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15.02.1999
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THE CREATURES

Von wegen "back in black"!

The Creatures
"Weißt du, was wir immer zu Weihnachten machen?" fragt mich die Dame, deren Gesicht zwar die Geschichten von vielen Exzessen erzählt, die aber dennoch für ihre mehr als 40 Jahre erstaunlich gut aussieht. "Wir verkleiden unsere Katzen als Maria und Joseph und machen Krippenspiele mit ihnen. Davon machen wir dann Fotos und setzen sie auf unsere Webpage, um die Katzen in Verlegenheit zu bringen." Sie lacht laut. Und DAS soll Siouxsie Sioux sein, die frühere Frontfrau von Siouxsie And The Banshees, der Gothrock-Band in Reinkultur, die früher am liebsten die ganze Welt schwarz angestrichen hätte? Doch, genau die ist es, die mir da diese unglaubliche Geschichte erzählt, als Gaesteliste.de sie und Budgie, ihren Ehemann seit knapp 10 und Band-Partner seit fast 20 Jahren, im Kölner Hotel Cristall treffen.

Drei Jahre nach dem Split der Banshees wollen die beiden mit aller Macht weg vom Schwarzkittel-Klischee. Als Vehikel dazu dient ihr wiederbelebtes, inzwischen zum day job avanciertes, ehemaliges Side-Project The Creatures. Auf dem neuen Album "Anima Animus"- nach jahrelanger Kooperation mit Major-Firmen veröffentlicht auf ihrem eigenen neuen Label Sioux Records - gibt es deshalb nur entfernte Anleihen in der Vergangenheit. Ein moderner Dance-Sound schallt uns auf der Platte gleich beim Opener "2nd Floor" entgegen. Dennoch nennt Siouxsie das Feeling des Albums "ursprünglich". Deshalb dürfen auch ein paar ryhthmus-orientiertere Tracks mit Voodoo-Beats in alter Creatures-Tradition nicht fehlen, aber schon beim ersten Hören des Albums wird klar: Hier ruhen sich altgediente Helden nicht auf den unbestrittenen Erfolgen ihrer Vergangenheit aus, sondern blicken nach vorn. Die Platte strahlt ein Selbstbewusstsein aus, das den Vorgängern aus dem Hause Creatures fehlte. Kein Wunder, denn das Duo hatte zum ersten Mal bei einer Creatures-Produktion keinen Zeitdruck. "Früher hatten wir immer nur ein paar Wochen während einer Banshees-Pause", erklärt Budgie den Hauptunterschied in der Arbeitsweise. "Deshalb sind damals immer alle Songs, die wir aufgenommen haben, auf die Platten gekommen. Jetzt, wo die Creatures nicht mehr nur ein Zeitvertreib nebenher sind, haben wir uns mehr Zeit gelassen, Stücke ausgetauscht, überarbeitet."

Aber nicht nur die Plattenproduktionen nehmen die Creatures jetzt ernster, auch das ganze Drumherum spielt eine wichtigere Rolle. Zum Beispiel die Präsenz im Internet. Eine eigene Homepage hat inzwischen fast jede Band, den direkten Draht zur Band bedeutet das in den meisten Fällen dennoch nicht. Das ist bei Siouxsie und Budgie anders. Auf der Site [www.thecreatures.com] stammt von der Grußbotschaft auf der Startseite bis zum Tourtagebuch alles direkt von den beiden. Es sei einfach toll, in Kontakt mit Leuten treten zu können, die man sonst nie zu Gesicht bekäme, weil sie vielleicht im äußersten Eckchen Kanadas leben, meint Budgie, vom Datenhighway sichtlich beeindruckt. Überhaupt stehen die zwei mit beiden Beinen in der Gegenwart. "Der Zeitfaktor spielt keine Rolle", ist sich Siouxsie sicher. "Es gibt ja auch Leute, die erst ein paar Jahre dabei sind und die lieber gar nicht erst hätten anfangen sollen, weil sie von Anfang an schon alt und fett sind und den Zug verpasst haben."

Doch die Creatures sind aus einem anderen Holz - obwohl das ja eigentlich schon klar war, seitdem Siouxsie bei den ersten Banshees-Konzerten vor fast einem Vierteljahrhundert im Londoner 100 Club das Vaterunser in einer äußerst eigenwilligen Version zum besten gegeben hat. Live zu spielen ist auch weiterhin ein wichtiges Thema für die Band. Und wer nach "Anima Animus" Lust auf mehr bekommen hat, dem sei die Clubtour des Duos im März oder die Oster-Rocknacht in der Philipshalle Düsseldorf empfohlen. Denn auch wenn Siouxsie und Budgie inzwischen vielleicht ziemlich alt sind, zum alten Eisen gehören sie noch lange nicht.

Weitere Infos:
www.thecreatures.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Tom Pitt-
The Creatures
Aktueller Tonträger:
Anima Animus
(Strange Ways/Zomba)
 

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