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03.04.2003
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BELASCO

First band on the moon

Belasco
Bis zum letzten Jahr hielten sich bei den drei Briten Tim Brownlow, Bill Cartledge und Duff Battye Erfolg und Misserfolg so ziemlich die Waage. So war ihr vor rund zwei Jahren erschienenes Debütalbum "Simplicity" zwar mit viel Lob bedacht worden, aufgrund von Problemen mit ihrem damaligen Label geriet das Album aber zu Unrecht schnell in Vergessenheit. Erst als das kleine, aber feine deutsche Label Supermusic auf Belasco aufmerksam wurde, konnten die drei so richtig durchstarten. Das auch an dieser Stelle gewürdigte Minialbum "Technique" war letzten Herbst ein netter Appetizer für das nun erscheinende zweite reguläre Studio-Werk, "Knowing Everyone's Okay".

Das erscheint nicht nur bei einem hiesigen Label, es wurde auch in Ratingen aufgenommen und - anders als die bisherigen Werke - von der Band größtenteils im Alleingang produziert. Eine Entscheidung, die sich als Glücksgriff erwies, wie Bill beim Treffen mit Gaesteliste.de in Köln erklärt: "Bevor der Vertrag in Deutschland zustande kam, haben wir mit einigen Labels in England verhandelt, und die hatten klare Vorstellungen davon, mit welchen Produzenten wir zusammenarbeiten sollten. Also haben wir uns mit diesen Leuten getroffen und ein paar Sachen ausprobiert, aber dabei handelte es sich stets um sehr stylische Produzenten, die alles ganz glatt klingen lassen wollten. Als wir dann die Leute vom Studio hier in Deutschland trafen, sagte man uns nur: 'Ihr seid eine Rockband, geht ins Studio, spielt live, habt Spaß!'" Deshalb fängt das Album den Live-Sound der Briten wesentlich besser ein als die bisherigen Tonträger. Kein Wunder also, dass die neue Platte streckenweise eine Abkehr vom klassischen Indie-Pop-Sound bedeutet, hin zu einem eher Rock-orientierten Klang, ohne dabei gleich wie Tool, geschweige denn Bryan Adams zu klingen. "Als wir euch letztes Jahr gesagt haben, dass wir mehr Rocknummern machen wollten, hieß das in erster Linie, dass wir uns von dem spacigen Indiepop verabschieden wollten", verdeutlicht Tim. "Eine 'Rawk'-Platte zu machen war nie unser Vorhaben, aber das Album sollte positiver sein und ein bisschen mehr Gefühl besitzen, und das ist uns, glaube ich, auch gelungen!" Dass das Ergebnis wesentlich energiegeladener und spritziger daherkommt als alle vorherigen Werke des Trios, steht dabei auch für Bill außer Frage. "Das stimmt, aber die Power entwickeln wir auf die typische Belasco-Art, wir erzeugen die Härte nicht, indem wir auf die Drums eindreschen oder ständig auf dem Distortion Pedal stehen. Wir sind davon überzeugt, dass man auch HEAVY sein kann, ohne gleich mit verzerrten Riffs aufwarten zu müssen."

Hat das vielleicht mit der musikalischen Sozialisation der Band zu tun? Was hat Bill und Tim denn veranlasst, ein Instrument zu erlernen? "Als ich klein war, habe ich Posaune gespielt, und ein Kumpel von mir bekam eine Gitarre zum Geburtstag. Immer, wenn ich das Posaunespielen übte, saß er bloß dort und spielte Akkorde, und das schien mir doch wesentlich aufregender zu sein. Also lieh ich mir seine Gitarre für eine Woche, und kurze Zeit später habe ich mir dann selber eine billige zugelegt", erinnert sich Tim. "Der Typ hieß Matt Ashworth." - "Der ist jetzt vermutlich Anwalt oder so", vermutet Bill grinsend und erzählt: "Ich hatte ältere Geschwister, die mir immer Musik zusteckten, bevor ich eigentlich dafür bereit war. So war ich schon mit acht Jahren ein großer Fan von Rush, der kanadischen ProgRock-Band. Irgendwann bin ich mit fünf Pfund in einen Plattenladen gestiefelt, um nach einem Album zu suchen, das ich nur auf Tape hatte. Das hatten sie nicht, aber dafür '2112' von Rush, und die habe ich mir dann gekauft. Ungefähr 20 Sekunden nach Beginn des ersten Songs gibt es dort ein enormes Schlagzeugsolo, die ganze Batterie von oben nach unten durchgespielt, und als ich das hörte, war klar: Ich will Schlagzeuger werden! Das war ein sehr wichtiger Moment in meinem Leben, hahaha!" Dass das geneigte Belasco-Publikum vielleicht bei "Knowing Everyone's Okay" ein wenig länger braucht, um sich von den Qualitäten des Albums überzeugen zu lassen, ist der Band durchaus bewusst, aber eine größere Halbwertzeit war den dreien dieses Mal ohne Frage wichtiger als oberflächlicher Pop-Appeal. Vor allem, weil sie sehr genau wussten, dass es dieses Mal galt, ein komplettes Album einzuspielen. Bisher entstanden ihre Platten nämlich immer nur stückweise. "Als wir mit der Vorproduktion angefangen haben, hatten wir 25 Songs zur Auswahl. Nach ein paar Monaten haben wir dann acht ausgesiebt, und aus den restlichen 17 hat jeder von uns seine Lieblingssongs ausgesucht, von denen er glaubte, sie müssten unbedingt auf das Album", erklärt Tim. "Trotzdem haben wir alle 17 aufgenommen, und das war auch gut so, denn einen Song wie 'Hunter's Song' hatte niemand von uns auf der Rechnung, aber die Aufnahme war einfach zu gut, um sie zu ignorieren. Wir hatten also schon einen Pool von Songs, allerdings waren wir auch immer sehr darauf bedacht, dass die Platte ein echtes Album werden sollte, nicht nur eine lose Sammlung von Songs." Und Bill ergänzt: "Unser Manager hat uns gleich zu Beginn gesagt, dass wir immer schon im Hinterkopf haben sollten, welches der erste Song der Platte wird und welches der letzte. Selbst als wir die Aufnahmen später unseren besten Freunden zum Probehören gegeben haben, gab es keine größeren Meinungsverschiedenheiten. Dass beispielsweise 'Summer' der erste Song sein sollte, war allen Beteiligten sofort klar."

Dass die Platte positiver klingt, wie Tim richtig bemerkt hat, liegt aber nicht nur an der Musik, sondern vor allem auch an den Texten. "Es hat immer damit zu tun, wie du dich selbst fühlst", meint Tim und verrät damit, dass die Themen der Songs nicht völlig aus der Luft gegriffen, sondern streckenweise doch recht persönlich gefärbt sind. "Das gilt allerdings nicht nur für die Texte, sondern auch für die Musik. Wenn es dir mies geht und du die Gitarre in die Hand nimmst, würde ein Dur-Akkord einfach nicht deine Stimmung widerspiegeln, also spielst du alles in Moll. Die letzten 18 Monate waren allerdings unglaublich positiv für uns, also kommt das auch in der Musik durch. Ich habe zwar immer noch eine Vorliebe für Moll-Akkorde, aber es kommt natürlich auch darauf an, was du drum herum aufbaust. Ein Moll-Akkord ist ja nicht mit einer depressiven Stimmung gleichzusetzen. Und wenn du einen fröhlichen Song schreibst, wertet das gleich auch die Message des Textes auf. 'Walk The Moon' zum Beispiel entstand aus einem Bass-Riff, mit dem Duff herumgespielt hatte. Ich hörte mir die Musik an, als ich mit dem Rad nach Hause fuhr [wenn das mal nicht verboten ist - Anm. d. Verf.], und es dämmerte gerade. Als ich dann nach oben schaute, sah ich die Sterne und den Mond, und die Zeile 'When they walk the moon' kam mir in den Sinn. Daraus entstand der komplette Text. Es war also nicht so, als hätte ich mich hingesetzt und gesagt: So, heute schreiben wir mal einen Song über den Mond". Der Song "Walk The Moon" scheint überhaupt eine wichtige Bedeutung für die gesamte Platte zu haben. Immerhin stammt die titelgebende Zeile "Knowing Everyone's Okay" ebenfalls aus dem Stück. "Der Song ist insofern etwas Besonderes, als dass wir es vorher nie geschafft haben, ein Stück von solch epischen Ausmaßen aufzunehmen, ohne dabei kitschig zu klingen. Wir sind alle damit sehr zufrieden, und das war eine gute Ermunterung, mehr in dieser Richtung zu versuchen." Mehr noch, auch das wunderschöne Aeronauten-Cover scheint auf diesen speziellen Song anzuspielen. "Jemand erzählte uns diese verrückte Geschichte von diesem Typen, der aus riesiger Höhe mit einem Fallschirm aus einem Ballon abspringen wollte, und wir sprachen darüber, wie vorsichtig er mit seinem Weltraumanzug sein musste, denn nur der kleinste Riss in der Kleidung hätte bedeutet, dass die Offiziellen ihn nicht springen lassen", erzählt Bill. "Auf der Suche nach einem vernünftigen Covermotiv stießen wir dann zufällig auf dieses großartige Foto von genau diesem Typen, das mit einer automatischen Kamera aufgenommen worden war. Also schrieben wir an die USAF und baten um Erlaubnis, das Foto benutzen zu dürfen, und sie haben sie uns wirklich erteilt. Allerdings ist das Original inzwischen verloren gegangen, deshalb mussten sie versuchen, aus dem existierenden Computerbild das Beste herauszuholen. Das Bild passte einfach ausgezeichnet zum Albumtitel und der positiven Message der Platte, sich lieber auf die guten Momente des Lebens zu konzentrieren als auf die schlechten. Und diese Geschichte und das Foto dieses verrückten Typen, der alles stehen und liegen ließ, um seinem Traum nachzujagen, schien all das, was wir mit dem Album ausdrücken wollten, gut zusammenzufassen."

Belasco
Heißt das denn nun auch, dass nur noch der Himmel die Grenze ist für die Band? "Das klingt ein wenig albern, aber es wäre natürlich nicht schlecht", schmunzelt Bill und fügt laut lachend hinzu: "Eines Tages wollen wir unbedingt auf dem Mond spielen. Die Tickets für den ersten kommerziellen Flug zum Mond haben wir schon gebucht..." Bevor es dazu kommt, gehen Belasco auf eine von Gaesteliste.de präsentierte sechswöchige Tournee durch Deutschland und das benachbarte Ausland. Und auch wenn sich das Trio für gewöhnlich von abgelutschten Rockstar-Klischees fernhält - auf einen Auftritt freuen sie die Briten ganz besonders, wie uns Bill lachend gesteht: "Wir werden bei einem kleinen Festival in der Nähe von Bielefeld als Headliner spielen, und der Veranstalter hat uns gefragt, ob es wohl in Ordnung wäre, bei unserem letzten Song ein Feuerwerk abzubrennen. Wir konnten nur sagen: 'Yeeeeeesssssssss!!!'"

Weitere Infos:
www.belasco.co.uk
www.belasco.de
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Belasco
Aktueller Tonträger:
Knowing Everyone's Okay
(Supermusic/Pias/Zomba)
 

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