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18.09.2006
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SOPHIE AUSTER

Einfach und kompliziert

Sophie Auster
Nicht einmal der Autor eines Groschenromans würden es wahrscheinlich wagen, sich eine Karriere wie die von Sophie Auster aus den Fingern zu saugen: Sophie ist die Tochter des Kultschreibers Paul Auster und der Autorin Siri Hustvedt. Zeitlebens tendierte das bildhübsche Wunderkind dann eher dahin, Sängerin zu werden, als den literarischen Vorgaben ihrer Eltern zu folgen. Da kam es natürlich zu Pass, dass ihr Vater aufgrund einer Kollaboration mit den Musikern Michael Hearst und Joshua Camp, die unter dem Projektnamen One Ring Zero in New York bereits seit einiger Zeit für Furore sorgen, gerade beste Beziehungen zur Musikantenszene aufgebaut hatte. Die Musiker waren jedenfalls von Sophies Stimme so begeistert, dass sie spontan beschlossen, ihr ein ganzes Album auf den Leib zu schneidern. Zu dem Zeitpunkt war Sophie gerade mal 16. Sie selbst und ihr Vater trugen einige Texte zusammen, ergänzten diese mit bearbeiteten Auszügen der Gedichte von Sophies Lieblings-Poeten - und voila: Fertig war Sophies Debütalbum. So weit, so gut: Über so etwas könnten aufrichtige Musiker, die sich jahrelang in muffigen Proberäumen und stickigen Clubs ihre Seele aus dem Leib spielen, bevor sie auch nur die Chance bekommen, ein Studio betreten zu dürfen (ganz zu schweigen von einem Plattendeal) ja zunächst mal müde lächeln. Wenn denn Sophies Album nicht künstlerisch so dermaßen überzeugend, einzigartig und authentisch ausgefallen wäre, dass es beinahe über der Kritik stünde.

Das Motto "besser jung und schön und reich als alt und hässlich und arm" steht hier jedenfalls deutlich im Schatten des künstlerischen Gesamteindrucks, den Sophies Werk hinterlässt. Doch lassen wir Sophie mal selbst erzählen, wie sie die Geschichte sieht. "Ach ich habe eigentlich mein ganzes Leben lang schon gesungen", meint Sophie - auch wenn das im Alter von nunmehr 18 Jahren noch gar nicht so lange sein kann, "mir war seit ungefähr dem Alter von acht Jahren klar, dass ich irgendwann einmal etwas aufnehmen würde, ein Album einspielen und Sängerin werden würde." Hierzu muss man noch wissen, dass Sophie als Kind bereits in einem der Filme ihres Vaters, "Lulu On The Bridge" - mit Mira Sorvino und Harvey Keitel - mitspielte, also durchaus bereits wusste, welche Möglichkeiten ihr im Showbusiness offen zu stehen hätten. Zwar schrieb Sophie auf dieser ersten CD noch nicht alles selber, die Texte aber, die sie selber verfasste, gehören zu den faszinierendsten. Intuitiv scheint Sophie die richtigen Worte für Songtexte gefunden zu haben, die darüber hinaus auch bereits einen durchaus eigenen Stil erkennen lassen: Fernab vom klassischen Storytelling arbeitet Sophie mit Bildern und Stimmungen, die sie auf eben poetische Art zu eigenständigen Wortgeflechten verwebt, die One Ring Zero dann behutsam in entsprechende musikalische Gebilde bettete. Woher kommen denn die Inspirationen hierfür? "Nun, ich habe eine Menge Gedichte gelesen, als ich jünger war", erklärt Sophie, "darunter waren auch die französischen Dichter, deren Texte nun auf der Scheibe zu finden sind. Ich kenne eine Menge Autoren - Emily Dickinson, Ann Williams usw. Ich denke schon, dass mich diese doch ziemlich beeinflusst haben. Außerdem lasse ich mich gerne von meinen Träumen beeinflussen. Die hier verwendeten Texte sind phantasiemäßige Traumgebilde." Wie kamen dann die Texte zur Musik, die ja von Joshua Camp und Michael Hearst geschrieben wurde - und übrigens so gut wie jeden Stil abdeckt und bedenkt, den man sich als Songwriter nur vorstellen kann. "Ehrlich gesagt, haben wir mit den Texten angefangen", gesteht Sophie, "wir haben dann den Musikern die Texte gegeben und gesehen, was sie dazu zu sagen hatten. Es war dann ein hin und her zwischen Texten und Musik. Ein Ausprobieren und Anpassen von Musik-Teilen und Textzeilen - bis alles passte. Wir haben dann diskutiert, ob dies und jenes den Bedeutungen der Wörter gerecht würde oder nicht. Es war ein kollaborativer Prozess und ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis."

Die Musik ist dabei ziemlich eklektisch in ihrer Ausrichtung und beinhaltet vielerlei musikalische Referenzen. Es ehrt Sophie natürlich, diesen Weg mitgegangen zu sein, warum aber entschied man sich für diese Vorgehensweise? "Wir wollten etwas erzeugen, das sich nicht so gewöhnlich anhört", führt Sophie aus, "ob die Leute nun diese Scheibe mögen oder nicht, was ich zu Gunsten diese Scheibe sagen kann, ist, dass sie sich nicht anhört, wie sonst irgendetwas, was heutzutage zu hören ist." Wieso aber diese Hingezogenheit zu traditionellen Musikformen? Viele der Stücke basieren auf Jazz, Chansons oder Folk. "Nun, Dinge, die bestehen, sind immer diejenigen Sachen, die zeitlos und klassisch sind. Mir geht es aber eigentlich gar nicht so sehr darum, diese Dinge bewusst auszusuchen, sondern es sind einfach die Sachen, die ich selber wirklich mag. Ich liebe klassische Musik, ich liebe Jazz. Ältere Musik, das ist einfach mein persönlicher Geschmack." Gab es denn vor den Aufnahmen ein Konzept? "Für mich war es relativ einfach", lacht Sophie, "ich ging einfach ins Studio und sang meine Sachen. Es passierte alles vor Ort. Es ging darum, die Stimmung und das Gefühl und die Bedeutung der Wörter einzufangen. Für mich war das ein ziemlich natürlicher Prozess. Natürlich gibt es Vorbilder für mich, wie z.B. Edith Piaf, Billie Holiday, Peggy Lee sind Leute, die ich mag - oder aus der heutigen Zeit Tom Waits oder Fiona Apple. Und natürlich beeinflussen mich diese Vorbilder - aber genau so versucht man auch seinen eigenen Weg zu gehen. Man muss einen Weg finden, nicht zu sehr nach jemandem anderen zu klingen, die Vorbilder aber dennoch im Herzen zu behalten. Und ich selbst habe seit dem Alter von acht Jahren Gesangsunterricht genommen." Was ist denn für Sophie ein guter Song? "Ich brauche etwas, was mich berührt oder bewegt", überlegt Sophie, "und ich schätze Wörter außerhalb des Gewöhnlichen. Oder auf der anderen Seite so einfache wie möglich. 'I've Dreamed Of You So Much' hat z.B. einen sehr einfachen Text, der aber auch sehr schön ist. Oder 'I Want You' von Tom Waits ist auch ein Beispiel in dieser Richtung. Es ist also ganz simpel: Musik kann ganz einfach oder ganz kompliziert sein, und beides funktioniert."

Was betrachtet Sophie als Herausforderung? "Es ist natürlich immer eine Herausforderung mit etwas zufrieden zu sein, was man selbst geschrieben hat", überlegt sie, "ich schreibe immer dann am besten, wenn ich gar nicht großartig darüber nachdenke, sondern es einfach aus mir heraussprudeln lasse. Ich setze mich nicht hin und erzwinge Dinge, wenn ich nicht inspiriert bin - das funktioniert nicht." Und wenn man jetzt die Musik in Betracht zieht? "Ich habe für gewöhnlich einen Sinn für die Stimmung oder die Atmosphäre, die Worte erzeugen. Es ist aber sehr interessant, wenn man dann die Texte den Musikern übergibt, denn die haben oft Ideen, die man selber gar nicht gehabt hätte. Es wäre natürlich toll, wenn ich selber Musik schreiben könnte, aber momentan möchte ich diese Herausforderung nicht annehmen, denn ich möchte langsam beginnen und ich spiele kein Instrument. Ich müsste also zuerst mal Stunden nehmen. Eines Tages werde ich vielleicht auch mal Musik schreiben, aber momentan belassen wir es so, wie es ist." Sophie arbeitet ja auch als Schauspielerin. Wie vereinbart sich das mit der Rolle als Musikerin? "Ja, das stimmt, ich hatte gerade eine Rolle im neuen Film meines Vaters übernommen, 'The Secret Life Of Martin Frost', der wohl im nächsten Jahr fertig werden wird. Im Oktober habe ich eine größere Rolle in einem französischen Film des Regisseurs Raoul Ruiz, 'Le Sens De La Nuit'. Die Schauspielerei ist immer schon ein großer Teil meines Lebens gewesen. Die CD ist nur zuerst herausgekommen. Ich hoffe, dass ich beides miteinander vereinbaren kann. Ich studiere momentan immer noch Musik und Theater. Beide Kunstformen sind zwar verschieden, haben aber Aspekte, die man für beide nutzen kann. Beispielsweise habe ich, wenn ich auftrete, auf eine Weise eine ganz gute Bühnenpräsenz, weil ich die Songs quasi performen kann wie eine Schauspielrolle, und auf diese Weise meinen Spaß damit habe." Hm - widerspricht das nicht ein wenig der Tatsache, dass Sophie keine linearen, Story-orientierten Songs schreibt? "Ich weiß nicht, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich denke, es ist am besten, die Musik zu fühlen und was immer passiert, passiert. Es ist ähnlich wie mit den Texten. Es ist eine unterbewusste Sache. Manchmal kann man Dinge, die man tut, nicht erklären, weil man eh nicht weiß, warum man dies oder jenes tut. Ich versuche, jedenfalls, das nicht besonders zu analysieren."

Sophie Auster
Was macht denn am meisten Spaß und was ist am Schwierigsten? "Am meisten Spaß macht es, aufzutreten", erklärt Sophie, "und was auch schön ist, ist es, Leute zu treffen, die mögen, was du getan hast. Das berührt mich immer sehr, weil man schließlich etwas macht, was einem selber am Herzen liegt. Wenn das andere dann respektieren, ist das ein schönes Gefühl. Was nicht so schön ist, ist das dauernde Herumreisen, das ist nämlich sehr ermüdend. Und außerdem ist man dauernd von zu Hause weg." In der Woche, in der Sophie die Interviews gab, reiste sie von Los Angeles nach New York, von dort aus nach Berlin und dann weiter nach London - und das ist ja nur der Anfang, denn es folgen dann ja die Dreharbeiten zu dem o.a. Film und dann eine Tour mit der Scheibe. Worauf legt Sophie beim Live Spielen eigentlich besonderen Wert? "Ich bin mit Mike und Josh von One Ring Zero aufgetreten und wir haben dann Musiker aus anderen Ländern als Rhythmus-Gruppe hinzugeholt. Worauf ich besonderen Wert lege? Wich weiß nicht, ich denke es geht darum, dass sich die Leute wohlfühlen. Die Songs hören sich dabei durchaus ziemlich so an, wie auf der Platte. Manchmal spielt man ein Stück etwas schneller - wie z.B. 'The Door' - das ist es dann aber auch schon. Es soll auch wie auf der CD klingen, da wir die Sachen ja bewusst ziemlich rau und unproduziert haben klingen lassen." Man sieht also: Sophie Auster macht sich durchaus Gedanken über das, was sie tut, hat einen sicheren künstlerischen Instinkt, ist dabei nicht überheblich, hat einen soliden Background und eine eigene Vision. Auch wenn die Umstände für sie recht glücklich sind und waren (wofür sie ja schließlich nichts kann), wird mit der Künstlerin Sophie Auster in Zukunft verstärkt zu rechnen sein.

Weitere Infos:
www.sophieauster.com
www.myspace.com/34806819
www.indigo.de/unser_programm/titel/82895/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Sophie Auster
Aktueller Tonträger:
Sophie Auster
(Naive/Indigo)
 

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