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23.07.2001
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BLAKE BABIES

Wie neu geboren

Blake Babies
Juliana Hatfield. John Poole Strohm. Freda Love Boner. Evan Dando. Die Blake Babies. "Oft erwähnt, selten gehört" könnte auf ihrem Grabstein stehen. Denn die Band aus Boston, Massachusetts, war zwischen 1986 und 1992 der Inbegriff des Wortes "Kultband". Wie so viele andere Bands von der Ostküste irgendwie mit Punk groß geworden, dann musikalisch die 60s entdeckt und mit der schrammeligen Schnittmenge namens Indie-Pop zeitgleich mit den Lemonheads oder Buffalo Tom zu Ehren gekommen, wenngleich die Blake Babies zumindest musikalisch immer ein bisschen weniger wild und harmonieliebender waren. Vier Alben haben sie damals veröffentlicht und dann war plötzlich Schluß. Juliana Hatfield startete eine bekanntlich recht erfolgreiche Solokarriere, John Strohm widmete sich fast einem Dutzend verschiedener Bandprojekte, oft gemeinsam mit Freda Boner, und tourte häufig mit den Lemonheads. Und Evan Dando, eh nur als Aushilfsbassist bei den Blake Babies beschäftigt, wurde Mitte der 90er zum ungekrönten Slackerkönig.

Aber warum erwähnte ich eben eigentlich den Grabstein der Blake Babies? Immerhin haben sie sich ja wieder aufgerafft, denn dieser Tage erscheint mit dem niedlich betitelten "God Bless The Blake Babies" nach einer Auszeit, die fast ein ganzes Jahrzehnt dauerte, das große Comeback-Album via Blue Rose nun endlich auch bei uns. Und das Album klingt so, wie man es erwarten durfte. Irgendwie wie die alten Blake Babies, aber natürlich auch wieder ganz anders. Vor allem - und das ist je nach Sichtweise schön oder schade - erwachsener.

Fast scheint es so, als würde sich für die ehemaligen Jugendfreunde aus Boston der Kreis mit dieser Blake Babies-Reunion schließen. Da mag es nicht besonders verwunderlich sein, daß Bassistin Juliana Hatfield beim Telefoninterview mit der Gästeliste reine Neugier als Hauptmotiv für den neuen Anlauf angibt: "Ich denke schon, daß man sagen kann, daß es in erster Linie reine Neugier war. Wir haben oft telefoniert und irgendwann festgestellt, daß wir alle einen Monat frei hatten, und genau die haben wir zusammen genutzt. Wir haben zunächst einfach mal gehofft, daß es Spaß machen würde, und zu dem Zeitpunkt hatten wir auch noch gar nicht mit einem Label gesprochen, weil wir uns ehrlich gesagt nicht sicher waren, ob die Aufnahmen gut werden würden, und wir wollten uns nicht dem Druck aussetzen, eine Platte veröffentlichen zu müssen, die wir nicht mögen." Sogar der alte "Aushilfsbassist" der Band, Evan Dando von den Lemonheads, ist wieder mit dabei! Juliana: "Ich habe ja auch solo immer wieder mit Evan zusammengearbeitet, er war also immer irgendwie da und deshalb machte es auch Sinn, ihn zu den neuen Blake Babies-Sessions wieder einzuladen. Außerdem hat ja auch John Strohm über die Jahre oft mit den Lemonheads getourt, insofern waren wir ja ständig in Kontakt. Wir haben oft zusammen rumgehangen und Musik gemacht." Dando ist Julianas Duettpartner bei dem Song "Brain Damage", den er zusammen mit Ben Lee geschrieben hat. Ein weiteres Highlight des Albums ist die Coverversion "Baby Gets High", das Juliana auch schon auf ihrer Solotournee im letzten Herbst gespielt hatte. Im Original stammt der Song von einer 1992er B-Seite von Madder Rose.

Gefeiert wurden die Aufnahmen, die schon Ende 1999 stattfanden, mit der ersten Blake Babies Show seit fast acht Jahren Silvester 1999 in Bloomington, Indiana. Doch wie es heute im Musikbusiness so ist, die einzelnen Bandmitglieder hatten langwierige Verpflichtungen. So ging John Strohm im Jahr 2000 erst einmal auf Tour, um sein exzellentes Soloalbum "Vestavia" zu promoten, und Juliana veröffentlichte gleich zwei eigene Platten, "Beautiful Creature" und "Total System Failure". Ein Zeichen dafür, daß die drei mit den Blake Babies-Sessions doch nicht so zufrieden waren? Nein! "Wir waren mit dem Ergebnis glücklicherweise mehr als zufrieden und haben uns danach auf die Suche nach einer Plattenfirma gemacht", verrät Juliana. "Aber auch ganz ohne Druck, schließlich haben wir auch alle noch unsere Solosachen, an die wir auch denken müssen."

Für kurze Zeit kursierte sogar das Gerücht, das neue Album solle in den Staaten bei Mammoth erscheinen, also genau dem Label, das zwar in den späten 80ern und frühen 90ern alle bisherigen Blake Babies-Platten veröffentlichte, aber später bei Juliana auch für einen Karriereknick sorgte, als das Label aus vertraglichen Gründen ihr bereits fertiggestelltes viertes Soloalbum "God's Foot" unveröffentlicht ließ. Nachdem sich diese Nachricht als Ente erwies, erscheint "God Bless The Blake Babies" nun auf der anderen Seite des großen Teiches auf Zoe/Rounder, also genau dem Label, das auch Hatfields Solo-Sachen herausbringt und bei dem nicht ganz zufällig ihr Manager Gary Smith auch die Finger im Spiel hat.

Und, jahrelange Pause hin oder her, wie Bands das nun mal so machen, auch die Blake Babies wollen wieder zusammen auf Tournee gehen, mit einer achttätigen Kurztour Mitte März haben sie schon mal die Zehen ins Wasser gehalten. Ihre einzige Europagastspielreise bisher fand im Frühjahr 1992 im Vorprogramm von Buffalo Tom statt, allerdings schon nicht mehr in Originalbesetzung, denn Freda hatte es damals vorgezogen, nicht mehr mit John und Juliana auf einer Bühne zu stehen. Ob ein weiterer Abstecher in unsere Gefilde folgen wird, konnte Juliana noch nicht bestätigen. "Wie es aussieht, wollen wir zumindest ein paar weitere Shows spielen, ob auch in Europa, wird sich zeigen. Vor der Kurztour jetzt waren unsere einzigen Auftritte eine Silvestershow und ein Konzert letzten August in Alabama, allerdings gab es dafür auch einen besonderen Anlass, wir haben dort nämlich auf Johns Hochzeit gespielt und Evan und Ben Lee sind auch aufgetreten."

Blake Babies
Egal, ob nun auf dieser oder jener Seite des großen Teiches, im Gegensatz zu Julianas Solokonzerten darf man bei den Blake Babies ruhig ein bisschen nostalgisch werden. "Wenn wir mit den Blake Babies spielen, wird es ungefähr zur Hälfte Songs aus dem neuen Album geben und zur Hälfte alte Stücke", erklärt Juliana. "Wenn ich alleine auftrete, spiele ich in erster Line meine neuen Songs, weil mich gerade auf langen Tourneen die alten schneller langweilen. Oft fühle ich mich ganz seltsam, wenn ich alte Songs spiele, und ich mag es nicht, mich seltsam zu fühlen. Wenn ich also alleine entscheiden kann, spiele ich die alten ganz einfach nicht."

Und die Perspektive? Immerhin haben sich die Blake Babies 1992 nicht nur wegen interner persönlicher und musikalischer Differenzen, sondern auch wegen einer fast notorischen Erfolgslosigkeit getrennt. Und wenn kein Wunder passiert, wird "God Bless The Blake Babies" wohl auch nicht gerade Einheiten in zweistelliger Millionenhöhe umsetzen. Also ist es doch so etwas wie ein altes Highschoolklassentreffen von ein paar - wenngleich sehr begabten - Mittdreißigern, die in ihren Karrieren alle schon so manche Höhen, aber auch viele Tiefen erlebt haben. Der Spaß steht im Vordergrund und - das Gemeinschaftsgefühl. "Ich habe die letzten zehn Jahre einfach mein Ding durchgezogen", sagt Juliana rückblickend. "Jetzt sind wir einfach neugierig, was dabei herauskommt, wenn wir nach einer so langen Pause wieder zusammenarbeiten. In gewisser Weise schließt sich also der Kreis, aber wir gehen jetzt alle mit anderen Perspektiven an die Sache heran, insofern ist das schon etwas anderes als die 'alten' Blake Babies."

Weitere Infos:
www.blakebabies.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Blake Babies
Aktueller Tonträger:
God Bless The Blake Babies
(Blue Rose Records/In-Akustik)
 

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