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05.05.2017
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FAZERDAZE

Musikalische Landschaftspflege

Fazerdaze
So gesehen liegt Neuseeland - fast gleich weit entfernt von den USA und Europa und ja nicht mal direkt zu Australien gehörend - ziemlich weit ab vom Schuss, was die westliche Pop-Kultur betrifft. Außerdem gibt es dort ja wesentlich mehr Schafe als Menschen. Dennoch gibt es immer mal wieder hartnäckige Individuen von der Doppelinsel, die mit ihren eigenen musikalischen Visionen ausziehen, ihr Glück zu machen. Amelia Murray, die ihr Musikprojekt aber lieber Fazerdaze nennt, gehört zum Beispiel zu dieser Sorte von Künstlern.

Da es in Neuseeland ja keine rechten populären musikhistorischen Traditionen gibt, auf die sich aufsetzen ließe, versucht es Amelia lieber gleich mit einem eigenen Ansatz. Nachdem sie zunächst mal eine EP als Testballon selbst veröffentlichte, debütiert die junge Dame aus Auckland auf dem Album "Morningside" mit einem recht eigenständigen Mix aus Shoegazer-Dream-Pop, New Wave-Elementen und klassischem Indie-Pop-Songwriting, den sie inzwischen im regulären Bandsetting präsentiert. Aber lassen wir sie doch mal selbst zu Wort kommen. "Also, das fing alles in Wellington an - woher ich stamme", berichtet Amelia, "dort gibt es eine ganz gute Musikszene, die es mir ermöglichte, insbesondere viele junge Bands zu sehen - wodurch ich erst mal erkennen konnte, dass es überhaupt möglich ist, selber Musik zu machen. Denn zuvor hatte ich Musik nur im Radio gehört und das kam mir eher mysteriös vor. Als ich erkannt hatte, dass es möglich ist, gründete ich auch gleich diverse Bands und begann, Songs zu schreiben. Als ich dann nach Auckland zog, gelang es mir zunächst nicht, neue Bandmitglieder zu finden, so dass ich zunächst Songs alleine in meinem Schlafzimmer zusammen bastelte, was dann zu dem Projekt Fazerdaze führte, das ich seitdem betreibe. Insofern ist dieses Projekt dann auch stark von den Möglichkeiten des Homerecording beeinflusst. Ich mag es, viel mit Hall und Echo und Effekten zu arbeiten und ich mag es, viele Sachen zu überlagern, was auch mit dem Aufnahmeprozess zu tun hat." Gibt es dabei eine Art Referenz, die Amelia anstrebt - oder ist das eher ein kreativer Prozess? "Also vieles entsteht tatsächlich daraus, dass ich viel auf meinem Computer ausprobiere", erklärt sie, "viele sagen ja, ich hätte diesen 90s Sound - aber ich versuche bestimmt nicht, irgendetwas zu kopieren. Ich mag es aber, zu experimentieren und Sounds zu kombinieren - und das klingt dann eben so." Hat der Name Fazerdaze dabei irgendetwas direkt mit der Musik zu tun? "Den habe ich mir einfach selbst so ausgedacht", gesteht Amelia, "ich wollte nicht meinen eigenen Namen verwenden, weil ich das eher als Projekt sehe, an dem auch andere beteiligt sein können. Ich habe mit Worten herumgespielt und bin dann auf den Phantasienamen gekommen, der gar nichts bedeutet, aber nach dem klingt, was in meinem Kopf herumschwirrte." Wenn man möchte, könnte man aber doch eine Bedeutung in den Namen hineininterpretieren: Ein "Phaser" ist ein Effekt, mit dem sich psychedelische Sounds erzeugen lassen und "daze" ist eine Art Benommenheitszustand. "Ja, ich denke da hast du recht, denn ich mag den Phaser-Effekt und 'daze' sehe ich eher als einen Traumzustand. Das sind beides Dinge, die ich auch in meiner Musik sehe."

Was zeichnet dabei einen guten Song aus? "Das ist eine gute Frage", überlegt Amelia, "ich brauche immer eine wahren Kern in einem Song. Ich mag es, wenn ein Song ein Herz hat und wenn es ein Gefühl der Authentizität gibt - auch, wenn das zuweilen harsch sein kann. Das ist nicht an bestimmte Klänge gebunden - denn man kann auch einen authentischen elektronischen Song haben. Für mich ist wichtig, wenn ich durch einen Song - ungeachtet seines Stiles - etwas fühlen kann. Das gilt generell für gute Musik." Worüber singt Amelia eigentlich? Nicht, dass man die Worte nicht verstehen könnte, aber die Texte scheinen eher mit Bildern und Metaphern codiert. "Auf 'Morningside' singe ich über meine kleine Welt", verrät Amelia, "es geht um meine Gefühle oder engen Freunde. 'Morningside' ist der Name der Vorortes von Auckland, in dem ich lebe und wo ich mein Album aufgenommen habe und wo ich mich zum ersten Mal nach meinem Umzug glücklich gefühlt habe." Wie geht Amelia eigentlich musikalisch vor? Einige ihrer Songs scheinen zum Beispiel bewusst auf lediglich zwei Akkorden aufgebaut zu sein. "Ja, da hast du wohl recht - eine Menge meiner Songs basieren auf zwei Akkorden", räumt Amelia ein, "ich mag eigentlich diese Art von Limitation, die sich daraus ergibt, denn die zwingt mich dazu, interessante Harmonien zu entwickeln und mich um eine coole Produktion zu bemühen, weil ansonsten nicht viel passiert. Ich muss aber sagen, dass ich in Zukunft gerne auch mit mehr Akkorden arbeiten möchte. Ich denke, dass mich die Zwei-Akkord-Struktur gelehrt hat, starke Melodien zu schreiben." Was ist denn überhaupt die größte Herausforderung für Songwriter, die gerade erst mit ihrer Arbeit beginnen? "Die größte Herausforderung ist tatsächlich mit etwas Frischem und Originellen zu überzeugen - eben weil die die Pop-Musik ja nun schon mal seit langer Zeit existiert. Ich hinterfrage auch immer, ob ich etwas zu sagen habe - weil es halt nun mal das Schwierigste ist, etwas Neues zur musikalischen Landschaft beizutragen." Und was ist für Amelia das Befriedigendste bei ihrer Arbeit? "Da gibt es so viel, dass es schwierig ist, etwas zu benennen", überlegt sie, "ich mag es, wenn die Leute eine Verbindung zu meiner Musik aufbauen können. Wenn mir jemand sagt, dass meine Musik ihm hilft, sich nicht so alleine zu fühlen, dann ist das toll. Die menschliche Verbindung ist das, was ich wirklich wertschätze. Das Größte ist es, wenn es gelingt, bei einer Show ein universelles Gefühl der Verbundenheit zu erzeugen und zu spüren." Welches Rezept hat Amelia, dieses Ziel zu erreichen? "Für mich war es wichtig, bei diesem Album in mich selbst hineinzuhorchen, um mich selbst besser verstehen zu können", führt Amelia aus, "wenn ich mich selbst besser verstehen kann, dann denke ich, dass ich auch andere Leute besser verstehen kann. Und wenn ich andere Leute besser verstehen kann, dann kann ich auch Empathie für andere empfinden." Das heißt Musik ist auch Therapie für Amelia? "Ja, Musik hat für mich definitiv einen kathartischen Wert. Musik ist für mich eine Art Ort, an dem ich mich zu Hause fühlen kann," erklärt sie, "ich war nicht glücklich, als ich keine Musik machte und ich war sicherlich auch nicht die angenehmste Person. Ich hatte das Gefühl, mich selbst zu verschwenden und mich zu verlieren, als ich versuchte, mich dazu zu zwingen mein Leben mit einem 'normalen" Job zu stabilisieren - bis ich dann die Musik für mich entdeckte. Musik hat mich glücklich gemacht und das ist mir wichtiger als Geld und Berühmtheit." Hilft es dabei, die Texte etwas ambivalent zu halten? "Ja, denn obwohl die Texte für mich selbst schon wichtig sind, mag ich es eher, eine Atmosphäre und eine Stimmung mit meinen Texten zu erzeugen. Zusammen mit der Produktion und den Effekten kann man sich in meinen Songs dann sozusagen der Trance hingeben. Ich möchte gar nicht, dass meine Texte zu sehr analysiert werden oder zu wörtlich rüberkommen."

Fazerdaze
Wie soll es mit dem Projekt Fazerdaze denn jetzt weiter gehen? "Ich spiele jetzt mit einer festen Band und will auch gerne weiter Musik machen. Ich möchte gerne mit anderen zusammen arbeiten und ich möchte versuchen, elektronische Musik zu machen oder für Streicher zu schreiben. Mein Haupt-Ziel ist es aber auf jeden Fall, meine Liebe und meine Leidenschaft für die Musik für mich zu erhalten." Nun - das sind doch auf jeden Fall mal richtige Gründe, Musik zu machen. Wollen wir hoffen, dass Amelias und Fazerdaze dann auch mal den Weg auf unsere Bühnen finden.

Weitere Infos:
www.facebook.com/fazerdazemusic
www.groenland.com/artist/fazerdaze/
fazerdaze.bandcamp.com
twitter.com/fazerdaze
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Fazerdaze
Aktueller Tonträger:
Morningside
(Grönland/Rough Trade)
 

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