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23.03.1999
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RALLEY

1, 2, 3, 4 - Ralley sind wieder hier.

Ralley
Also ein wenig kommen im Zusammenhang mit der Kölner Band Ralley schon Assoziationen zur Sesamstraße hoch. Nicht nur, aber auch wegen der Zahlenspielerei des Titels, die, laut Sängerin Suzie, auch noch Bezug zu den Mods der 60s und dem Lebensgefühl (jetzt geht's los) im Allgemeinen haben. Das soll jetzt gar nicht mal böse gemeint sein und hat auch Berechtigung, so erklärt Suzie, daß zum Ralley-Publikum sowohl "richtige Männer" wie auch "kleine Leute" gehören. Das beschreibt auch ungefähr das Universum, in dem das "Raumschiff" von Ralley so herumfliegt: Grenzenlos muß es sein und vor allen Dingen: Frei von Vorurteilen und Schubladendenken. Womit wir wieder bei dem Thema "Popmusik und deutsche Sprache" wären. Was Suzie gar nicht so gut gefällt.

"Warum müßt ihr (= ich = Musikjournalisten) immer so auf diesem Thema herumreiten. Es ist doch ganz normal in seiner Muttersprache zu singen. Wenn Du mit Deiner Freundin redest, dann brauchst Du doch auch kein Englisch."


Na ja, singen tue ich dann auch weniger. Und wenn dabei Musik läuft, dann wird meistens englisch gesungen. Aber egal: Es ist halt nun mal nach wie vor nicht selbstverständlich, daß deutsche Gruppen auch in deutsch singen. Deswegen muß man das doch mal hinterfragen.


"Du willst das also ergründen?" fragt Suzie eher provokativ, "das ist doch eh eure (= meine = Musikjournalisten) Schuld, weil ihr immer alles in Schubladen stecken müßt."


Wie zum Beispiel bei dem Popkomm-Auftritt, wo Ralley zwischen den Bands Hefner und Jack bestehen mußten und wo Ralley anhand des Aussehens als unpassend aussortiert wurden. Also bis zur Musik sollte die Aufmerksamkeit schon reichen. Und die ist - auch auf dem zweiten Album spritzig, fröhlich, poppig - aber nicht nur. Da gibt's auch schon mal eine rockige Nummer oder gar ein samba-artiges Instrumental.


"Das ist unsere Party-Nummer - "All tomorrows Parties" (Notabene: Englischer Titel) - das kann man ohne Ende super auf Parties spielen. Wir haben das hier im Wohnzimmer aufgenommen. Im Hintergrund hört man noch Bärbel Schäfer im Fernseher laufen."


"Wohnzimmer" meint in diesem Zusammenhang eine Art Raum, der sich in einem Hinterhaus-Altbau befindet - nach allen Seiten offen, schwer zu heizen, mit Zugang zur Küche und Galerie, auf der Tom (Gitarre) gerade an einem Cover für Nina Hagen oder sowas bastelt. Überall finden sich Verweise auf's Ralley'sche Universum - vom Beatles-Poster bis hin zum musizierenden Feuerzeug. Obwohl: Ralley als solches ist kein organisches Wesen.


"Wir möchten schon darauf bestehen, daß wir alles auch Individuen sind", meint Suzie. Was heißt, daß man zwar zusammen musiziert, aber die einzelnen Mitglieder nach ihren Vorlieben und Stärken Ideen beisteuern anstatt sich einem bestimmten Konzept, Image, Klischee unterzuordnen. So mag es Suzie denn auch nicht, wenn man von "dem Gitarristen" oder "dem Drummer" spricht.


"Das hört sich wie ein Klischee an. Sten spielt halt Schlagzeug bei uns. Aber der hat so viele Ideen. Der ist richtig wahnsinnig was das betrifft, tüftelt herum und so. Dadurch kommen die tollsten Sounds zustande."


Wie z.B. die Sache mit den rückwärts laufenden Stimmen im Song "Raumschiff"?


"Das war meine Idee. Ich spielte gerade Theremin (das ist dieses Gerät mit dem wimernden, klagenden Sound, den man am besten von "Good Vibrations" der Beach Boys her kennt. Dazu gibt's eine todtraurige Geschichte von dem russischen Erfinder dieses Instruments, die Suzie auch kennt, die aber an dieser Stelle zu weit führte). Da kam mir dieser Gedanke, wie das wäre, wenn der Text rückwärts gesungen würde. Die anderen meinten zunächst, das sei doof, weil's sowas ja schon gibt, aber ich meinte, das macht doch nix, weil es super klingt. Wir haben da so ein Gerät, wo man leicht zeitversetzt rückwärts hört, was man da reinspricht. Das werden wir auch live einsetzen."


Überhaupt funktionieren Ralley am besten, wenn ein wenig mit dem Sound oder dem Songformat herumexperimentiert wird - wie z.B. bei dem Song, wo Suzie einfach eine Geschichte erzählt, anstatt den Text zu singen.


"Ja, ich habe mir schon etwas aufgeschrieben, es sollte sich aber so anhören, als würde ich einfach etwas erzählen, wie aus dem Leben gegriffen, halt."


Sind die Songs denn vorwiegend autobiographisch?

Ralley
"Natürlich. Nimm z.B. "Elvis und ich". Meine Eltern hatten früher diese Elvis-Platten. Eine davon hatte einen Sprung aber ich habe sie trotzdem immer wieder gehört. Ich liebe "Blue Moon" - wußtest Du übrigens, daß diesen Monat (Januar) ein "Blue Moon" Monat ist, ein Monat, in dem es zwei Vollmonde gibt?"


Nein, wußte ich nicht. Bringt uns aber zu einem anderen Thema: Ralley hatten nämlich gerade einen Autounfall, bei dem Gitarrist und Drummer sich berufseinschränkende Verletzungen zuzogen - weswegen wir auf eine Tour wohl auch solange warten müssen, bis beide wieder genesen sind. Solche Unfälle aber passieren - laut Aussage des behandelnden Arztes - besonders gerne in Monaten mit zwei Vollmonden. Und die Moral von der Geschicht? Man darf sich halt nicht unterkriegen lassen. "Mach die Augen auf und spring" - oder wie war das nochmal?


"Ja, ich dachte, das sein ein guter Spruch, um die Platte zu beginnen. Normalerweise heißt es doch, daß man die Augen schließt beim Springen. Aber man muß sie aufmachen, etwas wagen."


Und dies in mehrererlei Beziehung: Suzie und die Jungs haben sich entschlossen, Full-Time-Profi-Musiker zu sein. Denn Musik und ein "Day-Job" sind - laut Suzie - nicht unter einen Hut zu bringen.


Und so gibt es denn auch sicherlich weiterhin kunterbunte Popsongs - natürlich mit deutschen Texten. Obwohl: Auch hier wollen sich Ralley nicht festlegen lassen - man weiß ja nie. Und auf die Frage, mit wem sie denn mal gern zusammenarbeiten würden, antwortet Suzie: "Mit Elvis Costello oder mit Billy Bragg". Na das wäre doch mal was!

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-

Aktueller Tonträger:
1, 2, 3, 4
(RCA/BMG)
 

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