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18.01.2011
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THE VASELINES

"Für uns ist das Ganze kein Job"

The Vaselines
Nirvana - kein Artikel über The Vaselines kommt ohne diesen Namen aus, warum ihn also nicht gleich zu Beginn aus dem Weg räumen? Zwei Singles und ein einziges Album, aufgenommen in den späten 80ern, reichten, um The Vaselines zur erklärten Lieblingsband von Kurt Cobain zu machen. Doch als die amerikanischen Grunge-Heroen anfingen, regelmäßig die Songs des Duos zu covern, hatten Eugene Kelly und Frances McKee ihre Band längst zu Grabe getragen. Genau zwanzig Jahre später veröffentlichten die liebenswerten Schotten letzten Herbst ihr zweites Album - und schafften das fast Unmögliche, nämlich praktisch nahtlos an den herrlich primitiven, oft augenzwinkernden DIY-Indiepop ihrer alten Platten anzuknüpfen. Möglichst wenig Akkorde, möglichst viel Melodie und entzückende Boy/Girl-Vocals - eine bekannte Formel, die auf dem augenzwinkernd "Sex With An X" betitelten Album in absoluter Perfektion angewandt wird. Doch damit nicht genug: Ende Januar treten The Vaselines doch tatsächlich in Deutschland auf, zwei Konzerte in Offenbach und Berlin stehen auf dem Programm. Vorab sprach Gaesteliste.de mit Eugene Kelly.

GL.de: Überrascht es dich, dass sich die Popularität der Vaselines über all die Jahre gehalten hat? Dass Kurt für Euch die Werbetrommel gerührt hat, ist schließlich auch schon weit über 15 Jahre her.

Eugene: Ja! Dass wir diese Erfahrung jetzt, zwanzig Jahre später, machen können, ist ein kleiner Schock für Frances und mich. Folgendes ist passiert: 2008 wurden wir zum Sub Pop-Festival nach Amerika eingeladen, und auf dem Weg nach Seattle machten wir in New York für ein paar Shows halt. Die Konzerte dort waren ausverkauft und das Publikum unglaublich enthusiastisch. Wir schauten uns an und fragten uns: "Was zur Hölle geht denn hier ab?" Als wir merkten, dass es da draußen Menschen gab, die uns sehen wollten, haben wir einfach weitere Konzerte drangehängt.

GL.de: Bei einer Handvoll Shows in die Vergangenheit abzutauchen ist das eine, aber es ist etwas völlig anderes, dann den Schritt zu wagen und neue Songs zu schreiben, schließlich sind die Erwartungen an ein zweites Album nach 20 Jahren turmhoch. Ist euch die Entscheidung sehr schwergefallen?

Eugene: Zunächst haben wir lediglich neue Songs geschrieben, weil wir längere Konzerte spielen wollten und nicht genügend Stücke hatten. Erst als die Tournee dann vorüber war, haben wir uns gefragt: "Warum schreiben wir nicht einfach noch ein paar weitere Songs?" Genau das haben wir dann gemacht. Wir haben ehrlich gesagt nicht besonders viel darüber nachgedacht oder darüber diskutiert, denn wir merkten, dass die Songs, die wir gemeinsam schreiben und zusammen singen, einfach wie The Vaselines klingen. Wir haben allerdings schon darauf geachtet, dass wir uns nicht zu weit vom typischen Vaselines-Sound entfernen, und wir wussten auch, was wir in einem Vaselines-Song thematisieren konnten.

GL.de: Welches waren denn die ersten Songs, die für die neue Platte entstanden sind?

Eugene: Zuerst schrieben wir "White Chapel" und einen Song namens "Pick The Cherry", den wir live gespielt haben, der es aber nicht auf die Platte geschafft hat. Er ist auf der limitierten Single enthalten, die den vorbestellten Exemplaren des Albums kostenlos beilag. Momentan haben wir das Stück auch aus dem Set geworfen - vielleicht spielen wir es irgendwann in Zukunft noch einmal.

GL.de: War es schwierig, euch nach all den Jahren wieder dem alten Minimalismus hinzugeben, euch im Vergleich zu euren Solowerken musikalisch gewissermaßen zu limitieren?

Eugene: Nein, es ist uns sehr leichtgefallen, denn es ist eine sehr instinktive Art, Songs zu schreiben. Für einige der Songs hatten wir bereits zuvor Ideen, und als wir uns dann zusammensetzten, machten wir uns Gedanken darüber, wie daraus Vaselines-Songs werden: indem wir passende Texte schrieben, sie gemeinsam arrangierten und zusammen gesungen haben.

GL.de: Wenn man sich die Credits des Albums anschaut, tauchen viele bekannte Namen aus eurer gemeinsamen Vergangenheit, aber auch aus euren Solojahren auf. Mit einigen Musikern hast du bereits zuvor zusammengearbeitet, das Studio in Manchester nutzte Frances auch für ihr letztes Soloalbum "Sunny Moon", und Jamie Watson hatte bereits euer Debütalbum "Dum-Dum" vor zwanzig Jahren produziert. Alles nur Zufall?

Eugene: Ja! Bob Kildea war der erste Musiker, den ich gefragt habe, als wir das Angebot bekamen, in Amerika zu spielen, denn zunächst war ja nur die Show in Seattle geplant, und ich dachte mir, die Jungs von Belle & Sebastian könnten das Programm am schnellsten lernen und wir müssten nicht viel proben! Was das Studio angeht: Wir wollten die Platte nicht in Glasgow aufnehmen, um uns richtig auf die Aufnahmen konzentrieren zu können. Frances hatte zuvor im Analogue Catalogue-Studio gearbeitet und wusste, dass es ein sehr altmodisches Studio war, in dem wir einen klassischen, warmen Sound würden hinbekommen können. Erneut mit Jamie zusammenzuarbeiten war dagegen eine bewusste Entscheidung, denn wir wollten, dass jemand auf den Sound achtet und darauf, dass wir uns nicht zu weit vom ursprünglichen Vaselines-Sound entfernen, jemand, der sicherstellt, dass die Gitarren nach ordentlich Rock'n'Roll klingen und das Ganze immer noch Punkrock ist. Wir wollten vermeiden, dass die Platte zu glatt klingt, sie sollte roh und ungehobelt sein!

GL.de: Sind die Musiker, mit denen ihr auf "Sex With An X" zusammengearbeitet habt, allen voran Bob Kildea und Stevie Jackson von Belle & Sebastian, Vaselines-Fans aus alten Tagen?

Eugene: Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Bob war damals vermutlich kein Fan unserer Musik. Er war in seiner Jugend eher an Heavy Metal interessiert. Ob Stevie je bei einem unserer Konzerte war, kann ich auch nicht sagen, aber er kannte uns sicher aus der Musikerszene in Glasgow. Wir haben nie groß darüber gesprochen, ob sie unsere alten Sachen gemocht haben, aber ich denke mal, ein bisschen müssen sie ihnen schon gefallen haben, sonst hätten sie wohl jetzt nicht mitgemacht!

GL.de: Und die Zukunftsperspektive?

Eugene: Für uns ist das Ganze kein Job, es ist etwas, das wir wirklich gerne machen wollen. Deshalb ist es sehr wichtig für uns, dass wir Spaß dabei haben, andernfalls werden wir es sein lassen. Frances sieht das genauso, in dieser Hinsicht sind wir sehr offen und ehrlich zueinander. Wenn wir das Gefühl bekommen, dass wir es nur noch machen, um mit den Konzerten Geld einzukassieren, dann lassen wir die Finger davon! Eine weitere Platte planen wir erst einmal nicht. Es würde ziemlich lange dauern, bis wir genügend Songs zusammenhätten, das wird ganz sicher nicht in den nächsten ein, zwei Jahren passieren. Im Moment haben wir einfach viel Spaß daran, Konzerte zu spielen. Dass wir nun neues Material haben, bedeutet, dass wir jeden Abend ein anderes Programm spielen können, wozu wir zuvor nicht in der Lage waren. Das macht es für uns natürlich interessanter. Wir werden dennoch versuchen, die Konzerte kurz und knackig zu halten. Wir werden keinesfalls zwei Stunden auf der Bühne stehen und sämtliche neuen Songs spielen.

GL.de: Ein letztes Thema noch: Natürlich wissen wir, dass ihr euch selbst nicht allzu ernst nehmt, aber dass ihr im Video zu "Sex With An X" als Priester und Nonne verkleidet mit einem Cabrio durch die Gegend fahrt und dabei ziemlich unchristliche Dinge anstellt, ist selbst für eure Verhältnisse ziemlich ausgefallen...

Eugene (lachend): Uns gefiel einfach der Gedanke, uns zu verkleiden. Das gilt auch für das Electronic Press Kit [bei dem sich die zwei, als Enthüllungsjournalisten verkleidet, gegenseitig aufspüren und interviewen], das wir anfertigen mussten. Wir schauten uns einige an, um zu sehen, was von uns erwartet wurde, und sie waren alle unglaublich langweilig - "Wir haben diese Gitarre benutzt, weil..." -, also haben wir uns etwas anderes ausgedacht, das uns beim Dreh Spaß machen würde. Beim Video war es ähnlich. Sobald wir auf die Idee kamen, uns als Priester und Nonne zu verkleiden, war klar, dass wir herumlaufen und verrückte Sachen machen würden. Wir sind beide als Katholiken erzogen worden, und das ist jetzt unsere Art, uns dafür zu rächen, dass uns die Kirche all die Jahre ihre Doktrin aufgezwungen hat!

Weitere Infos:
www.thevaselines.co.uk
en.wikipedia.org/wiki/The_Vaselines
www.subpop.com/artists/the_vaselines
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Wattie Cheung-
The Vaselines
Aktueller Tonträger:
Sex With An X
(Sub Pop/Cargo)
 

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