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22.10.2010
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JENNY & JOHNNY

Bittere Pille mit Zuckerguss

Jenny & Johnny
Eigentlich sind die frühere Rilo Kiley-Frontfrau Jenny Lewis und Folk-Troubadour Johnathan Rice schon länger Jenny & Johnny. Seit Jahren sind sie ein Paar und gastierten zudem auf den Solowerken des jeweils anderen. Eine gleichberechtigte Kollaboration gibt es aber erst jetzt. Dabei spannen die beiden Amerikaner den Bogen von der Simplizität des 70s-New-Wave bis zur luftigen Leichtigkeit des zeitgenössischen, Folk-angehauchten US-Indierock - wenngleich einige Ausflüge auf das Terrain des klassischen Westcoast-Sunshine-Pop nicht ausbleiben. "I'm Having Fun Now" heißt ihr erstes Album als Duo, das sie Ende November auch live in Deutschland präsentieren werden.

Die Idee zum neuen Projekt wurde auf Jennys letzter Tournee als Solistin geboren, auf der auch Johnathan zur Backing Band gehörte. Allabendlich spielten und sangen die beiden - ohne Verstärkung der restlichen Musiker - eine herrliche Version des Klassikers "Love Hurts" und überraschten damit nicht nur ihre Fans, sondern auch sich selbst. "Das war der einzige Song, bei dem wir uns den Leadgesang geteilt haben, bei allen anderen Songs singt Jenny ja die Hauptstimme und ich im Hintergrund, oder umgekehrt", erinnert sich Johnathan im Gespräch mit Gaesteliste.de. "Deshalb war er in der Tat die Keimzelle für Jenny & Johnny, denn wir benötigten etwas konzeptionell Neues, damit daraus ein eigenständiges Projekt werden konnte. Dass wirklich etwas Neues entstehen würde, wurde uns allerdings erst bewusst, als wir bereits bei der Arbeit waren und die traditionelle Aufnahmetechnik, bei der immer eine Stimme im Vorder- und eine im Hintergrund zu hören ist, umgingen, indem wir beide Stimmen nach vorne stellten. 'Love Hurts' war dabei der Ausgangspunkt."

Folglich steht auf "I'm Having Fun Now" die Kollaboration an sich im Mittelpunkt des Interesses. Das war in der Vergangenheit bisweilen anders. So hatte Johnathan beispielsweise für Jennys letzten Alleingang, "Acid Tongue", den von ihm allein geschriebenen Song "Carpetbeggars" beigesteuert, seine ursprüngliche Rolle als Duettpartner bei den Aufnahmen aber letzten Endes an Elvis Costello abgetreten! "Ich habe mich damals gewissermaßen selbst ersetzt, denn ich war es, der Jenny vorschlug, den Song mit jemand anders aufzunehmen", erinnert sich Johnathan. "Ich hatte das Stück für Jennys erste Solo-Tournee geschrieben, denn ihr erstes Album, 'Rabbit Fur Coat', ist zwar wunderschön, allerdings auch sehr kurz. Da Jenny auf der Tour keine Rilo Kiley-Songs spielen wollte, benötigten wir einige weitere Nummern, um längere Konzerte spielen zu können und uns nicht den Unmut des Publikums zuzuziehen. 'Carpetbeggars' half uns, das zu erreichen. Mir gefiel mein Gesang bei dem Stück allerdings von Anfang an nicht, denn ich musste in eine tiefere Stimmlage wechseln, und das klang in unseren Ohren etwas zu sehr nach Country & Western. Jennys Freundschaft zu Elvis Costello blühte damals gerade auf, und daher kam ich auf die Idee, ihn zu fragen, ob er Lust hätte, den Song mit Jenny zu singen. Aber du hast natürlich recht, dieses Mal war es keine Option, mich selbst zu ersetzen! Dieses Mal musste ich selbst singen!" Der DIY-Geist umwehte allerdings die gesamten Aufnahmen, nicht nur die Gesangsspuren. Nicht zuletzt deshalb klingen die Songs relaxter, minimalistischer, heimeliger. "Wenn du Songs schreibst, hörst du oft die anderen Parts, auch wenn du sie selbst später nicht spielst, weil ja jeder in der Band seine Rolle hat. Wenn ich dieses Mal einen Leadgitarren-Part im Kopf hatte, habe ich ihn auch selbst eingespielt. Das Gleiche gilt für Johnathan, wenn ihm ein Bass- oder Schlagzeug-Part einfiel. Wir sind zwar nicht unbedingt Freunde spartanischer Produktionen...", sagt Jenny, und Johnathan vollendet ihren Satz: "...aber jeder einzelne Part muss seine Daseinsberechtigung haben."

Dass der Input von externen Musikern auf diesem Album so minimal war, entpuppte sich als wichtiger Faktor für "I'm Having Fun Now". Wie schon beim Songwriting konnten Jenny & Johnny ihre auf großem Vertrauen basierende Partnerschaft ausspielen und ausschließlich ihre eigenen Visionen umsetzen. Klassische Referenzpunkte gab es dabei laut Jenny nicht. Allerdings hätten die zwei auf dem Weg von Los Angeles nach Omaha, Nebraska, wo sie das Album mit der bewährten Hilfe von Mike Mogis vollendeten, viel Replacements und Lemonheads gehört. Nun sind diese Bands zwar nicht gerade klassische Gesangsduos, aber zumindest die berühmte Zusammenarbeit der Lemonheads mit Juliana Hatfield ging durchaus als Inspiration durch. Ähnlich wie bei den Lemonheads wechseln sich auch bei Jenny & Johnny im Zusammenspiel aus Text und Musik Licht und Schatten ab. "Ich denke, das ist einfach die Richtung, in die sich unsere Gedanken wie von selbst bewegen", erwidert Johnathan, auf die dunkleren Untertöne in einigen Texten angesprochen. "Mir gefällt der Gegensatz. Ich mag Songs, deren Bedeutung sich graduell, nicht unmittelbar erschließt. Außerdem mag ich es, wenn etwas zunächst sehr trist oder heiter klingt, sich dann aber als etwas völlig anderes entpuppt", erklärt Johnathan, und Jenny ergänzt abschließend: "Es ist wie eine bittere Pille, aber mit Zuckerguss!"

Weitere Infos:
www.jennyandjohnnymusic.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Jenny & Johnny
Aktueller Tonträger:
I'm Having Fun Now
(Warner Music)
 

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