uns gar nicht offiziell aufgelöst, wir haben einfach irgendwann aufgehört, Konzerte zu spielen und zu proben. An dem Punkt war ich mir nicht sicher, wie es weitergehen sollte. In der ersten Fassung des Stücks gab es noch ein paar Zeilen, die darauf anspielten, dass es einige Leute in Deutschland und vielleicht auch ein paar in Schweden gibt, denen es nicht egal wäre. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich etwas übertreiben musste, um das rüberzubringen, was ich mit dem Song ausdrücken wollte."

Dann gibt es natürlich noch den wohl besten Song auf "Everything. Now!", "Go To Hell Miss Rydell", der die Geschichte erzählt, wie ein enttäuschter und erzürnter Pelle die Journalistin Malena Rydell zu Hause anruft, um erfolglos mit ihr einen Edson-Verriss zu diskutieren: "She said: 'This conversation is over. Send me an email when you're sober:' And I wasn't even drunk!" Fragt sich Pelle bei solchen Songs dann manchmal: Sollte ich das so sagen, kann ich das so veröffentlichen? "Über speziell diesen Song habe ich mir sehr lange Gedanken gemacht. Natürlich ist er ein wenig kindisch, und ich war mir lange nicht sicher, ob er mit auf die Platte sollte. Das ist auch ein Stück, das sehr schnell entstanden ist, nachdem mir der kleine Reim 'Go To Hell Miss Rydell' eingefallen war. Ich finde, dass die Nummer für sich selbst spricht, ob ihrer geradezu dokumentarischen Qualität, denn sie ist zu 100% wahr. Es ist trotz des Titels ja auch kein Hass-Song. Es geht in erster Linie um mich und mein Gefühl der Enttäuschung, das dieser Review in mir ausgelöst hat. Trotzdem ist der Song ja auch humorvoll, vor allem durch die Art, wie ich ihn singe. Wenn ich den Song wie eine Heavy Metal-Nummer herausgebrüllt hätte [imitiert Metal-Sänger]: 'Go to HELLLLLL Miss RYDELLL', wäre das etwas ganz anderes gewesen als wenn ich ihn nun meiner lieblichen Stimme singe."

Will meinen? Die besten Songs schreibt immer noch das Leben. Pelle Carlberg weiß das, und genau das verleiht ihm sowohl auf "Everything. Now!" als auch auf der Bühne ganz einfach die Lizenz zum Glücklichmachen.

Weitere Infos:
www.pellecarlberg.se
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Kjell B. Persson-
Pelle Carlberg
Aktueller Tonträger:
Everything. Now!
(Labrador/Broken Silence)
 

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