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15.02.2008
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LOU RHODES

Blüht auf

Lou Rhodes
Als das Projekt Lamb vor einigen Jahren in die Brüche ging, nutzte Frontfrau Lou Rhodes die Gelegenheit, auch ihr Leben neu zu organisieren. Nach dem obligatorischen neuen Haarschnitt folgte der Umzug aufs Land - in eine Kommune - und auch musikalisch orientierte sich Lou neu. Ihr Solo-Debüt "Beloved One" enthielt kaum noch elektronische Komponenten und auch das neue Werk, "Bloom", setzt diesen Weg konsequent fort. Fast, so scheint es, sucht Lou Rhodes nach einer Möglichkeit, Folk und moderne Rhythmen in Einklang zu bringen.

Wie wichtig ist die Atmosphäre bei diesem Prozess und welchen Input hat Produzent Emre Ramazanoglu dabei? "Die Songs entstehen dann, wenn sie fertig sind", verrät Lou, "das ist kein bewusster Prozess, sondern einer der vom Herzen kommt. Natürlich ist dabei aber die Atmosphäre wichtig, um dieses Kribbeln zu erzeugen, das mich wissen lässt, ob etwas funktioniert. Auch die Arrangements sind wichtig - aber sie sollten den grundsätzlichen Vibes, die ausdrücken, was passiert, nicht im Wege stehen, Emres Input dabei ist, die Songs im Studio zu interpretieren. Er hat ein scharfes Ohr und bringt eine Menge Subtilität mit. Und er kennt sich mit der Technik aus - wo man ein Mikro platziert, wie man Raumklang ausnutzt und so weiter." Warum heißt das Album "Bloom"? Ist das eine Metapher? "Ich dachte einfach, dass 'Bloom' ein guter Name für ein Album sei. Ich mag es, hier einfach meinem Gefühl zu folgen, anstatt das Ganze zu analysieren. Das Artwork entsteht ähnlich. Die Gemälde im Booklet stammen von einem engen Freund von mir, der die Emotionen, die ich mit meinen Songs vermitteln möchte, perfekt interpretiert, wie ich meine." Im Booklet sind ein paar Textzeilen abgedruckt - aber in einer nicht lesbaren Schrift. Die Texte kann man dann auf Lous Homepage einsehen. Was ist der Grund für diese Vorgehensweise? "Ich habe immer gemischte Gefühle, wenn es darum, geht, Texte im Artwork einzubeziehen", gesteht Lou, "zum einen müsste man dann Seiten auf Seiten dafür verwenden, auf die man ansonsten doch auch schöne Bilder abdrucken könnte. Und des Weiteren habe ich das Gefühl. dass das Lesen von Texten auf Papier sich ein wenig zu weit von der wirklichen Bedeutung oder Interpretation entzieht. Die unleserlichen Texte, wie du sie nennst, sind einfach dabei einfach nur ein Teil des Artworks."

Viele der Bilder, die Lou in ihren Texten verwendet, stammen aus der Natur - unter anderem jenes, der aktuellen Single "Rain". Ist das die Haupt-Inspirationsquelle für Lou? "Ja, die Natur ist immer eine Quelle der Inspiration für mich", erklärt sie, "meistens kommt die Inspiration jedoch einfach aus meinem Herzen. Ich denke auch, dass es nicht möglich ist, das Leben als solches ohne spirituelle Kraft zu erleben. In diesem Sinne spiegelt meine Arbeit das natürlich auch wider." Was ist für Lou Rhodes der Unterschied, als Solo-Künstlerin ohne Bandgefüge zu arbeiten? Zwar schrieb sie ja auch bei Lamb schon eigene Texte - da gab es aber doch gewiss mehr Kompromisse einzugehen, oder? "Ja, gewiss. Solo zu arbeiten ist eine wundervolle Sache", schwärmt Lou, "es vermittelt mir ein Gefühl künstlerischer Freiheit, das ich bislang noch nicht kannte. Jeder Atemzug ist mein eigener - sozusagen. Es ist dabei aber gut und wichtig, auch einen kreativen Input von anderen zu haben, der auch ehrliche Kritik beinhaltet - sonst wird die Sache nämlich zu schnell selbstverliebt." Warum erscheinen Lous Songs meistens so melancholisch? "Der Begriff 'Melancholie' wird ziemlich oft in Verbindung mit moderner Musik verwendet", überlegt Lou, "speziell seit Massive Attack, Portishead und so. Ich denke, wir leben in einer Welt, die sich so auf eine oberflächliche, triviale Art des Glücklich-Seins versteift hat, dass jede Kunstform, die dem nicht genau entspricht, gleich als melancholisch bezeichnet wird. Ich sehe das Ganze eher so, als dass ich lieber ein wenig tiefer grabe - sowohl in Freude, wie als auch in Kummer."

Lou Rhodes
Was sind die auslösenden Momente beim Songwriting und was muss ein guter Song haben, um ein solcher zu sein? "Liebe, Freude, Sorge, Düsternis und Leid", antwortet Lou, "ein guter Song muss Herz haben und mich auf irgendeine Art bewegen. Die größte Herausforderung für mich als Songwriterin ist dabei, aufrichtige, ehrliche Gefühle zu vermitteln und dabei offensichtliche Klischees zu vermeiden. Wenn das gelingt, dann ist es gleichzeitig auch die größte Erfüllung." Wie sieht sich Lou Rhodes als Sängerin? Immerhin hat sie eine sehr ungewöhnliche, einprägsame Stimme. "Meine Stimme ist wie auch mein Gesicht und meine Glieder ein Teil von mir. Sie hat sich verändert und ist gewachsen, wie ich selber auch. Ich sehe mich weniger als Sängerin (jedenfalls nicht in der professionellen Ausprägung des Wortes), sondern als Kommunikator meiner Songs. Ich hatte wohl einiges an Stimmausbildung im Laufe der Jahre. Es ist wichtig, die grundlegenden Techniken zu kennen, um seine Stimme schützen zu können und sie gut einsetzen zu können. Eine Stimme ist ein zerbrechliches Instrument. Davon einmal abgesehen, werde ich es nicht zulassen, dass die Technik mit dem, was ich transportiere, im Widerspruch steht. Es ist wichtig, dass die eigene Stimme nur dir gehört - und nicht zu einem Schmelzkessel von anderer Leute Stilistiken und Techniken wird." Wie behandelt Lou Rhodes das Thema Melodie? Immerhin scheinen ihre Songs nicht ausschließlich auf Melodien im klassischen Sinne zu basieren. "Die Melodie ist schon wichtig als zentraler Bestandteil des Songs", führt sie aus, "ich bin aber nicht sicher, ob ich eine bestimmte Art habe, die Melodie zu behandeln oder wahrzunehmen. Das kann ich nicht intellektualisieren. Es passiert einfach zusammen mit den Texten und ich hoffe, dass es beim Zuhörer auch irgendwie ankommt. Oft ist es auch so, dass eine Portion Zufall da mit hereinspielt. Der wichtigste Aspekt beim Songwriting ist der, es einfach passieren zu lassen." Wie wird Lou Rhodes das neue Material live präsentieren? "Auf der anstehenden Tour werde ich komplett solo auftreten - nur ich und meine Gitarre, In diesem Sinne wird das eine sehr intime Performance werden, indem ich die Songs so bloß lege, wie sie geschrieben wurden." Mit "Bloom" ist Lou Rhodes ein großer Wurf gelungen - einfach deswegen, weil hier all das, was sie bislang erreichte, besonders ausgewogen und ausbalanciert im Einklang steht. "Bloom" ist ein Album, das zugleich nach vorne blickt, das Vergangene in Betracht zieht und im Hier und Jetzt verankert ist. Universeller kann man seine Arbeit als Songwriterin eigentlich nicht ausleben.

Weitere Infos:
www.myspace.com/lourhodes
www.infinitebloom.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Lou Rhodes
Aktueller Tonträger:
Bloom
(A&G/Rough Trade)
 

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