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27.05.2002
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DAN BERN

Gespräche mit Gott

Dan Bern
Der amerikanische Songwriter Dan Bern legt jetzt mit "New American Language" ein Album vor, welches in den USA bereits im Oktober letzten Jahres veröffentlicht wurde. Das fiel natürlich genau mit den Ereignissen in New York zusammen, die Bern dann anschließend auch in seinem Song "NYC911" (der sich NICHT auf dieser CD befindet - er kann von Dans Homepage heruntergeladen werden) verarbeitete. "Die Veröffentlichung der Scheibe war schon lange geplant", erinnert sich Dan, "daran haben wir nichts geändert. Und Songs wie den NYC-Song schreibe ich eigentlich öfters. Ich habe z.B. einen Oklahoma-Song geschrieben und auch einen über die Highschool Killings. Das ist meine Art, mit diesen Themen umzugehen." Natürlich ist Ben - trotz aller eventuell sogar ketzerischen Kommentare in seinen Texten - zunächst mal Amerikaner und somit auch Patriot von Haus wegen. Da dies natürlich unserem momentanen Selbstverständnis von politischer Korrektheit zuwiderläuft (welches ja vorschreibt, Patriotismus unreflektiert als uncool zu verdammen), ist es schon interessant, auf diesem Punkt ein wenig mehr herumzureiten und Dans Patriotismus-Verständnis herauszukitzeln.

"Nun ja, ich empfinde es gewissermaßen als meine Pflicht, solche Ereignisse mit meinen Liedern zu kommentieren", führt er aus, "das hängt mit meinen Wurzeln zusammen und steht unter anderem in der Tradition von Leuten wie Woody Guthrie, die so was ja auch gemacht haben. Es ist zudem eine ziemlich kraftvolle Sache, wenn ich diese Songs vortrage - aufnehmen tue ich sie ja für gewöhnlich nicht. So was bringt die Leute zusammen, schafft ein Gefühl der Gemeinsamkeit und hilft, mit diesen Themen umzugehen." Nun gut: Als derjenige, der er ist, darf man Dan Bern sicherlich auch das Recht zugestehen, so zu denken und zu handeln. Immerhin hat sich Bern - Vergleiche mit Bob Dylan hin oder her - als feste Größe im Bereich der politischen Liedermacher etabliert. Seine Songs beziehen immer Stellung. Der Titel der neuen CD - "New American Language" - bezieht sich z.B. durchaus auf eine kritische Einstellung zu den USA. "Ich hoffe immer, daß es einmal ein größeres Bewußtsein - so eine Art kollektives Gewissen geben wird", umschreibt Dan, was er mit der "neuen amerikanischen Sprache" (die auch mehr spanisch beinhaltet) auf sich haben soll, "ich hoffe, daß wir als Nation mal ein besseres Verständnis für unseren Platz in der Welt entwickeln. Momentan sind wir doch eher zu sehr auf uns fixiert. Meine Hoffung ist, daß unsere Nation besser darin wird, Dinge aufzunehmen, als sie auszugrenzen." Solch große Worte im Klartext spricht Dan indes nur in Interviews aus. In seinen Songs hat er ganz eigene Methoden entwickelt, mit diesen Dingen umzugehen. Zwei Beispiele seien angeführt: Der fast subversive Humor und das namentliche Aufarbeiten von allerlei Berühmtheiten wie Kurt Cobain, Leonardo DiCaprio, Britney Spears, Gott... "Weißt, du, das ist so...", erläutert er, "ich beschäftige mich ja mit durchaus schwerwiegenden, ernsthaften Themen. Themen, die einigen vielleicht sogar unangenehm sein mögen - nimm z.B. mein Gespräch mit Gott in 'God Said No'. Wenn es mir nun gelingt, die Leute zum Lachen zu bringen, dann erleichtere ich ihnen den Zugang dazu, mache es ihnen einfacher, diese Themen zu verdauen. Kennst du den Komiker Lenny Bruce? Der hat das ja auch so gemacht, hat Tabus genommen und diese lächerlich gemacht."

Seine Tricks schaut sich Dan also nicht nur von Kollegen ab? "Wenn du Songs schreibst - wenn du irgendwas schreibst - dann mußt du alles geben und nutzen, was du hast", führt Dan aus, "dazu gehört auch, daß du alles mögliche als Inspirationsquelle her nimmst - unter anderem auch Schriftsteller - wie z.B. Hemingway. So kannst Du z.B. lernen, Geschichten einfach und auf den Punkt zu erzählen." Kann man denn Songwriting lernen? Es gibt ja in Nashville z.B. eigene Songwriter-Schulen... "Ich bin sicher, daß man Songwriting lernen kann. Allerdings würde ich eher empfehlen, es einfach zu machen. Vor Schulen würde ich zurückschrecken, weil man mit Formeln da sicher nicht weiter kommt, sondern seinen eigenen Stil finden muß." Der bei Dan u.a. darin besteht, bekannte Namen in seine Songs einzubauen. "Das sind ja die 'griechischen Götter' von heute", witzelt Dan, "Ich tendiere eh dazu, nicht über Leute zu schreiben, die ich kenne. Die Berühmtheiten kennen wiederum meine Zuhörer bereits. Da kann ich mir dann sparen zu erklären, worum es geht - es ist also einfacher so." Und die Celebrities beschweren sich nicht darüber? "Bislang habe ich noch nix gehört", meint Dan, "ich habe mal einen Song über Monica Seles geschrieben und jemand, der sie kennt, hat mir erzählt, daß sie ihn mochte - das war alles bislang". Eine Ausnahme bildet indes der Song "Thanksgiving Day Parade" - ein 10-minütiges Epos am Ende der Scheibe, wo ein ganzes Orchester namentlich aufgeführt wird. "Es war so, daß ich in einem Hotel in New York wohnte, wo sehr viele Künstler waren", erklärt Dan, "da ging es mir darum, ein Gemeinschaftsgefühl auszudrücken. Es ist eine Art Hommage. Deswegen gibt es auch so viele Strophen und deswegen ist der Text so lang." A propos Texte: Wie funktioniert denn der Songwriter Dan Bern? "Ich bin jemand, der alleine schreiben muß", gibt er zu, "es ist für mich eine sehr isolierte Kunstform. Als Inspiration nehme ich alles mögliche her - z.B. meine vielen Reisen...". Der "Alaska Highway" aus dem gleichnamigen Song ist nicht zufällig der Highway 61? "Nein, es ist ein anderer Highway", widerspricht Dan, "obwohl - eine gewisse Gemeinsamkeit gibt es da schon. Es geht da mehr um einen Bewußtseinszustand, als direkt um die Straße selbst." Obwohl Dan die Songs auf der neuen CD in der o.a. Manier geschrieben hat, klingt das Ergebnis doch mehr nach einem Band-Effort als die bisherigen Sachen. "Das liegt daran, daß ich mir für diese Scheibe mehr Zeit genommen habe, als für die letzten. Ich habe sie ernster genommen. Bislang ging es immer nur daran, zwischen den Touren schnell ein paar neue Stücke einzuspielen. Dieses Mal sollte die Scheibe mindestens so gut werden, wie eine Live-Show. (Obwohl sie nicht so klingen sollte). Und ich mag meine Band [The International Jewish Banking Conspiracy] wirklich sehr."

Dan Bern
Um noch mal beim Beispiel Highway 61 zu bleiben: Geht es einem Dan Bern denn nicht auf den Keks, dauernd mit Dylan verglichen zu werden? "Doch schon", gibt Dan zu, "aber da bin ich drüber weg. Zuerst liest du alles, was über dich geschrieben wird. Und wenn da steht, daß du deine Sache gut machst, dann ist das ja auch ein tolles Gefühl. Du mußt aber lernen, diese Sachen hinter dir zu lassen und dir selbst zu vertrauen. So habe ich es gemacht. Und ich habe dann quasi auch so meine eigene, innere Stimme gefunden." Was ist denn in diesem Zusammenhang die größte Freude und der größte Frust beim Songwriting? "Das ist ganz einfach: Am schwierigsten wird's, wenn der Song nicht kommen will, der Writer's Block. Und am besten ist es, wenn alles klappt, wenn das Innerste nach Außen gekehrt wird und wenn man etwas formen kann. Das ist das Größte." Braucht es denn dazu kein Publikum? "Erst ganz am Schluß. Wenn man die Songs dem Publikum vorspielt und dann eine Reaktion erzeugt, es auf dich zurück schlägt, das ist natürlich auch toll." Wollen wir mal hoffen, daß wir das auch mal erleben dürfen. Wenn alles klappt, wird Dan im Juni/Juli auch mal bei uns vorbei schauen. Zunächst mal alleine, und wenn alles klappt, dann auch mit Band. Bis dahin sei die CD als ausgezeichnetes Beispiel dafür empfohlen, wie man heutzutage noch attraktive "Protestsongs" in die Welt setzen kann.

Weitere Infos:
www.danbern.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Dan Bern
Aktueller Tonträger:
New American Language
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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