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28.03.2014
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HOLY MOUNTAIN

Höchste Energie und keine Tabus

Holy Mountain
"Fast as fuck, fleein' all the time, running through the forest, traveling through time" - das Manifest, das das schottische Trio Holy Mountain auf seiner Facebook-Seite ausgibt, lässt keine Fragen offen. Nachdem die Band aus Glasgow vor zwei Jahren mit ihrem vor Energie strotzenden Minialbum "Earth Measures" für Furore gesorgt hatte, erscheint Anfang April nun ihr erstes Full-Length-Album, "Ancient Astronauts", auf dem die Band abermals den Heroen des ungefilterten Spät-60er- und Früh-70er-(Hard)-Rock nachspürt, ihren Klangkosmos mit einer ausgefeilteren Produktion und zusätzlichen Keyboards unter dem starken Einfluss von Deep Purple deutlich erweitert - ohne dennoch im Studio viel länger als die rekordverdächtigen 17 Stunden zu benötigen, in denen das erste Minialbum entstand. "Selbst ohne Zeitstress halten wir uns nie zu lange mit den einzelnen Parts auf", erklärt Sänger Andy McGlone im Gaesteliste.de-Interview. "Nach drei, vier Takes ist die Spontaneität weg und wir wenden uns erst einmal etwas anderem zu."

Wir erwischen den Frontmann daheim. "Ich sitze gerade in meinem Schlafzimmer und mache eine Pause von meinen Uni-Verpflichtungen", verrät er. "Meine Wohnung ist für mich ein guter Ort, um kreativ zu sein. Ich habe mein Wohnzimmer zur Elektronik-Werkstatt umfunktioniert und lasse mich dauernd von meinen Pflichten durch all die Projekte ablenken, die ich herumliegen habe." Schließlich ist Andy nicht nur Frontmann von Holy Mountain, sondern hat sich inzwischen auch als Erbauer von Effektpedalen und Ähnlichem einen Namen gemacht. Dabei hatte er damit eigentlich nur begonnen, um ein bisschen Kohle zu sparen. "Ich fragte mich: Warum Geld dafür ausgeben, wenn ich die Geräte auch selbst herstellen kann? Jetzt, fünf, sechs Jahre später, stehe ich vor einem Abschluss mit Auszeichnung in Elektrotechnik", sagt er nicht ohne Stolz. "Ich bin einfach gerne kreativ, egal ob in der Musik oder in der Elektrotechnik. Ich hab mal gelesen, dass Jimi Hendrix eng mit einem Techniker namens Roger Meyer zusammenarbeitete. Jimi beschrieb ihm, welcher Sound ihm vorschwebte, und Roger versuchte, das so gut wie möglich umzusetzen. Bei mir ist es ähnlich. Ich arbeite eng mit meinen Auftraggebern zusammen, um den Sound festzunageln, den sie im Kopf haben." Handgemachtes mit Herz und Seele also.

Ähnliches gilt auch für Holy Mountain, die nicht nur auf hohe Energie, sondern auch auf eine positive Grundstimmung setzen, wenn sie den Sound der 70er absorbieren und dabei darauf achten, nicht die üblichen Klischees zu bedienen. Angefangen hatten Andy und Drummer Pete Flett als reines Krach-Duo, das ohne nennenswerte Proben auf der Bühne improvisierte, eine Herangehensweise, der sie inzwischen entwachsen sind. "Je mehr wir als Duo improvisiert haben, desto mehr Parts fanden wir, an denen wir festhalten wollten. Je mehr wir die gleichen Parts wiederholten, desto mehr wollte ich damit herumexperimentieren", sagt Andy. "Die Parts selbst fühlten sich so an, also wollten sie sich entwickeln, aber mit nur einer Gitarre waren die Möglichkeiten begrenzt. Wir haben es dann mit Loops über einen Bass-Verstärker versucht, aber das wurde alles ein wenig kompliziert und lenkte uns vom Spielen ab. Dann haben wir bei ein paar Demos eine Bassspur hinzugefügt, und kurz darauf stand fest, dass wir uns einen Bassisten suchen würden!" Gefunden wurde vor zwei Jahren Allan Stewart, der zuvor bei Idlewild die Gitarre bedient hatte.

Damit war der Weg frei, die Einflüsse all der Künstler adäquat zu verarbeiten, die Andy schätzt, seit er als Kind mit dem Badmintonschläger als Gitarrenersatz zum Riff von "Money For Nothing" auf dem Bett herumhüpfte, bevor er mit 13 seine erste Gitarre bekam. Auf die Bitte, seine musikalische Sozialisation offenzulegen, entfährt dem Schotten zwar erst einmal ein: "Wow, solch eine persönliche Frage!", aber dann kommt er richtig in Fahrt: "Wie weit soll ich zurückgehen? Ich habe frühe Kindheitserinnerungen daran, Platten von Queen, Dire Straits, Meat Loaf (!) und sogar Boney M und ABBA aus der Sammlung meiner Eltern gehört zu haben. Die erste echte Rockmusik, für die ich mich begeistert habe, war von Jimi Hendrix, vor allem Hendrix in Woodstock. Ich saß vor dem Fernseher und sah und hörte seine Improvisationen auf einer VHS-Kassette und versuchte, so gut wie möglich auf meiner Akustikgitarre mitzuspielen. Daher stammt mein Gefühl für Improvisationen, gleichzeitig wurde ich süchtig nach der Energie, die Hendrix versprühte. Als ich dann älter wurde, hörte ich Punkrock'n'Roll, die Hellacopters oder Glucifer. Auch da liebte ich die Energie dieser Bands. Es fühlte sich immer so an, als gäben sie sich nicht viel Mühe, ihnen war alles scheißegal, aber trotzdem hatten sie diesen Wahnsinnssound. Diese Bands brachten mich dazu, mich zeitlich rückwärts zu bewegen und dabei auf MC5 zu stoßen, auf Sonic's Rendezvous, die Stooges, Motörhead oder Kiss. Ich konnte von diesem High-Energy-Rock'n'Roll einfach nicht genug bekommen! Mir wurde klar: Du musst nicht der beste Musiker sein, aber die Einstellung muss stimmen. Erst später kam ich dann auf die bekannteren Bands wie Led Zeppelin. Von ihnen höre ich viel lieber Live-Mitschnitte als die Studioaufnahmen, weil ich denke, das repräsentiert viel mehr, wonach sie strebten. Mein Zeppelin-Lieblingsmitschnitt ist ihr Auftritt im dänischen Fernsehen 1969: Tolle Attitüde und noch zu früh, um Ego-Probleme zu haben! Da waren sie noch Kinder! In letzter Zeit hab ich viel Psychedelisches gehört, Deep Purple, 13th Floor Elevators oder Hawkwind."

Trotz zweifelsfrei vorhandener starker eigener Visionen greifen Holy Mountain im Studio gerne auf die Erfahrung anderer Helden der Glasgower Szene zurück. Iain Cook (Aereogramme / Chvrches) mischte die Mini-LP ab, und mit dem früheren Delgados-Drummer Paul Savage stand Holy Mountain ein weiterer Chemikal Underground-Veteran bei "Ancient Astronauts" als Produzent zur Seite. "Ich denke, der Schlagzeugsound kann über Wohl und Wehe eines Albums entscheiden, und Paul ist nun mal ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet", beschreibt Andy die Vorzüge des Mannes am Mischpult. "Er hat den Nagel absolut auf den Kopf getroffen und das Ergebnis ist einfach nur groß. Er hat seine Magie auch beim Mix versprüht. Besonders gut gefällt mit der Phaser-Effekt bei '100 Years A Day'. Das war ein Spielzeug, das Paul eines Tages während des Mixings anschleppte, und es klang magisch!"

Bleibt am Ende nur noch zu fragen, ob es irgendwelche Tabus gibt, irgendetwas, das man in Gegenwart des Trios besser nicht erwähnt? Die Doom-Götter B**** S****** zum Beispiel, mit denen sie nach "Earthly Measures" so oft verglichen wurden, dass es ihnen am Ende zu den Ohren rauskam? "Letztlich sprechen wir über alles, ganz ohne Tabus, sogar über Black Sabbath!", erwidert Andy. "Das, was uns am meisten nervt, sind Bands, die uns hinter der Bühne unsere Drinks wegsaufen!"

Weitere Infos:
www.facebook.com/HolyMountainBand
www.chemikal.co.uk/artists/holy-mountain/
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Holy Mountain
Aktueller Tonträger:
Ancient Astronauts
(Chemikal Underground/Rough Trade)
 

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