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27.02.2009
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THE PRODIGY

Kein Malen nach Zahlen

The Prodigy
"In The Prodigy zu sein fühlt sich jetzt viel besser an, denn die Band hat nun wieder zwei Mitglieder mehr!", erklärt Liam Howlett gleich zu Beginn des Interviews mit Gaesteliste.de den Hauptunterschied zwischen den praktisch von ihm im Alleingang eingespielten 2004er Album "Always Outnumbered Never Outgunned" und dem wieder mit seinen alten Mitstreitern Maxim Reality und Keith Flint entstandenen neuen Werk "Invaders Must Die", das dieser Tage in die Läden kommt und von den früheren Helden der britischen Rave-Bewegung bereits Anfang März auch live in drei deutschen Städten präsentiert wird.

"The Prodigy sind meiner Meinung nach eine ziemlich schizophrene Band, denn die Leute mögen uns aus vielen verschiedenen Gründen", glaubt Liam. Das ist unbestritten, dennoch fällt den meisten beim Stichwort The Prodigy vor allem das Meilenstein-Album "Fat Of The Land" von 1997 ein, an dessen Sound zwischen Electro, Hip-Hop, Punk und Rock nun auch das neue Werk wieder stärker erinnert. Ausgangspunkt für den neuerlichen Energieschub bei den Briten war nicht zuletzt die Veröffentlichung des Best-of-Albums "Their Law" Ende 2005 - und das, obwohl Liam zunächst sehr skeptisch war. "Singles-Alben haftet ja ein gewisses Stigma an, weshalb viele Bands ein wenig Angst vor ihnen haben. Obwohl uns XL Recordings nicht gesagt haben 'Wir sind fertig mit euch, macht's gut!', haben wohl die meisten Bands das Gefühl, dass das Ende von etwas erreicht ist, wenn die Idee eines solchen Albums aufkommt."

Die Realität sah anders aus. Besonders die der Compilation folgende Tournee wirkte stimulierend und rief den Musikern ihre alten Stärken als energiegeladene Liveband wieder in Erinnerung, wie Maxim erklärt: "Für die Singles-Tour haben wir einige alte Tracks überarbeitet und ihnen so neues Leben eingehaucht. Außerdem stellten wir fest, dass wir neue Fans hinzugewonnen hatten, die für eine völlig andere Atmosphäre sorgten. Die Singles-Tour brachte etwas ganz Großes ins Rollen."

Bei den Aufnahmen zu "Invaders Must Die" knüpfte die Band des Öfteren an frühere Großtaten an - und geht damit im Interview sehr offensiv um. "Wenn eine Band wie wir aus einer bestimmten Szene kommt, mehr noch, wenn sie die Wurzeln dieser Szene darstellt, dann hat sie das Recht, ihren Sound beizubehalten", sagt Keith selbstbewusst. "Ich möchte nicht für Liam oder Maxim sprechen, aber irgendwann erreichten wir bei den Aufnahmen einen Punkt, an dem mir klar wurde, dass wir nicht versuchen müssen, dies zu vermeiden oder jenes nicht zu wiederholen. Wir wissen sehr genau, wo wir herkommen und worum es uns geht, und wir haben jedes Recht, genau das auch auszubeuten."

Deshalb darf man sich bei nicht wenigen Tracks des neuen Albums an die "Fat Of The Land"-Ära erinnert fühlen, denn das neue Album klingt ohne Frage mehr nach The Prodigy als der Vorgänger. Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass auf "Always Outnumbered Never Outgunned" Maxim und Keith als Vokalisten gar nicht mitwirkten. "Ich denke, dass die Vocals beim neuen Album eine sehr wichtige Rolle spielen", bestätigt Liam. "Das letzte Album steht ein wenig in dem Ruf, sich stärker auf die Beats zu konzentrieren. Letztlich ist es eher ein DJ-Album, das ein wenig in der Tradition der ersten Platte steht. Das neue Album dagegen sollte ja ein echtes Bandwerk werden, eines, das wir wie 'Fat Of The Land' auch komplett live spielen könnten, wenn wir wollten. Deshalb war letztlich auch kein Platz für irgendwelche Gastvokalisten auf der Platte."

Doch auch ohne bekannte Größen, die sich im Studio die Klinke in die Hand geben, gab es während der Aufnahmen Momente, an die die Band noch lange zurückdenken wird. "Wir haben viel Zeit damit verbracht, die Plattensammlungen von Freunden zu durchwühlen", erinnert sich Keith. "Als wir 'Warrior's Dance' aufnahmen, hörten wir zum Beispiel viele der alten Tracks, die uns damals inspiriert hatten. Es ging sogar so weit, dass wir uns eine Kiste alter Platten griffen und sagten: 'Riech mal dran, erinnert dich das nicht an...?' Natürlich war das nicht zentral für das Entstehen des neuen Albums, aber es sind genau diese Dinge, die aus einer Session mehr machen als nur einfach 'Malen nach Zahlen' in einer schalldichten Kabine. Das sind die Dinge, die mir von den Aufnahmen zu dieser Platte in Erinnerung bleiben werden."

Erinnern werden sich die drei Musiker vielleicht auch an die Probleme, die ihnen das Mastering der Platte bereitete. "Wir sind für das Mastering extra nach Amerika geflogen", berichtet Liam. "Wir dachten, es in New York machen zu lassen, wäre echter Rock 'n' Roll. Leider war das Ergebnis überhaupt nicht gut. Ich glaube, das ist eine Mentalitätssache, die Amerikaner haben eine Vorliebe dafür, die Aufnahmen so weit hochzuziehen, dass die Verzerrung einsetzt. Es klang einfach schrecklich!" - "Liam gab mir die ursprüngliche Fassung des Masters auf einem Stick und ich dachte, er hätte mir die falsche Version in die Hand gedrückt", erinnert sich Keith lachend, bevor Maxim abschließend noch einmal zusammenfasst, was The Prodigy wirklich wichtig ist: "Einige Leute glauben wirklich, es ginge nur um maximale Lautstärke, dabei geht es uns viel mehr um die Dynamik!"

Weitere Infos:
www.theprodigy.com
de.wikipedia.org/wiki/The_Prodigy
www.myspace.com/theprodigy
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Paul Dugdale-
The Prodigy
Aktueller Tonträger:
Invaders Must Die
(Vertigo/Universal)
 

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