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01.08.1998
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LOVE SPIT LOVE

Eher Dur als Moll

Love Spit Love
"Das ist Richard Butler?" fragte der Kollege ungläubig, als ein unscheinbarer Mann mit Hornbrille und Ziegenbärtchen höflich gestikulierend Richtung Toilette entschwindet. Tja, so ist das, wenn die Heroen der Jugend durch menschliche Umstände auf ein realistisch bodennahes Maß zurechtgestutzt werden. Man erinnere sich: 80er Jahre, Endzeitstimmung, New Wave, Synthi-Pop, Sterilität und mittendrin die Psychedelic Furs. Musik von einer anderen Welt, aus einer anderen Zeit, mit einem Frontmann, dessen Charisma den Bildschirm des TV-Gerätes zu sprengen drohte, auf der die legendäre Rockpalast-Sendung lief, mit der alles begann. Butler, das muß der Neid einem lassen, sah damals allemal 20 Jahre älter aus, als heute. Vielleicht lag es an der eher morbiden Grundstimmung der alten Furs-Nummern - also vor der Pop-Phase - vielleicht an den rabenschwarzen Eyelinern, mit denen sich Butler Ringe um die Augen malte, um noch verruchter auszusehen, jedenfalls hätte man sich damals nicht träumen lassen, dem Mann mal lebend gegenüberzusitzen. Wie dem auch sei: Die Augenringe sind auf dem Cover der neuen Love Spit Love-Platte weggespült und verschmiert, die Musik ist eher Dur als Moll und Richard selbst kommt wesentlich lockerer und fröhlicher rüber als so mancher B**tpop-Neustar. Immerhin: Er lebt seit 10 Jahren in New York und ist glücklicher Familienvater. Da kann einem die schlechte Laune schon mal vergehen. Die Frage ist nur: Wie erkläre ich dem Mann, daß seine neue Platte gar nicht mal so gut ist? Am besten gar nicht - das wird er wohl selbst wissen. Stattdessen frage ich nach dem Konzept, welches hinter der neuen Band Love Spit Love steht, in der Hoffnung, Richard möge sich selbst verplappern.

Richard: Ein Konzept habe ich eigentlich nie. Eine Art Konzept kommt vielleicht zustande, wenn du dir klar machst, wie du überhaupt klingen willst. Konzeptalben sind aber nicht mein Ding. Also ein paar der Songs klingen - meiner Meinung nach - nach den frühen Psychedelic Furs. Das haben wir vorangetrieben. Sachen wie "Sweet Thing", das klang ziemlich direkt, so wollten wir es angehen.

"Wir" ist in diesem Zusammenhang hauptsächlich Richard Butler und Richard Fortus, der Gitarrist. War man also auf der Suche nach einer gewissen Simplizität?

R: Nicht direkt. Manche der Songs sind sogar ziemlich kompliziert, was das Songwriting betrifft. Vielleicht sogar "Progressive Rock". Meistens schreibe ich jedoch ziemlich konventionelle Strophe-Reim-Strophe-Songs. Und: Meistens schreiben wir die Songs zusammen. Richard kommt mit einer akustischen Gitarre und dann arbeiten wir zusammen. Einen Song habe ich mit Tim geschrieben...

Ja, da ist noch Tim Butler, der Bruder und langjährige Bassmann der Furs. Letztlich hat man sich wohl ein wenig auseinandergelebt. Tim ist nicht länger bei Love Spit Love. Er produziert ein wenig und hat eine eigene Band, die jedoch - laut Richard - nicht sehr erfolgreich ist. In der Tat ist der Ansatz von Love Spit Love ein eher rockiger. Das Problem bei den Songs ist jedoch, daß keine Magie aufkommen will. Alles verdichtet sich irgendwo im Mittelmaß. Zugegeben: Die Furs haben eine Menge Scheiße produziert, aber wenn es dann mal klappte, dann waren das grandiose Momente. Sowas passiert bei Love Spit Love am ehesten noch beim Gesang (klaro) und bei den Lyrics. Hier fällt auch auf, daß Richard ein wenig heiterer geworden ist. Wie geht das denn, mit den Texten?

Love Spit Love
R: Ein Thema gibt's in diesem Sinne nicht. Manchmal realisiert man während man etwas schreibt, daß es über dies und jenes ist.

Was es noch zu sagen gab, ist so interessant nicht: LSL sind in den USA recht erfolgreich, obwohl sich die aktuelle Platte "Trysome Eatone" (keine bestimmte Bedeutung hinter diesem Titel, übrigens) nicht so doll verkauft. Es gibt eine interessante Homepage im Internet, auf der Richard gerne auch mal Fragen von Fans beantwortet, es gibt einen unklaren Plan, eine Akustik-Platte nur über Internet anzubieten (was z.Z. an rechtlichen Problemen mit dem Maverick-Label krankt) und: Richard ist ein großer Jeff Buckley-Fan und äußerst betrübt über dessen Tod. Ach ja: Eine Club-Tour ist angedacht. Und dort gibt's wohl auch die eine oder andere Furs-Nummer zu hören, die - Richard verleugnet diese Phase keineswegs - immer noch zu seinen bevorzugten Tracks gehören, auch wenn er diese mittleweile wie Cover-Versionen angeht.

[Erstveröffentlichung in Gästeliste #1, August 1998]


Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

Aktueller Tonträger:
Trysome Eatone
(Maverick/WEA)
 

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