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08.08.2006
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BEN HAMILTON

Troubadour modern

Ben Hamilton
Ben Hamilton ist wohl das, was man einen klassischen Troubadour nennt - jemand also, der musizierend durch die Welt zieht, um sein Glück zu suchen. Aufgewachsen in der Kommune, die sich um die Band Traffic bildete, der sein Vater angehörte, verlebte der kleine Ben seine frühe Jugend in Florenz, wurde dann mit 14 auf ein englisches Internat geschickt, dem er mit 17 Richtung Australien entfloh. Dort finanziell gescheitert kehrte er nach Europa zurück, wo er in Lissabon, London und wieder Florenz als Straßenmusikant sein Glück versuchte. Irgendwann auf dieser Odyssee entstanden dann - fast zwangsläufig bei diesem Lebensstil - die ersten Songs. Diese hörte dann der Berliner Produzent Stephan Fischer, der Ben kurzerhand mit nach Berlin nahm, um ihm dort Aufnahmen zu ermöglichen, die nun in Form von Bens Debüt-Album vorliegen. Nicht bevor Ben auch noch das Elektro-Metier mit Wolfgang Brodauf (Vistacolor) erkundet hätte.

All das, so scheint es, fließt nun irgendwie auch in seine Songs ein, die sich somit jedweder Kategorisierung entziehen, sondern von allem etwas bieten: Rock, Folk, Pop - so recht beschreiben lässt sich Bens Stil nicht. Das Erstaunliche bei all dem ist vielleicht noch, dass Ben Hamilton keine halben Sachen macht: Nachdem er sich in Berlin niedergelassen hatte, spielte er seine Stücke nahezu im Alleingang ein und dann überrascht er auch noch mit ausgezeichnetem Deutsch am Telefon. Wenn schon, denn schon - das ist wohl das Motto des Ben Hamilton. "Ich arbeite momentan nur halbe Tage", meint er eingangs, "damit ich jetzt ein wenig Fernsehen schauen kann, darauf freue ich mich total." Es ist die Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft und auch dafür interessiert sich Ben. Voraussagen möchte er aber keine treffen. "Möge der Beste gewinnen", meint er diplomatisch. Doch kommen wir mal zu Bens Musik. Der Schriftsteller John Irwin hat einmal gesagt, dass Literatur besser als das Leben sein müsse. Heißt das, übertragen auf die Musik, vielleicht so etwas, dass diese größer als das Leben sein muss? "Also ich mag John Irwin als Schriftsteller", meint Ben, "aber seinen Ausspruch auf die Musik zu übertragen, würde ich ungefähr so interpretieren, als dass ich sagte, dass Musik die Haupt-Sprache ist. Ob Literatur nun wichtiger ist als Musik, das sollen andere Leute entscheiden, aber ich denke, dass Musik eine dreidimensionale Sprache ist, die alle Barrieren überwindet. Musik ist also etwas sehr Kraftvolles." Warum aber ist Ben Hamilton zum musikalischen Einzelkämpfer geworden, der seine Stücke alleine im stillen Kämmerlein mit allerlei Technik zusammenbastelt? "Ungefähr dreiviertel der Songs habe ich alleine eingespielt", räumt er ein, "ich habe ein sehr gutes Mikrophon und jede Menge Hardware zu Hause, so dass es ganz gut klingt. Drei Songs habe ich zusammen mit 'echten' Musikern eingespielt. Das ist zwar schön, aber die Plattenfirma hat gar nicht von mir verlangt, alle Stücke neu einzuspielen, wie ich das ursprünglich vorgehabt hatte. Ich hatte die Aufnahmen zunächst nur als Demos aufgefasst, aber nachdem sie ordentlich gemastered wurden, klangen sie dann doch wohl ganz gut." Bens Sprech-Stimme klingt vollkommen anders als seine Gesangsstimme. Hat er sich diese vielleicht auf der Straße angeeignet? "Genau", bestätigt er, "ich begann relativ spät zu singen. Zunächst war ich ein Gitarrist. Der Gesang kam dann aus Notwendigkeit hinzu, als ich England verlassen hatte und meinen Lebensunterhalt als Straßensänger verdienen musste. Ich habe also damals zu singen begonnen - und zwar laut und falsch. Falsch in dem Sinne, dass es nicht besonders gesund war. Mit der Zeit lernte ich dann richtig zu singen - also aus dem Bauch heraus und nicht aus dem Hals. Ich mochte aber dieses Heisere, was sich da mittlerweile eingeschlichen hatte. Wenn ich singe, dann singe ich mit viel Unterstützung aus dem Zwerchfell. Es liegt also lediglich daran, dass ich laut singen musste, dass ich so singe, wie ich es tue. Mein Gesang liegt in der Tradition einer raumgreifenden, typisch männlichen Stimme - so Richtung Pearl Jam oder so. Nicht, dass ich mich mit Eddie Vedder vergleichen möchte, aber es ist in dieser Tradition."

Woher kommen nun dann die musikalischen Einflüsse? "Also, natürlich hatten wir zu Hause viele Schallplatten. Traffic natürlich, Santana, Joe Cocker und so etwas. Nicht, dass ich das cool fand, aber ich habe es mir angehört, weil es da war. Heutzutage könnte ich nun nicht mehr sagen, dass ich dieses oder jenes direkt von Traffic übernommen hätte, aber unbewusst muss es mich schon beeinflusst haben. Und ich bin ein großer Blues-Fan, was sich auch auf meine Musik auswirkt. Das ist es im Prinzip. Ansonsten beginnt immer alles mit einer akustischen Gitarre und der Stimme, was man besser in meinen Live-Performances heraushören kann. Alles andere hat sich - auch aus der Notwendigkeit heraus - entwickelt. Ich denke, auch, dass heute die Zeit reif ist, für Songwriter, sich modern zu geben und aus dieser Joan Baez / Bob Dylan-Nische auszubrechen. Ich muss mich da direkt bei Leuten wie James Blunt oder Jack Johnson bedanken, die viel für unser Ansehen getan haben und die Türen für uns geöffnet haben. Sie singen definitiv auch von Herzen. Mag sein, dass das einige als weinerlich oder so abtun, aber es kommt von Herzen und das ist auch der Grund, warum sie so erfolgreich sind. Sie sind so natürlich, dass es fast schon unangenehm ist. Und ich bin der Meinung, wir sollten uns hin und wieder ein wenig unangenehm berührt fühlen, wenn wir Musik hören, einfach deswegen, weil wir so von dieser technischen Künstlichkeit überschwemmt werden. Es ist eine Art 'Back To Roots' Bewegung." Was ist denn ein guter Song? "Gute Frage", überlegt Ben, "für mich selbst ist es der Prozess selber. Wenn eine Melodie mit einem Rhythmus zusammengeht, dann ist das etwas, was ich mag. Dazu kommt dann die Stimme. Das gibt dann immer eine Gänsehaut. Mein Ziel beim Schreiben ist es, bei mir selber soviel Gänsehaut wie möglich zu erzeugen." Ist das der Grund, warum die Songs einfach sein müssen? "Das weiß ich nicht", zögert Ben, "für mich funktioniert es jedenfalls. Wenn ich zuviel darüber nachdenke, wie ich einen Song aufbauen muss, dann blockiere ich mich selber. Manchmal funktioniert das, aber die Stücke, die mich reizen, sind die, die einfacher sind."

Ben Hamilton
Wie passen Bens Texte hier ins Bild. Es handelt sich hier nicht um typische Stories, sondern eher um Bilder und Szenen. Über wen aber schreibt Ben Hamilton? Worum geht es z.B. in Songs wie "Durango"? "'Durango' ist so eine Art Anti-Kriegs-Song", erläutert Ben, "näher werde ich einem Protest-Song wohl nie kommen. Dieser Song ist ziemlich ausgearbeitet. Das ist eher untypisch für mich, denn ich habe normalerweise nie eine klare Vorstellung von dem, worum es in einem Song gehen soll. Es geht mir nicht darum, einfach und direkt zu sein, sondern darum, Klischees zu vermeiden. Ich überlege immer, ob man dieses oder jenes so oder so sagen kann, ohne dass es peinlich oder kitschig klingt. Mir geht es immer darum, herauszufinden, wie man etwas Einfaches ausdrücken kann, ohne dass die Leute merken, dass es einfach oder banal ist." Gibt es ein bestimmtes Thema auf der Scheibe? "Nicht wirklich", zögert Ben, "es gibt kein Konzept, sondern es geht nur darum, diesen Typen, diese Stimme und diese Songs zu präsentieren. Nur auf dem Cover habe ich versucht, diese Hommage an U-Bahn-Stationen mit einzubauen - wegen meiner Geschichte." Und diese beinhaltet wohl so einige U-Bahnstationen. Zur Zeit lebt Ben ja in Berlin. "Das ist richtig", bestätigt er, "der Grund, warum ich zunächst nach Berlin kam, war Stephan Fischer, der Produzent, der mich dazu überredete. Es dauerte zwar fünf Jahre, bis es zu einem Deal kam, aber seitdem wohne ich hier - mit Unterbrechungen, in denen ich in München und Australien lebte. Auch wenn ich keiner bestimmten Stadt den Vorzug geben möchte: Berlin liebe ich sehr, weil es dieses Metropolen-Feeling hat. Es gibt hier außerdem diesen ganzen Stammbaum von Künstlern wie David Bowie und Iggy Pop, die alle etwas von Berlin mitgenommen haben. Diese Zeiten sind zwar vorbei, es gibt aber immer noch Leute, die eine Couch irgendwo hinstellen und eine Bar aufmachen. Das sind Dinge, die du sonst kaum irgendwo siehst und man lässt es zu. Das mag sich demnächst ändern, aber momentan hat man immer noch dieses Gefühl, dass man in Berlin überleben kann ohne leiden zu müssen. Es gibt nicht so eine Konkurrenzsituation dort. Für Leute, die nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, ist Berlin ein ganz schöner Magnet." Und was ist mit der elektronischen Musik? "Nun, ich war nie ein großer Elektronik-Fan, weil ich immer das Gefühl hatte, dass sich hier Leute hinter ihren Maschinen versteckten und es immer alles ziemlich technisch war. Aber ich habe in Berlin ein paar Leute getroffen, die DJs sind und mit audiovisuellen Präsentationen arbeiten. Es ging also nicht nur um die Musik. Wolfgang Brodauf war der erste, den ich traf. Er arbeite mit analogen Sounds, die er auf eine ganz bestimmte Art kombiniert, die mir sehr gefällt. Ich bat ihn, darauf singen zu dürfen. Und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Seine Musik findest du z.B. auf meinem Song 'Funfun'. Diese Art zu arbeiten hat mir ein Gefühl davon vermittelt, wie ich meine Musik modernisieren könnte. Ich musste also meine Anti-Elektronik-Haltung aufgeben und einen Weg finden, meinen Ansatz zu verändern. Und dafür ist Berlin ein guter Ort." Wie kann das Ganze musikalisch wohl weitergehen? "Hm - momentan habe ich mal einen Deal für ein Album und einige Optionen", zögert Ben, "und es wäre schön, wenn diese Optionen zu weiteren Aufnahmen führen könnten, da ich so viel Zeug fertig habe, was darauf harrt, veröffentlicht zu werden. Ich arbeite auch an neuem Material. Momentan bin ich an dem Punkt angekommen, an dem ich immer ankommen wollte, und ich muss jetzt mal sehen, ob das alles auch funktioniert." Letzte Frage: Wie würde Ben Hamilton seine Musik selber beschreiben? "Oh - intime - äh - wie soll man sagen - intime Musik, die man mit einer Flasche Wein genießen sollte. Musik mit einer melancholischen Ader. Es gibt eine große Stimme, eine ehrliche Repräsentation dessen, was dahinter steckt. Musik vom Herzen, die nicht allzu stylish und neuzeitlich ist. Ähem - es ist aber sehr, sehr schwer, das zu beschreiben." Das stimmt - deswegen sollte sich am besten jeder selbst ein Bild von der Musik des Ben Hamilton machen...

Weitere Infos:
www.benhamilton.de
www.myspace.com/benjaminhamilton
www2.labelsmusic.de/ben-hamilton/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Ben Hamilton
Aktueller Tonträger:
Ben Hamilton
(Labels/Virgin)
 

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