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17.05.2013
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MONKEY CUP DRESS

Zwischen Raum und Zeit

Monkey Cup Dress
Man sagt ja, Musik sei eine universale Sprache, die auch ohne Worte zu verstehen sei. Weshalb das dänische Duo Monkey Cup Dress sich dann ausgerechnet einen Namen gegeben hat, der ohne wortreiche Erklärungen eben nicht zu verstehen ist, erschließt sich aus der Musik von Line Felding und Sidse Holte nicht auf Anhieb. Zunächst mal die Fakten: Ein Monkey Cup ist eine fleischfressende Pflanze, bei der die Blätter wie Tassen geformt sind, in die dann die zu verdauenden Opfer hineinfallen. Ein Monkey Cup Dress ist ein Kleid, das ebendiese Pflanze zum Motiv hat und das einer bestimmten Kunstrichtung entstammt, die sich Art To Wear nennt und deren Ziel es ist, Kleidung mit tragbarer Kunst zu fabrizieren, die von der Flora und Fauna inspiriert wird. So weit so gut: Nun machen MCD aber nicht etwa abgefahrene Avantgarde oder verkopften Jazz, sondern betont organischen, zurückhaltend, aber originell inszenierten und sehr eigen strukturierten Folkpop. Wie passt das also alles zusammen?

"Wir werden oft nach unserem Namen gefragt", erklärt Sidse Holte nicht eben überraschenderweise, "und wir haben uns selbst auch oft über einen Namen unterhalten, bevor wir dann auf Monkey Cup Dress gekommen sind. Wir haben uns schließlich für die fleischfressende Pflanze entschieden, weil diese sozusagen eine Menge Biss hat, aber auch sehr feminin aussieht." Nun ist "bissig" ja vielleicht nicht der richtige Ausdruck, die Musik von MCD zu beschreiben, denn diese ist doch sehr friedfertig und ruhig angelegt. "Ich sehe das gerne so, dass unsere Musik sehr viele Ebenen hat", meint Line, "es geht manchmal sehr einfach und naiv zu, aber es gibt oft sinistere oder quirlige Untertöne, die man zunächst mal gar nicht wahrnimmt."

Das gilt auch für die Texte von MCD. Was ist die Funktion der Texte für das Duo? "Es ist nicht bei jedem Song das Selbe, weil wir manchmal zusammen schreiben, manchmal jede für sich und uns manchmal ergänzen", führt Line aus, "ich würde aber sagen, dass es hier um typisch feminine Themen geht - um Themen, die uns nahe sind. Es kann sich um Liebe handeln, aber auch um Literatur und Politik." Es geht dabei aber nicht um typisches Storytelling-Songwriting? "Nein, für mich geht es dabei um Bilder", bestätigt Line, "es geht um Raum, nicht die Zeit." Gilt das auch für die Musik? "Ja, wir sehen uns als musikalische Malerinnen", meint Sidse. Ein gutes Beispiel dafür ist der Song "And He Would Sail Among The Stars". Im Grunde genommen ist das ein Folkpop-Song, der aber keinem Pop-Schema entspricht und mit einen assoziativen Text daher kommt. "Das fing alles an, als Barack Obama seine erste Kampagne begann", erklärt Line, "wir fühlten uns von seiner Hope & Change-Kampagne inspiriert. Wir sahen das so, dass die Leute damals auf eine Art Erlöser warteten. Das Ganze wird anhand einer Liebesgeschichte erzählt, die einfach als politischer Song begann. Es ist kein spiritueller Songs, sondern einer der sich um die Frage dreht, inwieweit man sein Geschick jemand anderem anvertrauen kann." Wie entstehen denn Songs wie dieser? "Für mich fängt das Ganze zunächst mit Recherchen an", erläutert Sidse, "ich recherchiere einen bestimmten Begriff oder über eine bestimmte Person und mache Texte aus diesen Themen. Dazu kommt eine gewisse Portion Intuition und gut klingen sollte es auch." "Ich denke sowieso, dass es eine recht intuitive Sache ist, was gut klingt oder was gut schmeckt", fügt Line hinzu, "und was sich gut singt. Es fängt meistens mit etwas Intuitivem an. Der Feinschliff, das Editieren, das Selektieren kommt dann später. Und dann ist es so, dass wir unsere Ideen durchaus auch austauschen und miteinander kombinieren. Und zuweilen - wenn auch nicht oft - schreiben wir auch Stücke gleich zusammen, wie z.B. 'Honolulu'." "Wenn es um die Arrangements geht, liebe ich die Idee, alles zuzulassen", ergänzt Sidse, "wir schließen nichts grundsätzlich aus, sondern probieren so lange, bis etwas passt." "Das dauert natürlich seine Zeit, denn es gibt ja keine Ordnung in dieser Beziehung", überlegt Line "manchmal erkennen wir auch, dass wir in die falsche Richtung marschieren und müssen wieder von vorne anfangen. Aber es macht Spaß, so zu arbeiten. Der Zufall spielt auch eine große Rolle. Wir wissen selbst nicht immer, wohin die Reise geht." "Fehler spielen auch eine große Rolle", merkt Sidse noch an, "wie gesagt: Es ist ja alles erlaubt."

Geht es dann darum, die Songs eher aufzubauen oder eher zu reduzieren? "Wir mögen Simplizität", überlegt Line, "es geht zunächst mal um die Knochenstruktur des Songs, die sehr nackt sein muss. Von da können wir aufbauen. Die Grundidee muss aber für sich alleine funktionieren. Wir kommen beide aus der Folk-Musik und da lernt man ja so etwas." "Wir haben aber auch noch andere Wurzeln", ergänzt Sidse, "Line hat mehr eine klassische Ausbildung als ich und ich komme eher aus der Motown, Jazz und Soul-Ecke. Beide haben aber auch Folk-Wurzeln." Was inspiriert MCD denn so für gewöhnlich? "Für diese Art von Musik fühlen wir uns nicht so sehr von anderer Musik inspiriert, sondern von der Literatur", sagt Line, "oder von bildender Kunst. Ich höre mir schon Musik an, aber ich bin doch eher von anderen Kunstarten inspiriert." "Und ich von der Natur und Landschaften", ergänzt Sidse, "und ich mag Stille." Was macht dann am Ende einen gute Song aus? "Ich mag, wenn es humorvoll und überraschend ist", meint Sidse, "das finde ich irgendwie erhebend. Das ist eine weitere Ebene." "Und dann braucht es auch gute Melodien", fügt Line hinzu, "wobei es darum geht, möglichst simpel und einfach zu agieren - sogar Noten zu entfernen, damit es nicht zu kompliziert wird. Dabei geht es keineswegs darum, etwa alles kontrollieren zu wollen, sondern sich vielmehr gehen zu lassen und sich nicht selbst zu zensieren. Nur so kann das Funktionieren." "Außerdem heißen wir das Seltsame willkommen", fährt Sidse fort, "deswegen spielen wir - neben Gitarre und Cello - auch Instrumente wie Ukulele oder Kalimba. Das ist unser Credo, dass alles erlaubt ist, und das gilt auch für die Wahl unserer Instrumente." "Außerdem nimmt das der Sache auch die Schwere und Ernsthaftigkeit", gibt Line zu bedenken,"was nicht heißt, dass wir nicht ernst genommen werden - aber das Ganze eröffnet uns doch eine Tür für die Leichtigkeit, die auch ein Teil des Lebens ist. Wenn man also etwas wirklich Ernsthaftes singt und sich dabei auf der Ukulele begleitet, dann balanciert sich das Ganze doch irgendwie aus, oder?" Doch, doch, das ist gewiss zu beobachten - und deswegen kommen MCD auch nicht ganz so melancholisch rüber wie viele andere skandinavische Acts.

Dazu gehört natürlich auch, dass sich die beiden Damen beim Singen hervorragend ergänzen und offensichtlich blind aufeinander verlassen können. "Nun, wir haben uns ja auch durch den Gesang gefunden und das Singen mit Sidse ist auch das, was mir am meisten Spaß macht", erklärt Line, "das hat sein ganz eigenes Leben." Was ist dann auf der anderen Seite die größte Herausforderung? Hier gibt es erst ein Mal eine längere Denkpause, bevor sich Line dann etwas zu recht gelegt hat. "Weil wir beide in anderen Bands auch andere Rollen haben (Sidse als Partnerin des Sängers Dajal von den Faröer Inseln und Line als Mitglied der dänischen Folkpop-Combo Cody) müssen wir bei MCD herausfinden, was wir selbst wollen und die Führung übernehmen und alles selber machen. Das haben wir uns zwar gewünscht und das ist auch das, was wir wollen, aber es ist auch die größte Herausforderung. Deswegen haben wir unser Material auch selbst produziert." Wohin geht es denn in der Zukunft für MCD? "Wir reden grade darüber, weil wir gerade an neuem Material arbeiten. Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass man entweder etwas aufaddieren oder subtrahieren kann und momentan tendieren wir dahin zu sagen, dass wir etwas mehr wie eine 'normale' Band klingen möchten - mit Bass und Drums - aber dabei die alternativen Instrumente wie die Holzbläser oder die Kalimba beibehalten wollen." Hoffentlich wird die Sache dann nicht "zu normal", denn gerade das etwas Unkonventionelle ist es ja, was den Reiz von Monkey Cup Dress ausmacht.

Weitere Infos:
www.facebook.com/monkeycupdress
vimeo.com/66726250
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Monkey Cup Dress
Aktueller Tonträger:
Monkey Cup Dress
(Make My Day/Alive)
 

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