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19.11.2010
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THE YOUNG GODS

(Un)vereinbar

The Young Gods
Mit "Everybody Knows" erscheint pünktlich zum 25. Bandgeburtstag der Schweizer Industrial-Wegbereiter The Young Gods, die unter anderem Nine Inch Nails, Ministry und U2 (bei ihrem Meisterwerk "Achtung Baby") beeinflusst haben, ein neues Album, auf dem die inzwischen aus Franz Treichler (Gesang), Al Comet (Keyboards), Bernard Trontin (Schlagzeug) und Vincent Hänni (Gitarre) bestehende Band die gegensätzlichen musikalischen Konzepte ihrer letzten beiden Alben, "Super Ready/Fragmente" (2007) und "Knock On Wood" (2008), gekonnt verbindet.

"Die akustischen Instrumente mit den elektronischen zu verbinden, war für uns unbekanntes Terrain, auch wenn wir es auf 'Knock On Wood' in Ansätzen bereits ausprobiert hatten", erklärt Bandgründer Franz Treichler im Gespräch mit Gaesteliste.de. Wir haben uns bewusst in diese Richtung bewegt und womöglich hätten wir es noch weiter treiben können, aber ich denke, für den Anfang war es ganz gut so." Den Arbeitsprozess im Studio vergleicht er mit einem "Labor voller Menschen, Sounds und Ideen" und gibt unumwunden zu, dass dabei nicht alles Gold ist, was auf den ersten Blick glänzt. "Mir schwirrten viele verschiedene Titel für das Album durch den Kopf. Zuerst wollte ich die Platte 'Pink Weapon Space Card' nennen, aber davon konnte ich die anderen nicht überzeugen", erinnert er sich lachend. "Letzten Endes hatte ich ein ganzes Blatt voller möglicher Titel und 'Everybody Knows' schien dem Coverfoto [auf dem New York im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Kopf steht] am ehesten eine neue Dimension zu geben." Zwar bezeichnet Franz diese Vorgehensweise als untypisch für seine Band, dennoch ist "Everybody Knows" bereits die zweite Platte innerhalb kürzester Zeit, die ihren Titel dem Cover-Artwork verdankt. "Auch 2007 hat uns das Fotos des Covers auf den Titel gebracht", bestätigt Franz. "Als ich das Bild sah, das der Grafiker, der für das Artwork verantwortlich war, verwenden wollte, stellte ich fest, dass es ausgezeichnet zu dem Song 'Super Ready/Fragmente' passte, also benannten wir das Album nach dem Song."

Doch zurück zum aktuellen Werk. Der Titel "Everybody Knows" lässt sich auf verschiedenste Weisen erklären. Ein Journalistenkollege will darin Kritik am Hang des Menschen zur Selbstüberschätzung erkennen, Franz selbst hat in anderen Interviews allerdings auch bereits Verknüpfungen zu Nihilismus, Boulevard und sogar Anthropologie gezogen und damit unter Beweis gestellt, dass The Young Gods eine ganz und gar nicht alltägliche Band sind. Die wache Wahrnehmung der Dinge, die um ihn herum passieren, spiegelt sich auch in Franz' kritischer Sichtweise seiner Schweizer Heimat wider: "Die Schweiz spielt immer noch die jahrzehntealte Karte des neutralen Beobachters aus, der dem Rest von Europa von Nutzen sein kann, dabei ist das natürlich in gewisser Weise eine Maske, wenn man all die Verstrickungen in dunkle Geschäfte bedenkt. Vielleicht verkauft die Schweiz keine Waffen, dafür aber Flugzeugteile, aus denen Waffen gemacht werden können. Außerdem war die Schweiz ja früher finanziell in die Unterstützung der Apartheid involviert, ganz zu schweigen von der Wäsche schmutzigen Geldes - alles unter dem Deckmantel einer neutralen, respektierten 'Insel' mitten in Europa. Trotzdem ist es ein wenig heuchlerisch, dass die Schweiz, etwa ob des Bankgeheimnisses, jetzt zur Zielscheibe wird und mit dem Finger auf das Land gezeigt wird. Schließlich gibt es Steuerparadiese auch in anderen europäischen Ländern, denk nur an Monaco oder einige Inseln in Großbritannien."

Dennoch: Wie für seine Musik wünscht sich Franz auch für sein Herkunftsland Veränderungen. "Ich persönlich denke, dass es Zeit für einen Wechsel ist", sagt er bestimmt. "Ich würde es begrüßen, wenn sich die Schweiz der EU anschließt. Aber wenn man genau hinschaut, gehen damit auch einige Probleme einher. Wenn ich zum Beispiel gegen genetisch veränderte Lebensmittel bin und lieber auf den Eigenanbau zurückgreifen möchte, kann es mir passieren, dass ich Probleme mit einem Rechtsvertreter aus Brüssel bekomme, weil ich die Standards nicht einhalte. Wenn ich daran denke, würde ich lieber frei und unabhängig bleiben. Allerdings bin ich gegen Grenzen und bin davon überzeugt, dass man Teil der Gemeinschaft sein muss, um eine Stimme zu bekommen, die gehört wird. Wenn du ständig darauf verweist, dass du dich nicht einmischst - wer wird dir dann zuhören?"

Weitere Infos:
www.younggods.com
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
The Young Gods
Aktueller Tonträger:
Everybody Knows
(Two Gentlemen/Indigo)
 

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