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27.01.2015
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KRIS POHLMANN

Schwer, kraftvoll und musikalisch

Kris Pohlmann
In Deutschland haben Blues-Bands zumeist etwas Provinzielles. Kris Pohlmann dagegen empfiehlt sich mit seinem neuen Album "Taylor Road" als Ausnahme von der Regel. Gekonnt verbindet er hier Blues und Rock mit Reminiszenzen an seine Kindheit. Dabei offenbart sich, dass er in England aufgewachsen ist, und das ist womöglich gleich auch die Erklärung für die Qualitäten seines nun erscheinenden dritten Werks. Gaesteliste.de wollte es genauer wissen. Wir erwischten Kris im Dezember daheim im Kris-Pohlmann-HQ, wo er schwer damit beschäftigt ist, die Pressearbeit für "Taylor Road" zu koordinieren - schließlich erscheint das Werk auf seinem eigenen Label Black Penny Records.

GL.de: Zum Einstieg etwas Allgemeines: Wie ist es, Ende 2014 Kris Pohlmann zu sein (und was ist der größte Unterschied etwa zu der Zeit, als du dein erstes Album veröffentlicht hast)?

KP: Gute Frage. Manchmal gut, manchmal echt hart. Seit dem ersten Album in 2010 hat sich der Aufwand um die Musik locker verdoppelt, zum Teil, weil das Interesse an meiner Musik wächst, zum anderen, weil ich mehr Erfolg haben und mehr Leute erreichen möchte. Wenn man den Anspruch hat, etwas zu erreichen, ist Musik Big Business. Für "Taylor Road" habe ich zum ersten Mal einen sechsmonatigen Marketingplan aufgestellt. Wen schreibe ich an, wann, warum? Wann verschicke ich Newsletter? Wann startet die Pressekampagne? Video-Inhalt, Bild-Inhalt, Website-Banner... Content, wie es so schön heißt. Es reicht nicht, plötzlich einfach die CD im eigenen Online-Shop zu verkaufen, ohne eine Strategie zu haben, wie man das Album verkauft. Aus diesem Grund habe ich auch dieses Jahr Black Penny Records gegründet - um auch anderen jungen, ambitionierten Blues-Rock-Bands zu helfen. All das mache ich nebenbei, denn die Einkünfte eines Joe Bonamassa sind wohl nicht zu erwarten! Am Anfang hieß es: Mal schauen, ob man meine Songs mag. Inzwischen ist das etwas eskaliert, u.a., weil ich nichts halbherzig machen kann.

GL.de: Was bedeutet das Musikmachen für dich und wie hat sich das über die Jahre verändert?

KP: Das Musikmachen an sich - mit der Gitarre allein einen Song zu schreiben -, das ist genau so, wie es damals im Kinderschlafzimmer bei meinen Eltern in Südost-England war. Diese privaten, intimen Momente sind wunderschön. Die Songs dann live vor Publikum zu präsentieren und dann zu hören, wie einer vom Song berührt war... es gibt nichts Schöneres! Diese Gefühle sind noch, wie sie am Anfang waren, und ich hoffe, es bleibt auch immer so! Während es aber am Anfang darum ging, ein Paar Konzerte zu geben, ist jetzt ein Geschäft daraus geworden. Booking, Promotion & Marketing, Finanzen und Steuern... Der "nicht-musikalische" Aufwand ist so groß geworden! Aber so ist es nun mal!

GL.de: Bitte entschuldige die oberflächliche Frage, aber irgendwie kommen wir dieses Mal nicht drum herum: Wo ist die Taylor Road und was macht sie so wichtig für dich, dass sie dem Album den Titel gibt?

KP: Taylor Road ist tatsächlich der Ort in England, wo musikalisch alles für mich angefangen hat. In dem Haus in Surrey habe ich als 15-Jähriger meine erste Gitarre bekommen. Meine Eltern leben noch dort und mein Schlafzimmer sieht noch genauso aus wie zu meinen Teenagerzeiten - mit all den Status Quo-Postern an den Wänden! Durch die musikalischen Veränderungen war die Heimat plötzlich umso wichtiger für mich. Dieser Ort gab mir das Gefühl von Sicherheit, und ich wollte wieder das Gefühl haben, dass es nur um das Musikmachen geht - so, wie es damals dort war: Spaß haben und sehen, wo die Reise hinführt.

GL.de: Wie bei den beiden Vorgängeralben war auch dieses Mal wieder Thomas Hannes der Produzent, sonst hast du aber mit neuen Musikern zusammengearbeitet. Warum?

KP: Als ich Thomas die Songdemos in Dezember 2013 vorgespielt habe, war uns beiden klar, dass es für dieses Projekt notwendig war, die richtigen Musiker zu finden, die im Rock zu Hause sind. So fand ich mit Daniel Guthausen (Ex-Henrik-Freischlader-Schlagzeuger) und dem jungen Bassisten Dennis Bowens die richtige Rhythmusmaschine! Mir war bereits während der ersten kleinen Probe klar, dass diese "Band" genau die richtige ist für dieses Album. Schwer, kraftvoll und trotzdem sehr musikalisch! Mit Thomas habe ich meinen Musikpartner gefunden. Ich vertraue ihm, seiner Meinung und seinen Ideen. Er ist nicht nur ein Top-Tontechniker, sondern auch ein super Gitarrist. Wir haben Spaß daran, Musik zu machen, lachen viel, machen Blödsinn, und dabei kommen, meiner Meinung nach, immer gute Alben raus!

GL.de: Gibt es etwas Spezielles, nach dem du suchst, wenn du Songs schreibst und Platten aufnimmst?

KP: Ich liebe Blues wegen seiner rauen, emotionalen Seite, aber Blues-Songs haben typischerweise keine Refrains wie Rock-Songs sie haben. Ich habe mit diesem Album noch stärker als in der Vergangenheit den Fokus auf die Texte und den Song an sich gerichtet. "Used To Be", "Taylor Road", "Tarantula" und "Slow Motion" haben eine klare Struktur und Refrains zum Mitsingen.

GL.de: Natürlich gehen alle deine Platten auf die gleichen Wurzeln zurück, klingen aber dennoch für sich erfreulich unterschiedlich. Ist das Konzept? Setzt du dich vorab hin und legst eine Marschroute fest, oder schreibst du einfach los und merkst erst während des Prozesses, in welche Richtung es geht?

KP: Bei der ersten Platte, "New Resolution", hatte ich weder Sound noch Richtung festgelegt. Die Musik ist damit sehr unterschiedlich von Rock bis Pop-Rock bis Heavy Funk Blues. Das war eine Kritik an dem Album. Denn auch wenn es nicht schön ist: Viele mögen es, einen Künstler in eine Schublade stecken zu können. Bei meinem zweiten Album, "One For Sorrow", war klar für mich: Es soll ein klassisches Blues-Rock-Album werden! Und das war es dann auch. Bei "Taylor Road" war die Idee, ein 70s-Rock-Album zu schreiben, das aber noch meine Handschrift hat. Im Studio war die Zielvorgabe so: Schwer, direkt, dicht produziert, viele Gitarren, viele Stufen.

GL.de: Die neue Platte klingt ein bisschen weniger traditionell als der Vorgänger. Gab es dafür einen speziellen Auslöser, oder ist das einfach der natürliche Prozess, sich vom Vorangegangenen absetzen zu wollen?

KP: Das ist ein natürlicher Prozess. Auch wenn man eine Richtung vorgibt, führt uns (Thomas und mich) der Song. Das war dieses Mal umso wichtiger. Der Song stand im Mittelpunkt. Einige Stücke haben wir zwei-, dreimal komplett anders aufgenommen, bis wir das Gefühl hatten: Ja, so muss er klingen! "Slow Motion" war vorgesehen als ein Heavy-Blues-Rock-Song. Dann kam dieser psychedelische Ansatz und dieser Slash-Gitarren-Teil im Refrain dazu. So etwas kann man nicht vor der Aufnahme als bewussten Ansatz angeben.

GL.de: Vermutlich könnten wir deine wichtigsten Einflüsse auch erraten, dennoch möchten wir dich fragen: Gab es bestimmte Referenzplatten anderer Künstler, die du für den Vibe von "Taylor Road" im Hinterkopf hattest?

KP: Wie schon erwähnt, waren das wohl Status Quo und ZZ Top, die die Richtung der Platte definiert haben. "Piledriver" von Status Quo ist eine gute Referenz. Erschienen 1972, ist das ein Album, was schwer ist, aber auch "atmet". Mit "Taylor Road" ist das hoffentlich ähnlich. Da sind viele Heavy-Stücke drauf, aber auch einige Songs, wo es ruhig zugeht.

GL.de: Du bist offensichtlich von einer Menge Musik von gestern und vorgestern inspiriert. Bist du trotzdem froh, im Hier und Jetzt zu leben?

KP: Oh, das ist eine interessante Frage. Mit all der Technologie von heute, mit all den Möglichkeiten, die wir heute haben, bin ich froh, hier zu sein! Dennoch, die Musik, die Haare, die Klamotten der 70s, als 18-Jähriger im Jahre 1972... das wäre doch ziemlich aufregend!

GL.de: Die Platte klingt erfreulich ungezwungen. Sind euch die Aufnahmen wirklich leichtgefallen, oder war es harte Arbeit, es mühelos klingen zu lassen?

KP: Studioarbeit ist immer harte Arbeit. Da herrscht Druck, anders als bei Live-Veranstaltungen. Ein Album, eine Aufnahme ist für die Ewigkeit. Da muss alles passen! Anders als bei den anderen bisherigen Alben war es dieses Mal die Idee, wenig vor den tatsächlichen Aufnahmen festzulegen. Bei "One For Sorrow" wurde jeder Song bis ins kleinste Detail geplant und genauso im Studio aufgenommen. Für "Taylor Road" gab es zwei kleine Proben mit den neuen Musikern, um die Songideen zu besprechen. Im Studio haben wir uns dann einen Song vorgenommen, ihn besprochen, ihn ausprobiert, Tempo und Struktur definiert und dann die Basic-Tracks (Schlagzeug, Bass und Rhythmusgitarre) aufgenommen, bis jeder mit dem Song glücklich war. Bei einigen haben wir den Song auf diverse Art und Weise ausprobiert, bis die richtige Version aufgenommen wurde. Dieser Ansatz war neu für mich. Da kam viel Frisches rein während der Aufnahmesessions. Das kann man allerdings nur machen, wenn man sehr gute Musiker im Studio hat! Dann nahmen Thomas und ich uns Zeit, um die Overdubs wie Gesang, Backings und Soli einzuspielen. Dieser Teil des Aufnahmeprozesses ist mein Lieblingsteil! Es geht darum, Farbe in die Songs reinzubringen und vieles auszuprobieren!

GL.de: Gerade in Deutschland wird der Blues oft als etwas sehr Statisches wahrgenommen. Viele hiesige Musiker kommen nie über "Crossroads" hinaus und klingen auf ewig provinziell...

KP: Das Gefühl habe ich auch. Ich weiß nicht, woran das liegt. Es gibt viele, auch gute Blues-Bands in Deutschland, aber die meisten sind halt diese "Old Style"-Blues-Bands. Nur einer hat es geschafft, auch außerhalb von Deutschland Erfolg zu haben - Henrik Freischlader. Seine Musik klingt aber auch frischer als die der anderen. Rockmusik ist lebendiger und interessanter für junge Menschen als eine deutsche Chicago-Blues-Band. Das ist leider so. Ich versuche, meine Liebe zum Blues mit meiner "Ausbildung" als Rockmusiker zu verbinden, und wenn jemand das als gut bezeichnet, macht mich das sehr glücklich.

GL.de: "Taylor Road" ist gerade erschienen - und jetzt?

KP: Wir sind auf Deutschland-Club-Tour unterwegs von Mitte Januar bis Mitte April inklusive eines Zwischenstopps für zwei Konzerte in den Niederlanden. Dann kommen Festivals im Sommer und im Herbst eine Niederlande-Tour und hoffentlich die erste England-Tour! Endlich mal rüber zur Heimat! Für die nächsten 18 Monate müssen wir viel unterwegs sein, um das neue Album zu promoten. Was danach folgt, keine Ahnung... mal schauen, wo uns die Straße hinführt!

Weitere Infos:
www.krispohlmann.com
www.facebook.com/krispohlmannband
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Kris Pohlmann
Aktueller Tonträger:
Taylor Road
(Black Penny Records)
 

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