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17.07.2015
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DONALD CUMMING

Jede Menge Freiheiten

Donald Cumming
Vor sieben Jahren erzählte Donald Cumming Gaesteliste.de, wie er sich mit seiner Band The Virgins zu einem ersten Majorlabel-Vertrag flunkerte, inzwischen allerdings spricht seine Musik für sich: Mit seinem feinen Solo-Erstling "Out Calls Only" ist der 34-jährige New Yorker dort unterwegs, wo sich der New-Wave-Sound der 70er und zeitgemäße Indie-Sound treffen. Textlich verarbeitet er derweil sein Leben der letzten Jahre, die Trennung von seiner Ehefrau und die Auflösung seiner Band. Zumindest Letzteres scheint Cumming aber wirklich gutgetan zu haben, wie wir bei unserem Gespräch mit ihm erfuhren.

"Keine feste Band zu haben, hat mir eine Menge Freiheiten gegeben", erklärt er. "Ich konnte Klavier oder Keyboards einsetzen oder einen Freund einladen, der einfach mal mitspielt, und wenn ich das Gefühl hatte, ein Song braucht nicht mehr als nur meine Akustikgitarre, dann war das auch ok." Das Ergebnis ist ein Album, das musikalisch viel ausgefranster ist als die tighten Rock'n'Roll-Scheiben seiner vor zwei Jahren aufgelösten Band. "Mir war dieses Mal sehr bewusst, dass ich auf der Platte alles machen konnte, wonach mir der Sinn stand. Es gab keine Erwartungen wie: Dies ist eine Rock'n'Roll-Band, also müssen die Songs auch so klingen, dass die Jungs sie gerne spielen. Dieses Mal war der einzige Maßstab, dass ich die Songs auch gerne allein auf einer Akustikgitarre würde spielen wollen, und das gab mir die Möglichkeit, in die verschiedensten Richtungen auszubrechen."

Trotzdem ließ Cumming all seine Mitstreiter ihre eigenen Parts schreiben, anstatt ihnen genau Vorgaben zu machen. Klingt nach Band-Feeling, trotzdem sieht Cumming einen wichtigen Unterschied zur Herangehensweise seiner alten Band. "Bei den Virgins waren es die gleichen vier Leute bei allen Songs. Auf der neuen Platte gibt es dagegen zwei Leadgitarristen, je nachdem, welchen Song du gerade hörst, und auf einigen Stücken spielte ein Freund von mir Piano, bei anderen habe ich selbst das Klavier übernommen. Insofern ist die Herangehensweise nicht grundlegend anders als bei den Virgins, aber dieses Mal konnte ich nach Belieben Instrumente weglassen oder hinzufügen. Dadurch konnten sich die Songs so entwickeln, wie sie wollten."

Die Songs die Richtung vorgeben zu lassen, scheint eine geradezu antiquierte Haltung zu sein in einer Industrie, in der alles mehr und mehr kalkuliert erscheint, aber Cumming kann nicht anders, so sagt er: "Wenn ich einen Song oder ein Album machen würde, das auf etwas ganz Bestimmtes abzielt oder ganz kalkuliert dazu da wäre, meine Karriere nach vorne zu bringen, dann würde ganz sicher die Qualität darunter leiden. Strategien zu schmieden ist deshalb nicht wirklich eine Option für mich. Ich kann über meine Musik nicht zu viel nachgrübeln - so kann ich einfach keine Songs schreiben. Dennoch würde ich nicht sagen, dass jemand, der so arbeitet, weniger ehrlich ist als ich. Das ist dann eben die Art und Weise, nach der er vorgeht, daran glaubt er, das motiviert ihn. Ich denke, du kannst nichts erreichen, wenn du dich in eine Richtung bewegst, zu der du selbst kein Zutrauen hast."

Er selbst lässt sich am liebsten durch Künstler von gestern oder vorgestern inspirieren. Jazz-Gigant Bill Evans zum Beispiel beeinflusste sein Klavierspiel maßgeblich. "Natürlich bin ich nicht annähernd so gut wie er, aber seine Musik spornt mich an, mehr zu üben und besser zu werden", verrät er im Gaesteliste.de-Interview. Auch Blues-Größe Skip James hielt als Vorbild her. "An den alten Sachen gefällt mir besonders, dass es praktisch keine Trennung zwischen Performance und Aufnahme gibt. Das ist eine emotionale Qualität, die heute oft verloren geht." Dass Cumming wenig Musik von heute hört, merkt man auch seinem neuen Album an. Dass der Sound der LP an anderer Stelle bereits als klassisch beschrieben wurde, freut ihn deshalb ganz besonders. "Wir haben die Platte live eingespielt, deshalb sind praktisch alle Instrumente auf allen Kanälen zu hören, und wir hatten nachträglich kaum die Möglichkeit, bestimmte Spuren zu entfernen", erzählt er. "Wir waren auf das festgelegt, was wir hatten, aber genau das gefällt mir. Wenn das am Ende klassisch klingt, macht mich das sehr glücklich."

Apropos Glück: Nichts macht Cumming derzeit lieber, als auf der Bühne zu stehen, wie er uns abschließend gesteht: "Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich derzeit allein Akustikshows spiele, was ich sehr mag und zuvor nie richtig machen konnte, gleichzeitig aber auch mit meiner neuen Band bei einigen Festivals auftreten bin, bei denen ich hören kann, was andere Leute aus diesen Songs machen und wie sie ihnen einen neuen Vibe verpassen. Beides machen zu können, macht mich sehr glücklich."

Weitere Infos:
www.facebook.com/donaldcummingmusic
www.donaldcumming.com
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Kat Villacorta-
Donald Cumming
Aktueller Tonträger:
Out Calls Only
(Razor & Tie/Rough Trade)
 

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