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17.02.2009
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PHILLIP BOA AND THE VOODOOCLUB

Alte Helden, neue Wege

Phillip Boa And The Voodooclub
Die Worte "Breitwandsound" und "Voodooclub" mögen für viele bisher nicht unbedingt Synonyme gewesen sein, doch auf seinem nun erscheinenden 16. Album "Diamonds Fall" geht Phillip Boa, mit Schlagzeug-Legende Jaki Liebezeit an seiner Seite, neue Wege - weg vom Sound des an dieser Stelle zur "Platte der Woche" gekürten, bezeichnenderweise "Faking To Blend In" betitelten Vorgängers, zurück zu mehr Individualität, zu mehr Eigensinn im positiven Sinne. Schließlich zeichnet genau das den Voodooclub seit inzwischen weit mehr als zwei Jahrzehnten aus.

Die ursprünglich geplante Pause - "Eigentlich wollte ich erst 2009 anfangen, wieder ernsthaft an einem neuen Album zu arbeiten", verriet uns Boa - ließ er kurzerhand ausfallen, denn die Songs, die er und sein langjähriger musikalischer Partner David Vella "hobbymäßig" letztes Jahr auf Malta geschrieben hatten, waren so gut, dass Boa sie unbedingt sofort veröffentlichen wollte. Von Altersmüdigkeit, die viele andere Künstler Mitte 40 zu ausgiebigen Auszeiten zwischen zwei Alben verleiten, ist bei dem Chef des Voodooclubs offenbar nichts zu spüren. "Ich denke, das hat gar nichts mit dem Alter zu tun. Das hat mit deiner Einstellung zu deiner Arbeit zu tun. Wenn man 16 Alben macht, kann es durchaus sein, dass da einige dabei sind, die - rein subjektiv im Empfinden des Hörers - nicht so gut sind. Ein Künstler sollte machen, was er will, und wenn die Marktgesetze sagen, dass man nur alle drei Jahre eine neue Platte machen sollte, ist das meiner Meinung nach komplett 80er- und 90er-Jahre-Denken wie alles andere, was in den Köpfen der Leute bei den großen Plattenfirmen herumschwirrt, auch."

Zwar war auch dieses Mal wieder Tobias Siebert - der Boa bereits beim Vorgänger zu Höchstleistungen animierte - als Produzent der Platte mit an Bord, dennoch spielte der Mann hinter Delbo und Klez.e nun eine eher untergeordnete Rolle. "Tobi hat dieses Mal weniger gespielt. Er hatte das Gefühl, dass er beim letzten Mal mehr machen musste. Dieses Mal hat er viel mehr von unseren Ideen übernommen. Genau das zeichnet natürlich einen guten Produzenten aus, dass er erkennt, was bereits gut ist. Es gibt ein Lied, 'The Ballad Of Pia And Toett', bei dem er sagte, er könne dabei nicht Producer sein, denn er könne dazu nichts weiter beitragen. Das macht die Größe eines Produzenten aus. Das war früher bei Tony Visconti nicht anders. Er hat uns auch nur da geholfen, wo noch etwas fehlte."

Den wichtigsten Part bei der Produktion von "Diamonds Fall" übernahm ohne Frage Schlagzeug-Legende Jaki Liebezeit, der den Songs des Albums mit seinem betont anderen Verständnis für oft schleppend erscheinende Beats seinen Stempel aufdrückte. "Ich habe versucht, mich von den Standards zu lösen und mir eine andere Welt zu schaffen. Die Kompositionen sind gar nicht so anders, das ist halt mein Stil, aber die Welt, in der sie erscheinen - du hast eben 'Breitwand' gesagt - lässt ihnen viel mehr Platz und gibt ihnen ein anderes Kleid. Der Drummer sagt, westliche Musik hat nichts mehr zu sagen, weil sich alles wiederholt. Da hab ich ihm gesagt: 'Jaki, du hast im Prinzip recht, aber es sind ja Songs, ich erzähle ja Geschichten und versuche, eine Atmosphäre für diese Geschichten im Sinne von kleinen Soundtracks zu bilden.' Das hat er akzeptiert und hatte dann sofort eine Idee für den ersten Song, 'Valerian' hieß er, und sagte: 'Das ist das, was da drauf muss'. Wir waren erst einmal schockiert, aber dann kamen zufällig ein, zwei Leute rein und sagten: 'Wow, ist das geil!'. Wir hatten das zuerst gar nicht gemerkt, weil wir völlig auf den Beat konditioniert waren, den schon 'This Is Michael' hatte und den heute jede zweite Band spielt. Ich bin auch froh, dass ich den Beat früher benutzt habe, aber ich musste ihn jetzt nicht noch einmal haben. Man kann auch anders grooven."

So sehr Boa selbst davon überzeugt ist, mit "Diamonds Fall" den richtigen Schritt getan zu haben - wie seine Fans die Platte aufnehmen werden, weiß er nicht. "Ich bin etwas unsicher mit dem Album, weil es halt ein bisschen anders ist, wenn man's oberflächlich betrachtet", gesteht er. "Mich würde es sehr glücklich machen, wenn die Leute es positiv annehmen würden. Ich bin wirklich auf die Reaktionen gespannt."

Weitere Infos:
www.phillipboa.de
de.wikipedia.org/wiki/Phillip_Boa
www.phillipboa.com
www.myspace.com/phillipboaandthevoodooclub
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Bart E. Streefkerk-
Phillip Boa And The Voodooclub
Aktueller Tonträger:
Diamonds Fall
(Constrictor/Rough Trade)
 

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