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17.11.2017
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MEGAN NASH

Songs wie Steaks

Megan Nash
Die kanadische Provinz ist immer für Überraschungen gut. Megan Nash weiß das natürlich, denn sie stammt aus dem kleinen Ort Swift Current in der Nähe von Regina in der Provinz Saskatchewan, die sich so ziemlich genau in der Mitte der kanadischen Wildnis befindet. Insofern ist es natürlich erklärlich, dass ihre - auf pfiffige Weise verqueren - autobiographisch gefärbten Songs sich mit den Eigenarten des kanadischen Landlebens beschäftigen, das für uns Westeuropäer natürlich schon recht überraschend sein kann. Wer käme zum Beispiel hierzulande auf die Idee, sein Bier zu salzen (oder gar Salamander)? In Saskatchewan ist das aber wohl ganz normal. Dass man mit solchen Anekdötchen prächtige Songs schreiben kann - zumal wenn man poetisch veranlagt ist und für den Rock'n'Roll-Lifestyle geboren scheint - kommt da natürlich zu Pass. Megans Debüt-Album "Song Harvest #1" war eine eher solitäre Angelegenheit. Nicht, dass hier etwas zu fehlen scheint, aber darauf ist ganz alleine Megan und ihre elektrische Gitarre zu hören und zeigte Megan in einem Setting, wie man es von ihren mitreißenden Solo-Konzerten kennt. Gerade deshalb kommt das nun vorliegende, zweite Album "Seeker" auch wieder als kanadische Überraschung daher, denn hier tat sich Megan mit der Band Bears In Hazenmore zusammen, die sich spontan bereit erklärten, Megans Songs mit einem bemerkenswert kreativem und vielseitigem Bandsound zu unterfüttern.

Wie kam es denn dazu? "'Song Harvest' war ein Album, das ich für mich selbst machen musste, um meinen Fortschritt als Songwriterin und Künstlerin zu dokumentieren", erläutert Megan, "ich hatte danach zwar öfter mal das Gefühl, dass ich auch mal ein Album mit einer Band machen sollte, das fühlte sich aber erst dann richtig an, als ich begann mit Bears In Hazenmore zusammenzuarbeiten. Unsere Kollaboration war das Ergebnis eines Musik-Camps für Studenten, das die Bears in Swift Current abhielten. Sie brachten mich als Gastmusikerin ins Spiel und hatten schon ein paar meiner Songs für die Band arrangiert. Ich fand das richtig gut, was sie gemacht hatten und wir arbeiteten weiter zusammen. Nach einem Wirbelsturm von Jahr hatten wir das Album dann aufgenommen und ich bin auch sehr dankbar für ihre Freundschaft und Unterstützung." Bei einem ihrer Konzerte erwähnte Megan, dass sie zwar mit Country-Radio, aber ohne Internet, Kabelfernsehen und Handys aufgewachsen sei. Woher holt sie sich dann die kulturellen Inspirationen, die es zum Song-Schreiben nun mal braucht? "Also in einer irgendwie isolierten Gegend aufzuwachsen, hat mit durchaus gut getan", verrät Megan, "Ich bin nämlich gut darin, alleine zu sein. Ich mag es sogar, mich zu langweilen - weil Langeweile meine kreative Energie fördert. Dieses Jahr war für mich - mit den ganzen Touren, die ich absolviert habe - so hektisch, dass ich mich jetzt geradezu nach einem kalten, langweiligen Winter in der Saskatchewan'schen Prairie sehne. Und heute ist es in kleinen Zentren mit Bibliotheken und Internetzugang und natürlich der gelegentlichen Empfehlung eines Freundes gar nicht so schwierig, sich auf dem Laufenden zu halten. Und ich liebe es ja auch, Gedichte zu lesen und die Musik anderer Songwriter anzuhören." So einfach, wie Megan das hier ausführt, ist es freilich dann doch nicht, denn wenn sie zum Beispiel zu Kommunikationszwecken auf das Web angewiesen ist, dann muss sie sich zu den angesprochenen "Zentren" hinbemühen.

Megans Texte erzählen keine geradlinigen Geschichten, sondern bieten eher Szenarien, Metaphern und Bilder an, die Megan auf poetische Art umwebt. Einer ihrer Songs heißt "Bad Poetry" und bezieht sich darauf, dass sie zu einer Zeit, in der sie wütend war, dazu tendierte schlechte Gedichte in ihr Tagebuch zu schreiben. Das bedeutet aber doch im Umkehrschluss, dass ihre restlichen Texte dann gute Poesie sind, oder? "Ich liebe es, Gedichte zu lesen und ich würde mich geehrt fühlen, wenn die Leute meine Texte als Poesie sehen würden", räumt Megan ein, "allerdings habe ich das starke Bedürfnis, diese Texte zu singen anstatt sie etwa vorzulesen. Ich hoffe, dass ich in der Zukunft mehr richtige Gedichte schreiben werde." Wie geht Megan denn überhaupt ihre Texte an? "Ein Journal zu führen ist für mich eine tolle Möglichkeit, mich darauf vorzubereiten, wenn ich mal Zeit habe, Songs zu schreiben", verrät Megan, "oft blättere ich dann einfach durch meine Notizen, wenn ich nach einer Inspiration suche. Ich habe auch mal versucht, auf Tour zu schreiben - aber das ist mir dann doch zu hektisch, so dass ich das nicht mehr machen kann. Ein Journal zu führen ist hingegen eine tolle Möglichkeit, ein Konzept zu finden, das man dann später ausarbeiten kann. Normalerweise sind meine Texte das Ergebnis der Erforschung meines 'Schatten-Egos' - also jener üblen Gefühle und Gedanken, von denen ich wünschte sie nicht zu haben. Eifersucht schleicht sich auch immer wieder in meine Songs hinein - und das ist das Gefühl, das ich am wenigsten mag. Nun ja - Eifersucht und Furcht sind mittelprächtige Emotionen, die wohl alle Menschen haben." Wovon lässt sich Megan Nash denn gerne musikalisch inspirieren? "Ich fühle mich von anderen Künstlern wie Neko Case, Jenny Lewis, Stevie Nicks, PJ Harvey oder Lucinda Williams inspiriert", verrät Megan, "aber ich lasse mich auch von meiner Gemeinschaft inspirieren - sowohl musikalisch wie auch auf andere Weise. Zum Beispiel von der Natur. Die Natur ist schließlich so kraftvoll und schön und bedrohlich und die Quelle allen Lebens." In der Tat geht Megan so weit, die Natur auch klanglich in ihren Songs einzubinden. Das ist also nicht bloß so dahergesagt.

Megan Nash
Worauf achtet Megan bei ihren Live-Auftritten und was zeichnet einen guten Song für sie aus? "Während eines Auftrittes hoffe ich, dass ich eine ganze Bandbreite an Gefühlen mit meinen Songs und meinem Gequatsche ausloten kann", überlegt sie, "dabei versuche ich mein Bestes, mit dem Publikum aufrichtig umzugehen. Wie viele andere Leute auch, fühle ich manche Dinge recht intensiv und das ist dann recht kraftvoll. Ein guter Song hat Worte, die wie ein dickes Steak auf deinem Teller landen - am Besten man gibt dem Hörer etwas, in das er seine Zähne reinschlagen kann. Ich liebe Pop Songs und ich suche immer einen guten Hook." Was hat es mit dem Titel des Albums - "Seeker" - auf sich? Wer ist der Suchende? Wonach sucht er? "Für mich ist die Suche ein andauernder Prozess meines spirituellen und philosophischen Selbst", meint Megan mystisch, "beim Suchen geht es mir darum, das Drücken und Ziehen zwischen meinem Ego und mir selbst zu ergründen. Ich bin also ein Suchender - und damit bin ich momentan auch ganz zufrieden." Gibt es denn schon eine Vision für die musikalische Zukunft der Megan Nash? "Meine Vision als Künstlerin war bezogen auf mich immer sehr sehr zügellos", gesteht Megan, "ich wollte immer Songs schreiben und aufnehmen, die ich mag und mir anhören möchte, wenn ich älter bin und über meine Jugend reflektiere. Alle meine Songs basieren auf meinen Erlebnissen. Es geht um Erinnerungen im Strophe/Refrain/Strophe-Format. Für mich als Künstlerin ist es wichtig, offen und aufrichtig zu sein. Das, was ich als Musikerin am liebsten mache, ist zu reisen. Und wichtig ist mir auch, dass ich mich auf mein kreatives Ich konzentrieren kann."

Es ist ja vielleicht schon an anderer Stelle gesagt worden - aber in dem Fall passt es besonders gut: Zuweilen kann es ja von Vorteil sein, wenn Künstler aus egoistischen Motiven heraus handeln und sich so durch ihre Kunst offenbaren, denn immerhin erfährt man auf diese Weise durch deren Kunst mehr über diese Künstler als manche Personen, die man tatsächlich persönlich kennt. Im Fall von Megan Nash ist dies definitiv der Fall.

Weitere Infos:
www.megannash.ca
facebook.com/megannashmusic
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Megan Nash
Aktueller Tonträger:
Seeker
(Acronym)
 

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