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14.11.2008
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CHRIS ECKMAN

Gleichgesinnte im Dunkeln

Chris Eckman
Dass Chris Eckman der Frontmann der Walkabouts und darüber hinaus die eine Hälfte des Duos Chris & Carla ist, dürfte ja hinlänglich bekannt sein. Auch seine Arbeiten als Produzent - etwa für Terry Lee Hale oder Steve Wynn - und seine Gast-Auftritte etwa als Gitarrist bei der Willard Grant Conspiracy haben sich in Fankreisen mittlerweile herumgesprochen. In seiner Heimat, Slovenien, hat er sich darüberhinaus aber auch noch einen Ruf als gesuchter Filmkomponist erworben. So arbeitet er regelmäßig für das slovenische Fernsehen (z.B. 2006 für die Serie "Novi Svet"), produziert und unterstützt auch lokale Künstler - auch aus dem benachbarten östlichen Ausland. All das fügt sich auf Chris Eckmans neuem Solo-Album "The Last Side Of The Mountain" zusammen.

Das Album wurde - mit Unterstützung des slowenischen Kulturministeriums - im heimatlichen Ljubljana mit slovenischen Musikern eingespielt und basiert auf Gedichten des slowenischen Poeten Dane Zajc, die Chris behutsam (und mit Hilfe mehrerer verschiedener Übersetzungen) in Songtexte umfunktionierte, zu denen er dann die Musik verfasste. Dennoch klingt das neue Material gar nicht mal so unterschiedlich zu dem, was Chris Eckmann alleine machen würde. Was einen ganz einfachen Grund hat, wie uns Chris erklärt: "Den Gedanken an das Projekt hatte ich schon zu Lebzeiten von Dane. Ich bin durch einen Freund auf den Poeten Dane Zajc aufmerksam geworden, der mir dessen Gedichtsammlung 'Barren Harvest' gab - mit der Bemerkung, das müsse mir eigentlich gefallen. Und das stimmte, denn das was Dane in seinen Gedichten ausdrückt, ist gar nicht so fern von dem, was ich selber schreibe." Das klingt alles sehr schlüssig und logisch - warum hat es dann so lange gedauert, dieses Album auf die Beine zu stellen? "Ich habe sehr lange an dem Album gearbeitet", erzählt Chris, "den Gedanken an das Projekt hatte ich bereits zu Lebzeiten von Dane - und ich hatte auch sein okay dafür bekommen. Als er aber 2006 starb, war ich nicht mehr so sicher, ob ich das Ganze durchziehen sollte und musste von meinen Freunden fast dazu gedrängt werden. Also begann ich zunächst im Kleinen. Ursprünglich wollte ich es nur für mich machen und es sollte nur in Slovenien erscheinen - das Kulturministerium gab mir ein wenig Geld dafür und ich arbeitete zunächst für mich alleine und verwandte dann sehr viel Zeit darauf, den Songs ihr Gesicht zu verleihen." Chris ließ einige der Gedichte neu übersetzen - warum denn das? "Nun, ich wollte mir sicher gehen, den Geist der Gedichte richtig wiederzugeben. Da war ich mir bei einigen Übersetzungen nicht so ganz sicher, denn sie klangen nicht so gut. Am Ende waren die Versionen dann aber doch nicht so unterschiedlich - aber ich hatte die Möglichkeit, zu vergleichen - was mir wichtig war." Stücke wie die, die auf "Last Side" auftauchen, hätten vor ein paar Jahren durchaus auch auf einer Walkabouts-Scheibe Platz gefunden. "Das mag sein", räumt Chris ein, "dieses Projekt war mir allerdings zu persönlich, um es als Band-Album anzugehen. Das wollte ich lieber als Solo-Projekt behandeln. Aber ein neues Walkabouts-Album ist für das Frühjahr des kommenden Jahres geplant. Ich fliege demnächst nach Seattle, um mit den Arbeiten zu beginnen. Paul Austin gehört jetzt fest zur Band und ich möchte das nächste Album mehr als Band-Projekt angehen. Auch das ein Grund, warum die aktuelle CD ein Solo-Album werden sollte."

Außer Steve Wynn gibt es nur noch einen Gast auf Chris Album - die polnische Sängerin Anita Lipnicka, mit der Chris das Duett "Who Will Light Your Path" singt. "Ja, genau - Anita ist in Polen ein Superstar. Sie verkauft dort hunderttausende von Alben", berichtet Chris, "sie hatte sich aber bereits aus dem Geschäft zurückgezogen und erst jetzt, für dieses Projekt, ist sie aus dem Exil zurückgekehrt." Wie sieht sich Chris denn heutzutage als Musiker - etwa als Gitarrist? Auf dem neuen Album hält er sich diesbezüglich ziemlich zurück. "Das mag ich, weil weniger mehr ist", erklärt er, "ich betrachte mich aber gar nicht als Gitarristen. Für mich ist der Gitarrensound nur eine unter vielen Klangfarben. Ich habe das Gitarre-Spielen nur erlernt, um meine Songs ausdrücken zu können - als Notwendigkeit. Alles das, was sich danach ergeben hat und was ich heute mache - zum Beispiel bei Steve Wynns 'Dragon Bridge Orchestra' als Gitarrist mitzuspielen, sind glückliche Umstände." Das gilt aber doch nicht für seine Arbeit als Arrangeur, oder? "Das ist etwas anderes", erklärt Chris, "ich konnte bis zum Alter von 40 Jahren ja nicht mal Noten lesen. Die Streicherparts bei früheren Alben haben immer andere für uns gemacht. Irgendwann habe ich mir gesagt, dass ich das doch eigentlich selber machen könnte und mir das Schreiben von Partituren dann beigebracht. Eine klassische Ausbildung habe ich aber nicht. Mein Interesse an Streicher-Partituren beruht daher auch nicht auf der Klassik, sondern auf Pop-Musik. Erst zuletzt habe ich damit begonnen, mich mit klassischer Musik zu beschäftigen. Es hat natürlich viel mit meiner Arbeit als Filmkomponist zu tun." Ist die Arbeit mit vorhandenen Texten nicht ähnlich wie die eines Filmkomponisten? "Das ist eine interessante Frage, über die ich bislang noch nicht nachgedacht habe", überlegt Chris, ich würde aber sagen, dass an dieser Theorie etwas dran ist. Es ist zwar nicht das selbe, aber ähnlich. Solange man sich mit dem Material identifizieren kann, macht das aber nichts. Deswegen macht es mir auch nichts aus, die Worte von Dane zu singen - denn sie sind meiner Gedankenwelt, wie gesagt, sehr ähnlich." Und was hat Chris als Produzent an der neuen Scheibe gereizt? "Das allgemeine Klangbild - zum Beispiel Ziga Golobs Kontrabass, den ich schon öfter einsetzte, die Instrumental-Parts in der Art meiner Soundtrack-Musik und der Gesang - wobei ich hier einige Dinge versuchte, die ich so noch nicht gemacht hatte." Wie zum Beispiel auf dem psychedelischen Rockabilly-Track "Stranger". Gibt es für Chris Eckman noch musikalische Träume - etwas, das er gerne ein Mal machen würde? "Ich schätze schon", überlegt er, "das ist aber so, dass ich die Sachen lieber auf mich zulassen komme. So freue ich mich z.B. darauf, ein weiteres Dirt Music-Album einzuspielen. Wir haben uns überlegt, dafür nach Afrika zu fahren, weil das eine ganz neue Dimension hat." Auf dem neuen Album gibt es ja auch Spuren von Blues-Musik - zumindest in Bezug auf einige Gitarrenparts. "Du wirst lachen", meint Chris, "ich habe auch schon mal darüber nachgedacht, ein Blues-Album zu machen - und zwar nachdem ich mich mit einigen afrikanischen Musikern beschäftigt habe, und die Parallelen zum Blues entdeckte." Nun ist das aber so, dass Chris Eckman immer viele Pläne dieser Art hat, von denen - aus Zeitmangel - nicht immer alle verwirklicht werden können. Deswegen sollten auch die Fans besser mal alles auf sich zukommen lassen. Mit "The Last Side Of The Mountain" hat Chris Eckman jedenfalls ein Album vorgelegt, das für ihn Neuland bedeutete, auf dem er sich aber dennoch als Musiker durchaus treu geblieben ist. Wenn man das so sagen kann - nachdem Dane Zajc ja nun schon verstorben ist - haben sich hier zwei verwandte Seelen getroffen.

Weitere Infos:
www.myspace.com/chriseckmanmusic
www.thewalkabouts.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Chris Eckman
Aktueller Tonträger:
The Last Side Of The Mountain
(Glitterhouse/Indigo)
 

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