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01.10.1998
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GOMEZ

Her damit!

Gomez
Gomez haben in der englischen Musikszene dieses Jahr mit einer CD für großes Aufsehen gesorgt, die eigentlich nur aus Demo-Aufnahmen einer spontanen Session besteht. Daß man damit sogar Preise gewinnen kann, haben sie letztens erst gezeigt. Viele Leute bescheinigen den Jungs eine wunderbare musikalische Zukunft - was Tom Gray (Gesang, Gitarre, Keyboards) natürlich freut - er stand uns Rede und Antwort...

Kaum ist Eure erste Platte draußen, seid Ihr auch schon wieder im Studio - woran arbeitet Ihr denn gerade und wie klingt es? "Wir nehmen neue Songs für das nächste Album auf, und diese Songs werden schon anders sein als die Sachen, die auf unserer ersten Platte waren. Aber das ist einfach unsere Art - wir wissen manchmal selbst gar nicht so richtig, was wir denn machen, wir lassen es einfach geschehen und nehmen es auf. Wir haben auch keine bestimmte Formel, wie wir unsere Songs schreiben. Alle Mitglieder haben ihre Ideen und zusammen basteln wir dann an den einzelnen Stücken, und es gibt auch nichts, was wir nicht machen würden."

So fällt es dann auch recht schwer, die Musik von Gomez einzuordnen - aber das ist ja auch mal ganz schön, denn so ist man fast gezwungen, sich mit der Musik auseinanderzusetzen. Mit welcher Musik setzt sich Tom denn auseinander? "Nun, da gibt es natürlich hunderte von Sachen, die ich höre. Üblicherweise fallen den Leuten bei uns immer Tom Waits oder Beck ein, aber einen richtigen Einfluß haben diese Sachen nicht auf mich. Musik gefällt mir, wenn sie innovativ oder aufregend ist, und das ist genau das, was wir sein wollen: innovativ und aufregend. Leute wie z.B. Beck oder eben auch Tom Waits haben eine gewisse Qualität in ihrer Vision, und das ist, was uns daran gefällt. Musik sollte sehr viel Gefühl haben und vor allem interessant sein."

Interessant fanden sicherlich auch Eure Eltern den Moment, als ihre Söhne plötzlich im Musikgeschäft vertreten waren - was denken denn Deine Eltern über Deine Entscheidung? "Sie finden das alles sehr interessant, und stehen auch 100%ig hinter uns. Natürlich hatten sie sich eigentlich gewünscht, daß wir ‘anständige' Jobs machen. Bevor das hier alles so richtig losgegangen ist, hatte ich eine akademische Laufbahn eingeschlagen, und meine Eltern haben sich natürlich auch nicht träumen lassen, daß ich das jetzt geschmissen habe und mich für die musikalische Laufbahn entschieden habe. Aber inzwischen finden sie das richtig gut und unterstützen uns."

Diese Unterstützung hat schon erste Früchte getragen: Gomez haben gerade einen wichtigen Musikpreis in England gewonnen, und das zeigt schon recht deutlich, wie erfolgreich die Jungs inzwischen geworden sind. Es gibt also für Bands wie Gomez einen Platz zwischen all den Spice Girls und Boyzones und den ganzen Cover-Schrott, der sich in den Charts tummelt, oder?!? "Ja, ich denke schon, daß da Platz für uns ist. Die Leute wollen eben nicht nur die Spice Girls oder Boyzone hören, sondern auch mal etwas völlig anderes. Und die Sache mit den Cover-Songs gibt es ja schon seit Ewigkeiten. Ich finde das auch ganz okay so, denn wenn die Bands etwas aus den Songs machen, ihre eigene Note mit reinbringen, dann ist das doch interessant, und wenn eine Band meint, einem Song, den sie schon immer gut fanden, noch etwas mehr geben können, dann sollen sie das tun! Wir spielen live auch ab und zu mal einen Cover-Song - letztens haben wir mal "Soul Kitchen" von den Doors gespielt, aber in einer völlig anderen Version, und neulich haben wir mal "Seven" von Prince und "Road To Nowhere" von den Talking Heads gecovert..."

Die Videos zu den Gomez-Singles sind auch sehr interessant - bei "Get Myself Arrested" wird die Band von Wissenschaftlern auf ihre Performance-Künste hin untersucht, bei "78 Stone Wobble" geht ein Mann kopfüber durch's Leben und bei der neuen Single "Whippin' Piccadilly" treten sie als Straßenmusikanten auf... "Ja, die sind alle schon recht lustig. Wir mögen das, denn eigentlich sind die Videos in unseren Augen irrelevant. Bei ‘Get Myself Arrested' nehmen wir diese ganzen Performance-Videos auf den Arm, denn in diesen Videos muß die Band total cool aussehen, alles muß perfekt stimmen etc., und das wollten wir mal ein wenig lächerlich machen. Wir haben uns während der Dreharbeiten auch ständig kaputt gelacht, wie man an einigen Stellen auch sehen kann. Und das sollte auch ein wenig rüberbringen, daß Bands auch nur aus normalen Menschen bestehen, die ein wenig Spaß haben wollen. Wir wollten da diesen Mythos des Übermenschen beseitigen."

Nun, wenn man sich manche Bands auf der Bühne ansieht, kann man schon den Eindruck bekommen, daß sie doch nicht ganz so normal sind - aber das gehört eben zur Show. Wie wichtig sind denn Konzerte für Gomez? "Sehr wichtig, und das ist die beste Therapie für's Leben! Man fühlt sich einfach großartig, obwohl, wenn ich an unserern allerersten Gig denke, war das gar nicht so erfreulich. Wir haben damals in Glasgow unseren allerersten Live-Gig als Support für Embrace absolviert, wir hatten keinen Soundcheck und wir waren einfach scheiße! Aber lustig war's schon. Wir haben bis jetzt auch nur ca. 30-40 Gigs gespielt, und bevor wir gesigned wurden, hatten wir noch nie live gespielt! Wir sind aber schon sehr gespannt, wie unsere ersten Konzerte in Europa ablaufen werden. Der Markt in Europa ist ja ein wenig langsamer als hier in England, und es ist nicht alles so vom Trend abhängig, und daher denken wir, daß zwar ein wenig länger dauern wird, bis man uns kennt, aber das ist auch gut so."

Kennen sollte man auf jeden Fall die CD "Bring It On", die nicht einfach einzuordnen ist, denn hier finden sich allerlei verschiedene Richtungen wieder, was einen sehr interessanten Mix hervorbringt. Diesen Mix kann man wahrscheinlich im November live in Deutschland erleben, was ich natürlich nur empfehlen kann!

[Erstveröffentlichung in Gästeliste #2, Oktober 1998]


Interview: -David Bluhm-
Foto: -Pressefreigabe-

Aktueller Tonträger:
Bring It On
(Hut/Virgin)
 

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