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02.07.1999
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MADDER ROSE

"Die Welt hat uns nicht auf Knien angefleht, zusammen zu bleiben"

Madder Rose
Über Madder Rose würde ich am liebsten ein Buch schreiben. Wahrscheinlich würde ein Satz immer wieder auftauchen: Madder Rose sind super. Wirklich. Vor allem, weil sie so anders sind, auch wenn man das auf den ersten Blick vielleicht nicht merkt. Zum einen waren sie alle schon über dreißig, als sie mit der Single "Swim" aus dem genialen Debutalbum "Bring It On" ihren ersten (leider bisher einzigen) Semi-Hit 1993 hatten. Außerdem ist das Quartett aus Ithaca, New York, eine der wenigen Bands, die es heute noch verstehen, die Melodie an die erste Stelle zu setzen und sich nicht auf einen Sampler und ein paar billige Effekte zu verlassen. Nach einigen harten Jahren, in denen sie von ihrer Plattenfirma fallen gelassen wurden und ihr Management verloren, sind Mary Lorson, Billy Coté, Chris Giammalvo und Johnny Kick nun wieder da. Ihr viertes Album heißt "Hello June Fool" und ist mindestens genauso gut wie die ersten drei, vor allem, weil es eigentlich ziemlich simpel aufgebaut ist. Im Herbst sollen sie erstmals seit 1994 wieder auf Deutschland-Tournee kommen. Ob sie dann auf der Bühne wieder Whisky aus Flaschen trinken werden (ROCK 'N' ROLL, MANN!), bleibt abzuwarten, aber alleine die Tatsache, dass ihre Biographie mit dem unglaublichen Satz "Billy met Mary while busking Husker Du songs" anfängt, war uns ein Gespräch mit Mary Lorson wert.

GL: 1994 habt ihr bei Atlantic einen Major-Deal unterschrieben, die zweite LP "Panic On" veröffentlicht und endlos getourt. Dann verliert sich die Spur diesseits des großen Teiches etwas...

Mary: "Stimmt. Ende '94 sind wir nach Hause gekommen und haben beschlossen, aus New York City wegzuziehen, weil wir so kaputt waren. Also sind wir hier her gezogen, etwa fünf Stunden von New York City entfernt, und haben 'Tragic Magic', unser drittes Album, zu Ende geschrieben. Das hat sehr lange gedauert. Im Sommer '97 kam die Platte dann in den Staaten, aber nicht in Europa raus."

GL: Es heißt, auch das US-Label sei mit der Platte nicht wirklich zufrieden gewesen.

Mary: "Ich habe keine Ahnung, uns haben sie gesagt, sie wären zufrieden. Aber wahrscheinlich waren sie's wirklich nicht, denn sie haben uns kurze Zeit später gefeuert. Zur gleichen Zeit verloren wir auch unser Management. Auf einmal mussten wir wieder bei null anfangen. Jetzt managen wir uns selbst und haben auch ein neues Label gefunden, das viel mehr auf unserer Linie liegt."

GL: Habt ihr einen Masterplan, mit dem ihr an eure Musik herangeht?

Mary: "Es geht in erster Linie darum, kreativ zu sein. Außerdem geht es darum, neue Wege und Möglichkeiten zu finden. Die Melodie ist das Wichtigste, abgesehen davon ist alles erlaubt, was im Bereich unserer Talente liegt. Meine Stimme wird immer das sein, was sie ist. Ich werde nie ein Schreihals sein. Also können wir keinen Death Metal machen."

GL: Auch heute noch werdet ihr immer wieder mit anderen Bands verglichen: The Velvet Underground, My Bloody Valentine, Mazzy Star oder The Jesus And Mary Chain. Ist das nach acht Jahren nicht unheimlich nervig?

Mary: "Naja, wir sind es inzwischen gewohnt. Letztens ist allerdings eine Band im amerikanischen CMJ Magazin mit uns verglichen worden. Das war toll. Aha, dachte ich, das also ist der Lohn nach acht Jahren. (lacht)"

GL: Der wirkliche Durchbruch ist euch unverständlicherweise bisher versagt geblieben. In alten Interviews scheint ihr mir eine sehr defensive Haltung gegenüber dem Music Biz einzunehmen. Habt ihr selbst manchmal an euren Möglichkeiten gezweifelt und euch absichtlich nicht ins Rampenlicht zerren lassen?

Mary: "Nein, das war auf keinen Fall Absicht. Wenn sie uns hätten pushen wollen, wir hätten sie gelassen (lacht). Es ist ein verrücktes Geschäft. Vor zwei Jahren saß ich im Büro des Präsidenten von Atlantic Records, er hielt meine Hand, schaute mir in die Augen und sagte: "Ich mache aus dir einen Star, wie ich aus Jewel einen gemacht habe [die bekanntlich 8 Millionen Platten verkauft hat]. Das ist kein Witz, der Typ hat das wirklich zu mir gesagt. Und du sitzt da und denkst: Okay, ich werde hart arbeiten, ich gehe 12 Monate auf Tour, warum nicht? Wir sind lange genug dabei, wir verdienen ein bisschen Erfolg. Dann bin ich aus dem Büro raus und habe NIE WIEDER VON IHM GEHÖRT! Ich habe keinen Schimmer, mit wie vielen Leuten der Kerl das durchgezogen hat oder ob er es in dem Moment wirklich meinte und nachher sein Versprechen nicht halten konnte... Auf jeden Fall ist das erst zwei Jahre her, und sechs Monate später hat man uns GEFEUERT!"

GL: Seit ihr trotz der Rückschläge zufrieden mit den letzten acht Jahren?

Mary: "Ja, definitiv. Du weißt ja nie, was noch so alles passiert. Wir sind in der guten Situation, Platten machen zu können. Allerdings denken die meisten Leute: Du unterschreibst einen Plattenvertrag und dann läuft alles von selbst. In Wahrheit ist es nur der Vorteil, einen Job in der Musik zu haben, aber er erfordert genauso viel Arbeit wie jeder andere."

GL: Wie habt ihr euch innerhalb der Band verändert, gerade während der mageren Jahre?

Mary: "Unsere Freundschaft wächst und wächst. Es ist eine seltsame Art Freundschaft, aber sie ist sehr stark. Wir sind ganz einfach dieses Madder-Rose-Ding (lacht)! Ich finde es toll, dass keiner von uns das Handtuch geworfen hat, als wir von Atlantic fallen gelassen wurden. Das wäre schließlich das Einfachste gewesen. Die Welt hat uns damals nicht gerade auf Knien angefleht, zusammen zu bleiben, hahaha. Wir haben einfach entschieden, dass wir weiter zusammen halten wollen, und seitdem läuft's echt - gut."

Weitere Infos:
www.madderrose.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Madder Rose
Aktueller Tonträger:
Hello June Fool
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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